Zusammenfassung
Bernward Vesper wurde im Gefolge (vulgär-) wissenschaftlicher Aufarbeitung und Reflexion des »deutschen Herbstes« von der englischen Autorin Jillian Becker wie folgt charakterisiert : »Des treuen Bernwards eigene Lebensgeschichte selbst ging dem Ende zu. Er sollte noch eine Tat der sinnlosen Zerstörung fremden Eigenturns begehen und sich dann am 14.Mai 1971 selbst zerstören, indem er — immer noch Gudrun nachtrauernd — eine Überdosis Schlaftabletten nahm. Er war wohlhabend und hinterließ alles seinem Sohn. So wurde der kleine Felix, das >Wunschkind<, von den beiden Eltern verlassen, die sich einmal der Gewaltlosigkeit verschrieben hatten.«2So läßt sich die tragik-komische Biographie Vespers auf den fast zynisch anmutenden Begriff bringen : aus Liebeskummer begeht ein reicher Sohn mit einst (politisch) versponnenen Idealen plötzlich Selbstmord.3
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Notizen
Vesper, Bernward: Die Reise, Berlin/Schlechtenwegen 1977, 20. Aufl. 1981, S. 144. Die nachfolgend in Klammern angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf diese (Taschenbuch-)Ausgabe.
Becker, Jillian: Hitlers Kinder?, Der Baader-Meinhof-Terrorismus, Frankfurt/Main 1978,
In der Vesperschen »Legendenbildung« sind inzwischen mehrere Varianten in Umlauf: etwa die von Schultz-Gerstein, es handele sich bei Vesper um einen »linken Märtyrer« (vgl. Spiegel 52/1979) oder die, Vesper sei ein »Held«, der den »deutschen Verhältnissen« zum Opfer gefallen sei (Vgl. Schneider 1981).
VoB, Henner: Peinliche Zeiten, Ein Brief an den Filmemacher Markus Imhoof, in: Mammut, März Texte 1&2 1969–1984, Hrsg. Jörg Schröder, Herbstein 1969 und 1984, S. 857.
Vgl. Piwitt, Hermann Peter : Lange auf der Wut gekaut, Kindheit und Jugend eines fünfzigjährigen deutschen Autors, in: Frankfurter Rundschau v. 2. 2. 1985, S. ZB 3.
Zit. nach: Schultz-Gerstein, Christian: Rasende Mitläufer, Portraits, Essays, Reportagen, Glossen, Berlin 1987, S. 41.
Bloch, Ernst : Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt/Main 1959, Dort lautet der erste Satz im ersten Band : »Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was erwartet uns?«
Habermas hat den Begriff vom »Linksfaschismus« zehn Jahre später »in aller Form« zurückgenommen. Vgl.: Habermas im Gespräch mit Rainer Erd, »Der Marsch durch die Institutionen hat auch die CDU erreicht«, in: Frankfurter Rundschau v. 11.März 1988, S. 11.
Bally, Gustav: Einführung in die Psychoanalyse Sigmund Freuds, Reinbek bei Hamburg 1961, S. 147.
Brauchle, Alfred: Psychoanalyse und Individualpsychologie, Stuttgart 1969, S. 31.
Vgl.: Freud, Sigmund: Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose (1909), in : ders. GW Band VII, Frankfurt/Main 1967, S. 449.
Vgl. etwa Vespers Nachwort in : Baader, Ensslin, Proll, Söhnlein: Vor einer solchen Justiz verteidigen wir uns nicht, Voltaire Flugschrift Nr. 27, Berlin 1968, S. 19ff.
Lettau. Reinhard: Täglicher Faschismus, München 1971. Umschlag.
Gauch, Sigfrid: Vaterspuren, Königstein/Ts, 1979. Im folgenden wird die 1982 bei Suhrkamp erschienene Taschenbuchausgabe zitiert.
Fels, Ludwig : Das war das Ende eines Ariers — Die Erzählung Vaterspuren von S. Gauch, in : Stuttgarter Zeitung v. 24. 11. 1979.
Etwa Jutta Schutting in ihrer Erzählung »Der Vater«, Reinbek 1980, wo es auf S. 21 heißt : »und sobald ich nach diesem Wiedersehen mit der Mutter und den Brüdern allein bin, trinke ich in Gesellschaft des Hundes vom Wein des Vaters, rauche seine Zigaretten und esse dazu die Rinden, die er von seinen Broten weggeschnitten hat…« oder auch Brigitte Schwaiger in »Lange Abwesenheit«, Reinbek 1982, wo es auf S. 11 heißt : »… und ich sitze allein in der Küche, trinke den Bierrest aus deinem Glas…«.
Musil, Robert : Der Mann ohne Eigenschaften, Reinbek 1960, S. 627.
Eich, Günter : Träume, Hörspiel von 1950, zit. nach : Brauneck, Manfred (Hg.) : Weltliteratur im 20. Jh., Bd.2, Reinbek 1981, S. 366.
Meckel, Chr.: Im Land der Umbramauten, Frankf./M 1967, S. 93/94.
Schneider, Michael: Das Spiegelkabinett, München 1980, ders.: Die Traumfalle, Künstlernovellen, Köln 1987.
Schneider, Peter: Die Wette, Erzählungsband, darin: Der große und der kleine Bruder, Berlin/W 1978.
Schneider, Michael: Nicht alle sind tot, die begraben sind — Versuch über meine NachkriegsKindheit, in: Ders.: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom, Essays, Aphorismen und Polemiken, Köln 1984, S. 8–34, hier: S. 21.
Freud, Anna; Bergmann, Thesi : Kranke Kinder — Ein psychoanalytischer Beitrag zu ihrem Verständnis, Frankfurt/M. 1972, S. 81.
Negt, Oskar : Kapital, Kabinett und Spießer — Über den geistigen Hausmeister einer neuen Dreieinigkeit, in: FR v. 2. 1. 1988.
Vgl.: Schneider, Michael: Die lange Wut zum langen Marsch, Aufsätze zur sozialistischen Politik und Literatur, Reinbek bei Hamburg 1975. Die hier versammelten Essays, Analysen und Polemiken reflektieren verschiedene Etappen im politischen Emanzipations- und Zerfallsprozeß der Neuen Linken in den Jahren 1968–1974.
Kersten, Paul: Der alltägliche Tod meines Vaters, Köln 1978, S. 44. Die nachfolgend in Klammem angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf diese Ausgabe.
Schwaiger, Brigitte : Lange Abwesenheit, Reinbek 1982.
In diesem Sinne argumentiert Heinz Puknus : »Brigitte Schwaiger«, in: ders. (Hg.): Neue Literatur der Frauen. Deutschsprachige Autorinnen der Gegenwart. München 1980, S. 230–236. Dort heißt es unter anderem : »Lange Abwesenheit< ist die große Auseinandersetzung mit dem Vater….« (S. 234) und mit »Lange Abwesenheit< liegt ein »erstrangiges Zeugnis des Ringens … vor« (S. 235). Auch Paul Kersten argumentiert in diese Richtung : »Sie versucht, sich über die Jahre ihrer >langen Abwesenheit< klarzuwerden. Das gelingt ihr in einer bewegenden Prosaelegie …«, in: ders. : DAZ v. 12. 6. 1980.
Diese Position vertreten u.a.: Cramer, Sibylle: Dialog mit einem Toten, in: FR v. 26. 4. 80. Dort heißt es u.a. : Die Grab-»Andacht«, die hier gehalten wird, setzt keine Reflexionsbewegung in Gang.«, und Baumgart, Reinhard: Dem Leben hinterher geschrieben, in: Die Zeit Nr. 41 vom 5. 10. 1984. Baumgart spricht im Zusammenhang mit Schwaigers »Lange Abwesenheit« von »mokanter Beschwerdeprosa« und kann nicht recht den »Akt der Veröffentlichung« nachvollziehen.
Zit. nach : Röhl. Albert : »Ich kenne kein Paar, das harmoniert« — Begegnung mit Brigitte Schwaiger -, in : Weltwoche v. 22. 11. 1978.
Plessen, Elisabeth : Mitteilung an den Adel, Zürich, Köln 1977.
Baumgart, Reinhard: Dem Leben hinterhergeschrieben — Der Künstler vor dem Spiegel — Vom Nutzen und Nachteil einer autobiographischen Literatur, in : Die Zeit Nr. 41 v. 5.10.1984 S. 72.
So lautet der Titel einer Arbeit Krahls über Hegel und materialistische Erkenntnistheorie. Ders.: Erfahrung des Bewußtseins, Hrsg. v. C. G. Hegemann u.a., Frankfurt/Main 1979, vgl. insbes. S. 120.
Zit. nach : Kraushaar, Wolfgang : Autoritärer Staat und Antiauoritäre Bewegung, Zum Organisationsreferat von Rudi Dutschke und Hans-jürgen Krahl auf der 22. Delegiertenkonferenz des SDS in Frankfurt (September 1967), in : 1999, Zeitschrift f. Sozialforschung — Geschichte des 20. u. 21. Jahrhunderts, Juli 1987 Heft 3, S. 76–104.
Vgl. etwa seine viel beachtete »Römerbergrede«, die er anläßlich der Verabschiedung der »Notstandsgesetze« am 27. 5.1968 auf dem Römerberg in Frankfurt hielt, in : Ders. : Konstitution und Klassenkampf, Frankfurt/Main 1971, S. 149ft:
Krahl, Hans-Jürgen : Angaben zur Person, in : Ders.: Konstitution und Klassenkampf, Frankfurt-/Main 1971, S. 18–31. Dieses weitgehend autobiographische Fragment entstand als Beitrag zur Personenbefragung im Prozeß wegen Rädelführerei usw., in dem er zusammen mit Günter Amendt und KarlDietrich (KD) Wolff wegen einer Protestaktion gegen die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1968 an den Präsidenten der Republik Senegal, Senghor, angeklagt war.
Tilman Fichter und Siegward Lönnendönker berichten in diesem Zusammenhang von der Forderung einiger Frankfurter Studenten im Jahre 1968, darunter auch Adornos Doktorand Hans-Jürgen Krahl, die Seminare von Habermas, Adorno u.a. in den Dienst der antiautoritären Revolte zu stellen. Die Professoren lehnten jedoch jedwede Instrumentalisierung von Wissenschaft und Lehre mit dem Hinweis ab, sie verlöre dadurch ihre emanzipative Kraft. Vgl.: Dies. : Kleine Geschichte des SDS, Berlin 1977, S. 138 ff.
Auch Rudi Dutschke hat diesem zentralen Aspekt in einem zeitgenössischen Beitrag große Bedeutung zugemessen. Vgl. hierzu : Bergmann, Dutschke u. a. : Rebellion der Studenten oder Die neue Opposition, Reinbek bei Hamburg 1969, darin : R. D., Die Widersprüche des Spätkapitalismus, die antiautoritären Studenten und ihr Verhältnis zur Dritten Welt, S. 33–58.
Marcuse, Herbert: Der eindimensionale Mensch, Boston 1964, Darmstadt und Neuwied 1967.
Fichter, Tilman; Lönnendanker, Siegward: Kleine Geschichte des SDS, Berlin/West 1977, S. 182 (Anm.).
Sehr eindrucksvoll wird dieses »Klima« von Jochen Schimmang in seinem autobiographischen Bericht »Der schöne Vogel Phönix«, Frankfurt a. Main, 1979, S.216ff. beschrieben. Vgl aber auch Schneider, Peter : Lenz, a. a. O.
Vgl.: Böckelmann, Frank/Nagel, Herbert: Subversive Aktion, Frankfurt a. Main, 1976.
Dutschke, Rudi: Aufrecht gehen : Eine fragmentarische Autobiographie. Hrsg.: Ulf Wolter.- Berlin, 1981, S. 41.
Negt, Oskar: Politik als Protest: Reden und Aufsätze zur antiautoritären Bewegung, Frankfurt a. Main, 1971, S. 197.
Ähnlich äußerte sich auch Jürgen Habermas in einer Rede über die politische Rolle der Studentenschaft in der Bundesrepublik (1967), in : ders.: Protestbewegung und Hochschulreform,S. 145.
Vgl.: »Am Ausgang der siebziger Jahre: ›Neue Subjektivität‹ oder der Rückzug in die Innerlichkeit? in: Sozialgeschichte der deutschen Literatur von 1918 bis zur Gegenwart, hrsg. v. Berg, Böhme u.a., Frankfurt/Main 1981, S. 749ff, bes. S. 755.
Vgl. Handke, Peter: Die Stunde der wahren Empfindung, Frankf./M 1973. Vgl. auch Schneiders Aufsatz über Peter Handkes Schriften zwischen 1970 und 1974 unter dem Titel : »Die Linke und die neue Sensibilität, in: Schneider, M. : Die lange Wut…, a.a. O. S. 304–312.
Handke, Peter : Kaspar, Frankfurt a. Main, 1967.
Enzensberger, Hans-Magnus: Mittelmaß und Wahn, Frankf./M. 1988, S. 243.
Plessen, Elisabeth: Abschied von den Vätern, in: Schultz, Hans-Jürgen: Vatersein, Stuttgart 1982, hier: TB-Ausgabe, München 1984 S. 19–41.
Plessen, Elisabeth : Mitteilung an den Adel, München 1976. Der Inhalt dieses Buches soll hier nicht näher beschrieben und analysiert werden, er geht aber dennoch an einigen Stellen mit in die Überlegungen ein. W. T.
In gewisser Weise setzt Plessen ihre Auseinandersetzung mit dem Elternhaus in ihrem zweiten Roman »Kohlhaas« auf einer neuen Ebene fort. Vergl. : Dies.: Kohlhaas. München 1979.
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Türkis, W. (1990). Zur Rekonstruktion beschädigten Lebens in autobiographischen Texten. In: Beschädigtes Leben. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03331-4_7
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