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Literaturkritik — Praxis der Literaturwissenschaft?

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Zusammenfassung

»Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Kritik, dem sich alles unterwerfen muß.«1 Der Historiker, der diesem Satz Kants ernsthaft nachhört, wird bestätigen, daß er nicht nur ein allgemeines Bürgerrecht der nachabsolutistischen Epoche verkündet — das Recht auf Meinungsfreiheit —, sondern daß er auch das spezielle Ethos einer aufgeklärten Wissenschaft ausspricht, das sie seither als ein Leitsatz alles Erkennens und Handelns begleitet. Wenn der Historiker auch sogleich einräumen muß, daß die Verwirklichung solcher allgemeinen Rechte und speziellen Pflichten stets erheblichen und oft genug krassen Einschränkungen unterworfen blieb, so haben seither allein die neuzeitlichen Diktaturen sie planmäßig außer Kraft gesetzt und statt dessen der persönlichen Unfehlbarkeit eines charismatisch erhöhten Diktators oder dem gesetzmäßig sich entfaltenden Willen eines partialen Kollektivs das Vorrecht zugestanden, als Subjekt der Geschichte zu handeln. Die jedermann eingeräumte Fähigkeit zur Kritik angetroffener Verhältnisse und die Gelegenheit zu ihrer freien Äußerung gelten in dem von Kant gemeinten Zeitalter demgegenüber als unumgehbare Vorbedingungen vernünftigen Handelns, in privaten wie in politischen Angelegenheiten und wiederum speziell in der wissenschaftlichen Arbeit. So kann Kant in der Kritik der Urteilskraft auch behaupten, anstelle einer »Wissenschaft des Schönen« könne es »nur Kritik« geben.2

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Anmerkungen

  1. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernuft, Vorrede (zur ersten Auflage) 1781, S. XI, Anm.

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Lämmert, E. (1991). Literaturkritik — Praxis der Literaturwissenschaft?. In: Das Überdachte Labyrinth. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03309-3_20

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