Zusammenfassung
»weder leugnen, noch glauben.« — Vielleicht sind diese vier Wörter die knappste Formel Georg Christoph Lichtenbergs, geeignet, all das zu kennzeichnen, was es uns Deutschen mit der Aufklärung so schwer macht. Wie viel lieber halten wir es mit der strengsten Auslegung so unbiegsamer — wir sagen gern: »charaktervoller« — Parolen wie: »Hier stehe ich, ich kann nicht anders!« Gern zitieren wir die Stelle aus der Offenbarung Johannis: »Ich weiß deine Werke: daß du weder kalt noch warm bist. Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.« Zwar schmunzeln wir gern über unseren »witzigen« Lichtenberg, — aber wir verkennen den Tiefsinn seiner Lieblingswendung »biegsam«. Nach Kluge-Götze haben wir schon um 1840 die gängige Wendung »Aufkläricht« begrüßt: das französische les lumières verliert seinen Glanz; der Anklang an »Kehrricht« in »Aufkläricht« »gibt« es den Welschen … — Und dennoch: Lichtenberg erfreut sich posthum einer falschen Beliebtheit; so gibt es einiges richtigzustellen. Tolstoi wußte es besser; er stellt Lichtenberg neben Kant: »Ich stehe jetzt ganz unter dem Einfluß zweier Deutscher. Ich lese Kant und Lichtenberg. Ich bin entzückt von der Klarheit und Anmut ihres Ausdrucks, bei Lichtenberg insbesondere auch von dem treffenden Witz.
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Giesz, L. (1990). Weder leugnen, noch glauben. In: Philosophische Spaziergänge. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03302-4_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03302-4_8
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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Online ISBN: 978-3-476-03302-4
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