Zusammenfassung
Es ist merkwürdig, daß die meisten Philosophen »von ernster Art« seit Aristoteles’ Zeiten fast alles ernstgenommen haben — außer dem Lachen. Das Lächerliche als das »unschädliche Häßliche« (Lessing) ist offenbar zu harmlos, zu »unedel« (Aristoteles) und zu scheinhaft, als daß es zum Gegenstand einer Besinnung gemacht würde, die aufs Wesentliche gerichtet ist. Die »minderhochbegabten Klassen« der lachenden Philosophen — die Ironiker, Satiriker und Humoristen — begnügten sich denn auch damit, das Komische als Form der Mitteilung, als façon de parler unreflektiert zu gebrauchen — oder: sie reflektierten und betrachteten das Komische als Problem der Ästhetik. Damit war dem Komischen freilich auch nicht gedient: wurde es doch so als Infragestellung des Schönen, Erhabenen (Kant, Fr.Th. Vischer bis Fr.G. Jünger) angesehen und damit zu einer Art Grenzbegriff des Ästhetischen im engeren Sinn. Dieser Heimatlosigkeit konnte auch Jean Pauls Vorschule der Ästhetik prinzipiell nichts anhaben, obwohl Jeans Pauls eigene Produktion bereits anzeigt: hier (wie überhaupt in der Romantik) wird eine Weise des Komischen (die »romantische Ironie«) zur »Existenz-Sphäre« (Kierkegaard) und sprengt damit prinzipiell zum ersten Mal den Kategorienapparat des philosophischen Regelkataloges. Das philosophische Selbstbewußtsein beginnt, »unendlich« zu reflektieren und nimmt an sich selbst dialektische Vollzüge wahr, die es als phänomenologische Gemeinsamkeit mit — dem Komischen begreift (so schon bei Hegel).
Ein Philosoph von ernster Art,
Der sprach und strich sich seinen Bart:
Ich lache nie. Ich lieb’ es nicht,
Mein ehrenwertes Angesicht
Durch Zähnefletschen zu entstellen
Und närrisch wie ein Hund zu bellen;
Ich lieb’ es nicht, durch ein Gemecker
Zu zeigen, daß ich Witzentdecker;
Ich brauche nicht durch Wertvergleichen
Mit andern mich herauszustreichen,
Um zu ermessen, was ich bin,
Denn dieses weiß ich ohnehin.
Das Lachen will ich überlassen
Den minder hochbegabten Klassen.
(Wilhelm Busch: Der Philosoph)
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Giesz, L. (1990). Das Komische und die Philosophie. In: Philosophische Spaziergänge. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03302-4_10
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03302-4_10
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