Zusammenfassung
Die Trennung von Kunst und Leben, selbstverständliche Voraussetzung der herrschenden Literatur, wird, wie wir gesehen haben, in den Schriften der Frauen, jenen »Schriften die nicht Werke sind«, immer wieder eigentümlich ausgesetzt. Offenbar fällt es Frauen schwer, sich eindeutig zu machen, d. h. zu »leben« oder zu schreiben, wenn man unter Schreiben das Produzieren von »Werken« verstehen will. Die Beimischung des Autobiographischen, das Haften am »Leben«, der Wunsch nach Veröffentlichung, nicht um des Werkes, sondern um der Wirkung ins Leben willen, dies sind Merkmale einer Literatur, die von der Literaturgeschichtsschreibung, wofern sie überhaupt von ihr Kenntnis genommen hat, mit dem Stempel der Trivialität versehen worden ist. Denn die Institution Literatur läßt nur das Eindeutige zu; was nicht restlos »Werk« sein will, grenzt sie aus.1 Als geheime Energie jedoch ist die Spannung zwischen Kunst und Leben, die stets nach einer Seite hin sich aufzulösen strebt, in der Institution Literatur wirksam. In der mittleren Sphäre, wie ich die Literatur der Frauen nenne, wegen ihrer eigentümlichen Querstellung zur Kunstautonomie, tritt diese Spannung an die Oberfläche, verschiebt die Grenzen, die Kunst und Leben voneinander trennen, so daß das Gelebte als Kunstwerk erscheinen kann und das Geschriebene zu Leben wird.
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Bürger, C. (1990). Ich Rahel. In: Leben Schreiben. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03297-3_6
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00681-3
Online ISBN: 978-3-476-03297-3
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