Die Literatur der DDR

Zusammenfassung

Am 8. Mai 1945, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches vor den Siegermächten, war Deutschland »ein völlig zu Boden geworfener kapitalistischer Staat«, wie Bertolt Brecht in seinem Arbeitsjournal notierte. Dabei liegt der Akzent nicht nur auf »völlig zu Boden geworfen«, sondern ebenso auf »kapitalistisch.: Das Kriegsende und damit das Ende des Dritten, faschistischen Reiches bedeutete keineswegs eine automatische Aufhebung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln und der Verfügungsgewalt darüber, also der objektiven, wirtschaftlichen Grundlage des faschistischen Systems. Aber ebensowenig war der Faschismus in den Menschen — eine gläubige oder opportunistische Gesinnung — mit dem Datum der Niederlage ausgelöscht. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung, soweit sie Krieg und NS-Terror überlebt hatte, Zivilisten und Soldaten, war zwar ernüchtert und schockiert von den Folgen des Tausendjährigen Reichs, aber keineswegs imstande, eine neue, antifaschistische Gesellschaftsordnung in souveräner Regie zu etablieren. Die Arbeiterbewegung war organisatorisch zerschlagen und zu großen Teilen physisch liquidiert worden. Die Revolution fand — wieder einmal — nicht statt. Statt dessen wurde das als politisches Subjekt handlungsunfähige deutsche Volk zum Objekt einer Kontroverse zwischen dem kapitalistisch-westlichen und dem sozialistisch-östlichen Lager, deren vorläufiger Schlußpunkt die Gründung zweier Staaten im Jahre 1949 war: die beiden Rumpfdeutschland wurden in die festgefügten, im Kalten Krieg befindlichen Machtblöcke integriert.