Zusammenfassung
Jürgen Habermas definiert die Moderne als Ablösung von den Normen der Vergangenheit, als einen Prozeß der Entfremdung und Entzweiung mit der Wirklichkeit, der sich nicht zuletzt in den Sozialutopien manifestiere. Die Moderne steht nach der »Ablösung exemplarischer Vergangenheiten« vor dem Problem, »alles Normative aus sich selber zu schöpfen«.[1] Die Aufklärung im Vorfeld der französischen Revolution greift mit abstrakten Forderungen das alte Regime an, das sich allein auf seine Positivität und seinen Überlieferungszusammenhang berufen kann. Die Verbindlichkeit dieser Überlieferung wird vor dem Richterstuhl des vernünftigen Subjekts nicht mehr anerkannt. Die Moderne negiert die alten Rechte und verlangt ein Handeln, das sich aus sich selbst begründet. Hegel: »Das Bild besserer, gerechterer Zeiten ist lebhaft in die Seele des Menschen gekommen, und die Sehnsucht, ein Seufzen nach einem reineren, freieren Zustand hat alle Gemüter bewegt und mit der Wirklichkeit entzweit.«[2] Das Wirkliche wird so zum Nicht-Vernünftigen und das Vernünftige zum Unwirklichen.
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Anmerkungen
Jürgen Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen. Frankfurt 1985, S. 31. Vgl. zur Selbstbegründungsproblematik der Moderne S. 31–35.
Lars Gustafssohn: Utopien. Essays. München 1970, S. 95: »Und so wie derjenige, der nachts oder nach Geschäftsschluß durch ein menschenleeres Kaufhaus geht, meint, den Menschen von hinten zu sehen, einen Negativ-Abdruck des Menschen (eine Art Mensch) und seiner Situation (eine Art menschlicher Situation) in den Gegenständen und Werkzeugen zu sehen, die der Mensch begehrt und hegt, oder von denen doch erwartet wird, daß er sie begehrt und hegt, so ist dieses Einkaufszentrum der Negativ-Abdruck einer bestimmten Art Mensch.«
Peter Uwe Hohendahl: Zum Erzählproblem des utopischen Romans im 18. Jahrhundert. In: Gestaltungsgeschichte und Gesellschaftsgeschichte. Hrsg. v. K. Hamburger u. H. Kreuzer. Stuttgart 1969, S. 79–114;
Wilhelm Voßkamp: Utopie und Utopiekritik in Goethes Romanen »Wilhelm Meisters Lehrjahre« und »Wilhelm Meisters Wanderjahre«. In: Utopieforschung. Hrsg. v. W. Voßkamp. Stuttgart 1982, Bd. 3, S. 227–249.
Paul Stöcklein: Wege zum späten Goethe. 2. Aufl. Hamburg 1960, S. 351.
P. U. Hohendahl : Die gebildete Gemeinschaft. Stifters »Nachsommer« als Utopie der ästhetischen Erziehung. In: Utopieforschung Bd. 3, S. 347, S. 349, vgl. S. 353. Vgl. zur unterschiedlichen Einschätzung der Utopiefrage im »Nachsommer« H. A. Glaser, der den Roman als konservative und restaurative Utopie bezeichnet (Die Restauration des Schönen. Stifters »Nachsommer«. Stuttgart 1965),
Dieter Borchmeyer, der dem widerspricht (Stifters »Nachsommer - Eine restaurative Utopie? In: Poetica 12 (1980), S. 59–82)
und Friedrich Sengle, der die idyllischen Elemente des Romans als utopisch bezeichnet (Biedermeierzeit Bd. 3, Stuttgart 1980, S. 996f.).
Vgl. zum Gesamtkomplex H.-J. Mähl: Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des Novalis. Studien zur Wesensbestimmung der frühromantischen Utopie und zu ihren ideengeschichtlichen Voraussetzungen. Heidelberg 1965.
Novalis: Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs. Hrsg. v. P. Kluckhohn, R. Samuel, H. Ritter, H.-J. Mähl, G. Schulz. Stuttgart 1960ff., Bd. 3, S. 284.
Adam Müller: Über König Friedrich II und die Natur, Würde und Bestimmung der Preussi-schen Monarchie. Berlin 1810, S. 49.
Vgl. dazu die ausgezeichnete Arbeit von Hermann Kurzke: Romantik und Konservatismus. Das »politische« Werk Friedrich von Hardenbergs (Novalis) im Horizont seiner Wirkungsgeschichte. München 1983, S. 165.
Adam Müller: Vermischte Schriften über Staat, Philosophie und Kunst. Wien 1812, S. 221 f. Vgl. dazu Kurzke (Anm. 12), S. 138ff.
Vgl. Wilhelm Weitling: Das Evangelium des armen Sünders. Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte. Mit einem Essay ›Wilhelm Weitling im Spiegel der wissenschaftlichen Auseinandersetzung‹ hrsg. v. Wolf Schäfer.AAA Hamburg 1971.
Ders.: Garantien der Harmonie und Freiheit. Mit einem Nachwort hrsg. v. Ahlrich Meyer. Stuttgart 1974.
Robert Owen: A new View of Society (1813/14); The social System (1820). Charles Fourier: Théorie des quatre Mouvements (1808); Grand Traité (1819); Le Nouveau Monde industriel et sociétaire (1829). Etienne Cabet: Reise nach Ikarien. Materialien zum Verständnis von Cabet zusammengestellt von Alexander Brandenburg und Ahlrich Meyer. Berlin 1979 (bibliothek der utopien). Vgl. dazu Michael Winter: Luxus und Pferdestärken. Die Utopie der industriellen Revoluton. Etienne Cabets »Icarien«. In: Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart. Hrsg. v. K. L. Berghahn u. H. U. Seeber. Königstein/Ts. 1983, S. 125–145.
(A. v. Kirchenheim) : Schlaraffia politica. Geschichte der Dichtungen vom besten Staate. Leipzig 1892, S. 259 (Nachdruck Sandhausen 1985). Vgl. zu Bellamy Kenneth M. Roemer: »Looking Backward«: Popularität, Einfluß und vertraute Entfremdung. In: Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart (Anm. 19), S. 146–162.
Friedrich Engels : Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft. In : Karl Marx, Friedrich Engels. Ausgewählte Schriften in zwei Bänden. Berlin 1970, Bd. 2, S. 87.
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Müller, G. (1989). Zwischenkapitel. In: Gegenwelten. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03279-9_7
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