Die Rekonstruktion: Entfalten der Wesentlichen Momente von Utopie

Zusammenfassung

Die interessierte Verwechslung konkreter Utopie mit technologischer Planung ist heute das wichtigste Manöver, die utopische Funktion ideologisch zu entschärfen. Doch es ist nicht das einzige. Zwei weitere Manöver entsprechen sich in Entgegengesetztheit. Um wieder aufzunehmen: Das eine besteht darin, Utopie auf kritische Funktion zu reduzieren. Das andere möchte gerade unter Utopie Modellbildung für die Zukunft verstehen und gerät dabei in ein Alternativisches, das jede bestimmte Kritik außer Blick bringt. Besonders Kunstinterpretation hat sich des letzteren bemächtigt und im unbestimmten Kritikbezug das Fahrwasser schlecht unendlicher Beliebigkeit gewonnen: Zukunft sei alles, was nicht der Fall zu sein scheint. Nicolas Born traf das mit den bitteren Sätzen über Utopie: »An diesem Begriff kann man offenbar wie an einem Ballon auffliegen aus den affirmativen Zusammenhängen der Kultur. Seitdem auch ich ihn ungeschützt verwende, ist mir oft übel geworden. Er übt eine Beruhigung aus, der man nicht trauen darf. « [1] Utopische Funktion muß jedoch gegen beide Manöver, die Einschränkung auf Kritik und die Einschränkung auf Modellbilden, mit bestimmter Kritik zusammengehen. Dies zu erreichen genügt es nicht, dialektische Weite des Utopiebegriffs einzufordern, wie im ersten Teil dieses Buches geschehen, es kommt darauf an, genau die Momente der dialektischen Weite zu entfalten. Das hängt vor allem zunächst einmal von der These ab, Utopie sei keine Literaturgattung. [2] Die Ansicht von dem literarisch Gattungshaften als Konstituentium der Utopie, wie immer realitätssinnig und realitätsbezogen, legt die Sache doch, wenn auch auf Umwegen, in the long run klassifikatiorisch fest.