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Gelehrte Tradition und preußisches Erbe

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Zusammenfassung

Walter Höllerer, Autor und Bücherfreund, Literaturprofessor und Bibliotheksleser, machte sich vor einigen Jahren zum vehementen »Anwalt der Bibliothek«.1 »Vielleicht ist es möglich«, sagte er, »daß die vielen Spezialfragen, die von den Sachzwängen aufgeworfen werden, den Blick zuweilen freilassen auf die Bibliothek, wie sie ist, wie sie sein könnte, und wie sie gefährdet ist. […] Immerhin wäre es ja möglich, daß wir, im Verhandeln von Sachzwängen und das Wort ›Fortschritt‹ im Ohr, genau dorthin kommen, wohin wir nicht wollen. […] Sicher, die Bibliothek ist mit abhängig vom allgemeinen Bewußtsein und seinen Organisationsformen, — aber, das ist nicht gering einzuschätzen, gerade die Bibliothek wirkt auch, so wie sie sich tätig organisiert und welche Atmosphäre sie in sich zuläßt, auf dieses allgemeine Bewußtsein zurück. […] Es könnte ja sein, und das gehört zum Alptraum des Bibliothekars und des Autors, daß selbst die Bibliothek, dieses stolze, immer lebendige Gedächtnis der Menschheit, sich so organisiert, daß es dem Gehirn die kleinsten Spezialistentümer verigelt anbietet. […] Wie die Bibliothek sich selbst auffaßt und darstellt, das hat seine Auswirkung auf den jeweiligen Zustand des Menschheits-Gedächtnisses.«2

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Notizen

  1. Walter Höllerer, Der Autor als Anwalt der Bibliothek. In: Zentrale Einrichtungen und zentrale Dienste im Bibliothekswesen. Frankfurt a. M.1980. (ZfBB. Sonderheft 29). S. 10–24

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  2. Höllerer, a. a. O. S. 22f.

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  3. Bernhard Fabian, Auf der Suche nach der humanen und effizienten Bibliothek. In: Bibliotheken im Verbund, Arbeitsplätze und neue Techniken. Frankflirt a. M. 1981. (ZfBB. Sonderheft 32). S. 126–138.

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  4. Johannes Rau, Festvortrag. In: Bibliotheken im Verbund, Arbeitsplätze und neue Techniken. Frankfurt a. M. 1981. (ZfBB. Sonderheft 32). S. 19.

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  5. Gottfried Wilhelm Leibniz. Deutsche Schriften Bd. 2.

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  6. Gotthold Ephraim Lessing an seinen Vater. Wolfenbüttel, 27. Juli 1770. In: Lessings sämtliche Schriften. Bd. 17. 3. Aufl. bes. von Franz Muncker. Leipzig 1904. S. 329f.

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  7. Christian Graf von Krockow, Warnung vor Preußen. Berlin 1981. S. 177.

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  8. Wieland Schmidt, Von der Kurfürstlichen Bibliothek zur Preußischen Staatsbibliothek. 1661–1945. In: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. Festgabe zur Eröffnung des Neubaus in Berlin. Wiesbaden 1978. S. 58.

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  9. Wieland Schmidt, a. a.O. S. 60.

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  10. Das kam in der Berufung Adolf von Harnacks, des großen Gelehrten, 1905 zum Generaldirektor der Kgl. Bibliothek zu Berlin zum Ausdruck, die viele hauptamtliche Bibliothekare freilich als Rückschlag empfanden. Friedrich Schmidt-Ott hat diese denkwürdige Tat erläutert: »War der wissenschaftliche Bibliotheksdienst unter Althoffs Händen zu einem planmäßig aufgebauten, seiner selbst bewußten Berufszweig erwachsen, so galt es nun, einem Überwiegen der jung entwickelten Bibliothekstechnik vorzubeugen, indem die Person des Generaldirektors die wissenschaftlichen Ziele aller bibliothekarischen Arbeiten in den Vordergrund stellte«. (Erlebtes und Erstrebtes. Wiesbaden 1952. S. 132).

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  11. Georg Leyh, Geschichte der Bibliotheken. In: Handbuch der Bibliothekswissenschaft. Bd 3, II. Wiesbaden 1957. S. 322.

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  12. L. Buzas, Deutsche Bibliotheksgeschichte der neuesten Zeit (1800–1945). Wiesbaden 1978. S. 20

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  13. Vgl. die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel.

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  14. Hans-Peter Geh, Berufsbild und Ausbildung des Bibliothekars. In: Zur Theorie und Praxis des modernen Bibliothekswesens. Bd. 1. München 1976. S. 231.

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  15. Bernhard Fabian (Anm. 3). In seiner Kritik der modernen Architektur z. B. setzt er sich mit der »Ideologie der Transparenz« auseinander, die sich »teils als ästhetische Progressivität maskiert«. Er fährt fort: »Alles hat klar, offen und überschaubar zu sein, und es ist schon in der Konzeption kein Platz mehr für einen Leser, der sich auf sich selbst zurückziehen möchte, weil er sich von der Sache her auf sich selbst zurückziehen muß. Die proklamatorische Öffentlichkeit der Lesesäle, die Architekten und Unterhaltsträger gegen Bibliothekare und Benutzer durchzusetzen scheinen, ist daher nur konsequent. Und es scheint mir ebenso konsequent, daß die Bibliotheken neuerdings als Orte der Kommunikation stilisiert werden, obwohl sie von ihrer Zweckbestimmung her in erster Linie als Orte einer spezifischen Nicht-Kommunikation angesehen werden müssen«. (S. 131f.)

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  16. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei betont, daß hiermit nicht der Nutzen und die Notwendigkeit des Informationswesens und speziell des IuD-Programms in Zweifel gezogen werden soll. Ich selbst habe für die Geisteswissenschaften schon 1966 »fachliche Dokumentationszentren« (heute Fachinformationszentren — FIZ — genannt) gefordert. (Paul Raabe, Dokumentation und Geisteswissenschaften. In: ZfBB. 13, 1966, S. 16–31; P. R., Die Bändigung der Bücher. Dokumentation in den Geisteswissenschaften. Vortrag in Loccum 15. 2. 1966. In: Der Monat 18, 1966, Heft 213, S. 61–68). Meine Einwände beziehen sich auf die nicht sinnvolle Gleichsetzung von Bibliothekswesen und Informationswesen.

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  17. Ich erlaube mir, auch an dieser Stelle auf eigene versteckte Veröffentlichungen zu verweisen, in denen das hier Angedeutete ausgeführt wurde: P. R., Der Bibliothekar und die Bücher. In: Wolfenbütteler Beiträge Bd 2. Frankfurt 1972. S. 131–144; P. R. Das alte und das kostbare Buch — eine bibliothekarische Zukunftsaufgabe. In: P. R., Bücherlust und Lesefreuden. Stuttgart, Metzler 1984. S. 267–286.

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  18. An dieser Stelle sei aus der Fülle der Literatur zum Berufsbild des wissenschaftlichen Bibliothekars nur an die Warnungen Georg Leyhs erinnert. »Wer vollends die geschichtliche Betrachtung und die Pflege der Überlieferung nicht als das Lebenselement der wissenschaftlichen Bibliotheken empfindet, der ist zum Bibliothekar nicht geboren. Geschichtslosigkeit ist die eigentliche Barbarei« (ZfBB. 63, 1948, S. 96f.). Im »Handbuch der Bibliothekswissenschaft« (2. Aufl. Bd 3, II. 1957. S. 467f.) liest man: »Heute muß vor einer Überschätzung und Aufblähung des technischen Rahmenwerkes, das bloß Schale ist, gewarnt werden… Alle bibliothekarische Arbeit geht ins Leere, die nicht aus dem Bedürfnis wissenschaftlicher Arbeit herauswächst… Die Bedürfnisse der Gelehrten kennt nur, wer selbst als Gelehrter arbeitet… Das große ihm anvertraute geistige Kapital wird der Bibliothekar nur dann fruchtbar verwerten, wenn er, getragen von einer hohen Auffassung seiner spezifisch bibliothekarischen Pflichten, zugleich eine wissenschaftliche Persönlichkeit darstellt. Das ist die Lehre aus der Geschichte der Bibliotheken«.

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  19. Zu diesem komplexen Zusammenhang, über den es sehr viele Veröffentlichungen gibt, verweise ich auf meinen Vortrag »Kultur und Wirtschaft«. Hannover: Norddeutsche Landesbank 1980. (Schriftenreihe Bd 7.).

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  20. In meinen Forderungen stimme ich überein mit den Überlegungen der modernen Kulturpolitiker. So fährte Karla Fohrbeck in einem Vortrag »Kulturpolitische Interessen und Interessen an der Kulturpolitik. Europäische Perspektiven für die achtziger Jahre« aus: »Das wachsende Ausmaß an Arbeitslosigkeit, ob Jugend-, Frauen- oder Altersarbeitslosigkeit, heißt schließlich nicht, daß es in unserer Gesellschaft nicht ausreichend Arbeit gibt. Es bedeutet nur, daß wir bald keinen anderen Produktivitäts- und Arbeitsbegriff mehr kennen außer dem der Ökonomen, obwohl wir sehr viele Menschen haben, die gerne in anderen Arbeitssituationen als den rein ökonomischen, großindustriellen Verwertungszusammenhängen arbeiten würden: So finden wir einen wachsenden Bedarf nach gesellschaftlicher Arbeit im kulturellen, im sozialen, im ökologischen, im öffentlichen Bereich, Bedarf nach integrativer und gestaltender, nach Arbeit im langfristigen gesellschaftlichen und aktuellen eigenen Interesse. So dürfen sich alte Menschen ab 60 Jahren nicht mehr durch Produktivität bestimmen, sondern ausschließlich durch Konsum, ein großer Verlust erstens an geschichtlicher Erfahrung und zweitens an gesellschaftlicher Produktivität und ungenutzter Kommunikation. So haben wir eine öffentliche Ideologie, in der es nahezu unkritisiert bleibt, wenn unter dem Vorwand von Arbeitsplatzsicherung in der Stahloder Autoindustrie der einzelne Arbeitsplatz mit mehreren 100.000 DM subventioniert wird, während arbeitsplatzintensive Beschäftigung, wie z. B. die der Kulturbetriebe, abgebaut wird. (Loccumer Protokolle 32/1981. Die politische Zukunft Europas — Kulturpolitik in Europa. Rehberg-Loccum 1982. S. 32).

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  21. Johannes Rau (vgl. Anm. 4), S. 22.

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Raabe, P. (1986). Gelehrte Tradition und preußisches Erbe. In: Die Bibliothek als humane Anstalt betrachtet Plädoyer für die Zukunft der Buchkultur. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03226-3_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03226-3_3

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00594-6

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