Zusammenfassung
»Mein Leben soll zu Briefen werden«, hat Rahel Varnhagen einmal geschrieben. Ihr Leben wurde Text, wurde zu Literatur. An der ästhetischen Konstruktion ihrer Briefe — und ihres Lebens — hat Rahel Varnhagen selbst mitgewirkt, sie wurde von ihrem Ehemann Varnhagen von Ense nach ihren Tode noch weitergeführt. Die posthumen Veröffentlichungen und das Schicksal ihrer Briefe haben wie bei kaum einer anderen Autorin der deutschen Literaturgeschichte dazu beigetragen, ihre Person zum Mythos und zugleich ihre Briefe zum literarischen Werk zu stilisieren. Sie sind eine natürliche Fortsetzung der florierenden Briefkultur des 18. Jahrhunderts und der Romantik, an der Frauen partizipiert und die sie maßgeblich mitgestaltet und zur Literatur geführt haben. War der Brief seit altersher ein Mittel der Kommunikation und der Selbstdarstellung, der Mitteilung von Fakten, des Dialogs mit anderen Menschen und ein Bild der eigenen Seele (epistola imago animi), so wurde er im 18. Jahrhundert zunehmend wichtig als Ausdruck weiblichen Lebens und Erlebens. Der Privatbrief — nicht der nach normativen Rhetoriken der barocken Briefsteller ausgefeilte Brief und auch nicht das fiktive Kunstprodukt –, der alltägliche Brief, wie ihn jeder Schreibkundige mehr oder weniger spontan als Mitteilung abfassen kann, gab den Frauen die Möglichkeit, über die weibliche Lebenssphäre zu schreiben, gab ihr damit Bedeutung und wertete sie auf. Der Privatbrief erlaubte das Ausströmen von unmittelbaren, eigenen Gedanken und Gefühlen, ohne an feste Stilvorbilder oder Schreibkonventionen gebunden zu sein.
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Literaturverzeichnis
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Becker-Cantarino, B. (1999). Leben als Text — Briefe als Ausdrucks- und Verständigungsmittel in der Briefkultur und Literatur des 18. Jahrhunderts. In: Gnüg, H., Möhrmann, R. (eds) Frauen Literatur Geschichte. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03218-8_10
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