Zusammenfassung
Die fehlgeschlagene Revolution von 1848 verwandelte die Diskursstruktur der Literaturkritik. Neben dieser politisch bedingten Veränderung zeigten sich im Nachmärz bereits die ersten Spuren ökonomischer Transformationen, welche die Unabhängigkeit des kritischen Urteils zunehmend fraglich erscheinen ließ. Nach der Jahrhundertmitte setzte die eigentliche Industrialisierung der Presse ein, die während des Kaiserreichs zum Ausbau der drei Großkonzerne — Scherl, Ullstein und Mosse — führte. [1] Die rapide Entfaltung des Zeitungswesens ebenso wie das Aufkommen der kommerziell motivierten Familienzeitschriften blieb natürlich nicht ohne Wirkung auf die Gestalt des literarischen Lebens. Auch in der Presse des Vormärz hatten finanzielle Interessen eine Rolle gespielt, die allerdings literarischen bzw. politischen Zielen untergeordnet war. [2] Erst im Laufe der fünfziger und sechziger Jahre begann die kommerzielle Presse die Gesinnungspresse zu verdrängen, was für den einzelnen Schriftsteller Folgen mit sich brachte, die der Soziologe Ferdinand Tönnies ohne viel Umschweife beschrieb: »Unter allen, die über das Zeitungswesen neuerdings geschrieben haben, ist Übereinstimmung, daß die Zeitung, zumal die große, wesentlich eine kapitalistische Unternehmung ist und geworden ist, deren unmittelbarer Hauptzweck also der ist, Gewinn aus dem Geschäfte zu erzielen. Folglich müssen nach diesem Zwecke die Schriftsteller sich richten, sich ihm anpassen — sie müssen aussprechen, was ihn fördert, verschweigen, was ihn hemmt; die Ansicht über das Interesse der Zeitung leitet den ›Geist‹ ihrer Kundgebungen.« [3]
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Anmerkungen
Vgl. Hans Erman, August Scherl: Dämonie und Erfolg in wilhelminischer Zeit (1954);
Isolde Rieger, Die wilhelminische Presse im Überblick: 1888–1918 (1957);
Herman Ullstein, The Rise and Fall of the House of Ullstein (New York: 1943).
Wilhelm Bauer, Die öffentliche Meinung und ihre geschichtlichen Grundlagen: Ein Versuch (1914), S. 293.
Ferdinand Tonnies, Kritik der öffentlichen Meinung (1922), S. 179–80.
Vgl. Peter Uwe Hohendahl, »Prolegomena to a History of Literary Criticism«, New German Critique Nr. 11 (1977), S. 163.
Vgl. Wolf Arno Kropat, »Obrigkeitstaat und Pressefreiheit. Methoden staatlicher Propaganda und Pressegesetzgebung im 19. Jahrhundert am Beispiel der preußischen Pressepolitik in Hessen-Nassau (1866–1870)«. Nassauische Annalen 77 (1966), S. 233–288;
Eberhard Naujoks, »Bismarck und die Organisation der Regierungspresse«, Historische Zeitschrift 205 (1967), S. 46–80;
Rober Nöll von der Nahmer, Bismarcks Reptilienfonds. Aus den Geheimakten Preußens und des Deutschen Reiches (1968).
Dieter Brosius, »Weifenfonds und Presse im Dienste der preußischen Politik in Hannover nach 1866«, Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 36 (1974), S. 192.
Heinrich Wuttke, Die deutschen Zeitschriften und die Entstehung der öffentlichen Meinung. Ein Beitrag zur Geschichte des Zeitungswesens (1866, [3] 1875), S. 126–127.
Ebd., S. 186.
Karl Frenzel, Berliner Dramaturgie (1877), Bd. I, S. 1.
Ebd., Bd. I, S. 3.
Vgl. Bernd Peschken, »Versuch einer germanistischen Ideologiekritik« (1972), S. 88–104.
Adolf Bartels, Die Deutsche Dichtung der Gegenwart. Die Alten und die Jungen (1897, [4] 1901), S. 172–73.
Pierre-Georges Castex, et al., Jules Janin et son temps: un moment du romantisme (Paris: 1974), S. 8.
Paul Lindau, Nur Erinnerungen (1919), Bd. I, S. 101.
Paul Lindau, Dramaturgische Blätter. Neue Folge 1875–1878 (1879), Bd. I, S. 1–2.
Zit. nach Hans-Heinrich Reuter, Fontane (1968), S. 260.
Theodor Fontane, Literarische Essays und Studien, hrsg. von Kurt Schreinert, Sämtliche Werke, Bd. XXII (1963), S. 491.
Vgl. Wolfgang Martens, Lyrik kommerziell. Das Kartell lyrischer Autoren 1902–1933 (1975);
Susanne Jährig-Ostertag, »Zur Geschichte der Theaterverlage in Deutschland bis zum Ende des Dritten Reiches«, Archiv für Geschichte des Buchwesens 16 (1976), S. 143–290.
Theodor Fontane, Politik und Gesellschaft, hrsg. von Charlotte Jolles, Sämtliche Werke, Bd. XIX (1969), S. 242–43.
Vgl. Levin Ludwig Schücking, Die Soziologie der literarischen Geschmacksbildung (1923), S. 125.
Theodor Fontane, Theaterkritiken, hrsg. von Siegmar Gerndt, Sämtliche Werke, Abt. III, Bd. II (1969), S. 642.
Vgl. ebd., S. 615.
Ebd, S. 68–69.
Siehe Kenneth Attwood, Fontane und das Preußentum (1970).
Theodor Fontane, Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches nebst anderen selbstbiographischen Zeugnissen, hrsg. von Kurt Schreinert und Jutta Neuendorff-Fürstenau, Sämtliche Werke, Bd. XV (1967), S. 392.
Eckart Kehr, Der Primat der Innenpolitik: Gesammelte Aufsätze zur preußisch-deutschen Sozialgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, hrsg. von Hans-Ulrich Wehler (1966), S. 65–66.
Ebd, S. 72.
Vgl. Helmut Kreuzer, Die Boheme: Beiträge zu ihrer Beschreibung (1968).
Zit. nach Katharina Günther, Literarische Gruppenbildung im Berliner Naturalismus (1972), S. 51.
Otto Brahm, Kritiken und Essays, hrsg. von Fritz Martini (1964), S. 439–440.
Ebd, S. 318–320.
Vgl. Ludwig Rubiner, »Der Dichter greift in die Politik«, Die Aktion 2 (1912), S. 642–652 und 709–715.
Alfred Kerr, Die Welt im Drama (1917), Bd. I, S. vi.
Ebd, Bd. I, S. xix.
Ebd, Bd. I, S. 15.
Ebd, Bd. I, S. 15.
Ebd, Bd. I, S. 7.
Vgl. Tilla Durieux, Meine ersten neunzig Jahre (1976), S. 107–113.
Siehe Karl Kraus, »Der größte Schuft im ganzen Land… (Die Akten zum Fall Kerr).« Die Fackel. Bd. 30, Nr. 787–794 (September 1928), S. 1–208.
Zur Entstehung der Roten Fahne vgl. Manfred Brauneck, Die Rote Fahne. Kritik, Theorie, Feuilleton 1918–1933 (1973), S. 9–19.
Siehe Kurt Hiller, »Ein besserer Mitteleuropäer«, Die Aktion Bd. I (1911), S. 172–175.
Helga Grebing, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (1966, [10] 1980), S. 94–95.
Ebd., S. 95.
Alex Hall, »The Kaiser, the Wilhelmine State and Lèse-Majesté«, German Life and Letters 27 (1973–74), S. 102; Grebing, S. 87–93.
Franz Mehring, Der Fall Lindau (1890), S. 56.
Franz Mehring, »Der Klassiker des verpreußten Deutschlands« in Aufsätze zur deutschen Literatur von Hebbel bis Schweichei, hrsg. von Hans Koch, Gesammelte Schriften, Bd. XI (1961), S. 109.
Franz Mehring, Die Lessing-Legende, hrsg. von Hans Koch, Gesammelte Schriften, Bd. IX (1963), S. 9.
Ebd, S. 8.
Ebd, S. 185.
Ebd, S. 186.
Ebd, S. 189.
Walter Benjamin, »Eduard Fuchs, der Sammler und der Historiker«, Gesammelte Schriften, Bd. II, 2, hrsg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser (1977), S. 468.
Vorwärts, 7. März 1921, zit. nach Christoph Rülcker, »Arbeiterkultur und Kulturpolitik im Blickwinkel des ›Vorwärts‹ 1918–1928«, Archiv für Sozialgeschichte Bd. 14 (1974), S. 139.
Hans Dieter Müller, Der Springer-Konzern. Eine kritische Studie (1968), S. 18.
Ebd, S. 23–24.
Herbert Scherer, »Die Volksbühnenbewegung und ihre interne Opposition in der Weimarer Republik«, Archiv für Sozialgeschichte, Bd. 14 (1974), S. 222;
Vgl. auch Hanno Möbius, Rez. von Brauneck, Die Rote Fahne, Archiv für Sozialgeschichte, Bd. 14 (1974), S. 692.
Gertrud Alexander, »Zur Frage der Kritik bürgerlicher Kunst«, in: Die Rote Fahne, 4. Januar 1921, zit. nach Walter Fahnders und Martin Rector, Literatur im Klassenkampf: Zur proletarisch-revolutionären Literaturtheorie 1919–1923 (1971), S. 89.
Manfred Brauneck, Die Rote Fahne: Kritik, Theorie, Feuilleton; 1918–1933 (1973), S. 33–35.
Paul Braun, »Henrik Ibsens hundertster Geburtstag. 20 März 1828–1928«, Die Rote Fahne, 20. März 1928, abgedr. in Brauneck, S. 338–347.
Hanno Möbius, »Der Rote Eine-Mark Roman«, Archiv für Sozialgeschichte Bd. 14 (1974), S. 176.
Ebd., S. 167.
Vgl. Helga Gallas, Marxistische Literaturtheorie (1974).
Georg Lukács, »Willi Bredels Romane«, Die Linkskurve (Neudruck 1970), 3 (1931), Nr. 11, S. 23–27;
Willi Bredel, »Einen Schritt Weiter«, Die Linkskurve, 4 (1932), Nr. 1, S. 20–22.
Otto Gotsche, »Kritik der Anderen — Einige Bemerkungen zur Frage der Qualifikation unserer Literatur«, Die Linkskurve, 4 (1932), Nr. 4, S. 28.
Ebd.
Ebd., S. 29.
Vgl. Oskar Negt und Alexander Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit (1972).
Georg Lukács, »Gegen die Spontaneitätstheorie in der Literatur«, Die Linkskurve, 4 (1932), Nr. 4, S. 31.
Thomas Mann, »Rede zur Gründung der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste«, in: Reden und Aufsätze 2, in Gesammelte Werke, Bd. X (1960, [2] 1974), S. 213.
Kurt Hiller, »Wer sind wir?« in: Geist werde Herr. Kundgebungen eines Aktivisten vor, in und nach dem Kriege (1920), S. 77.
Ebd., S. 73–74.
Walter Benjamin, »Der Irrtum des Aktivismus: Zu Kurt Hillers Essaybuch ›Der Sprung ins Helle.‹« in: Gesammelte Schriften, Bd. III, hrsg. von Hella Tiedemann-Bartels (1972), S. 351.
Kurt Tucholsky, »Der Untertan«, in: Gesammelte Werke, hrsg. von Mary Gerold-Tucholsky und Fritz Raddatz (1975), Bd. II, S. 63–67.
Vgl. Georg Lukács, »Reportage oder Gestaltung? Kritische Bemerkungen anläßlich des Romans von Ottwalt«, Die Linkskurve 4 (1932), Nr. 7, S. 23–30 und Nr. 8, S. 26–31.
Kurt Hiller, Köpfe und Tröpfe: Profile aus einem Vierteljahrhundert (1950), S. 292–93.
Die Fackel, Nr. 28 (Anfang Jänner, 1900), S. 6. Zit. nach Friedrich Jenaczek, Zeittafeln zur Fackel (1965), S. 106.
Willy Haas, Die literarische Welt (1957), S. 158.
Ebd, S. 153.
Winfried Schüler, Der Bayreuther Kreis von seiner Entstehung bis zum Ausgang der wilhelminischen Ära: Wagnerkult und Kulturreform im Geiste völkischer Weltanschauung (1971), S. 126–27.
Vgl. Adolf Bartels, Heine-Genossen: Zur Charakteristik der deutschen Presse und der deutschen Parteien (1907), S. 126.
Julius Langbehn, Rembrandt als Erzieher (1891), S. 1.
Adolf Bartels, Geschichte der deutschen Literatur ([3] 1905), Bd. II, S. 418.
Bartels, Geschichte der deutschen Literatur (1905), Bd. II, S. 457.
Ebd, Bd. II, S. 458.
Adolf Bartels, Nationale oder universale Literaturwissenschaft? Eine Kampfschrift gegen Hanns Martin Elster und Richard M. Meyer (1915).
Bartels, Geschichte der deutschen Literatur (1905), Bd. I, S. 6–7.
Bartels, »Vorwort von 1919«, Geschichte der deutschen Literatur (1943), S.v.
Hans Grimm, »Von dem politischem Amte der Dichtung: Brief an einen Literarhistoriker«, in: Forderungen an die Literatur: Aufsätze zur Verantwortung des Dichters und Schriftstellers in unserer Zeit (1977), S. 45–46.
Hans Grimm, Volk ohne Raum (1926), Bd. II, S. 254–255 und S. 278–79.
Paul Fechter, »Ein deutsches Volksbuch«, in: Die Neue Literatur 32 (1931), S. 466.
Otto Forst de Battaglia, »Unkundige Trojaner. Eine Kritik der Buchkritik«, Die Neue Literatur, 32 (1931), S. 527.
Vgl. Dietrich Strothmann, Nationalsozialistische Literaturpolitik (1960).
Bartels, Geschichte der deutschen Literatur (1905), S. ix.
Bertolt Brecht, Schriften I. Zum Theater, hrsg. von Werner Hecht, Gesammelte Werke in acht Bänden, Bd. VII (1967), S. 82.
Bertolt Brecht, Schriften II. Zur Literatur und Kunst. Zur Politik und Gesellschaft, hrsg. von Werner Hecht, Gesammelte Werke in acht Bänden, Bd. VIII (1967), S. 96.
Herbert Ihering, Der Kampf ums Theater und andere Streitschriften 1918 bis 1933 (1974), — S. 11–12.
Ebd., S. 15.
Bernd Witte, Walter Benjamin. Der Intellektuelle als Kritiker. Untersuchungen zu seinem Frühwerk (1976), S. 32.
Bartels, Geschichte der deutschen Literatur (1905), S. vi.
Vgl. Norbert W. Bolz, »Walter Benjamin«, in: Klassiker der Literaturtheorie. Von Boileau bis Barthes, hrsg. von Horst Turk (1979), S. 263–64.
Walter Benjamin, Briefe, hrsg. von Gershom Scholem und Theodor W. Adorno (1964), S. 323.
Vgl. Peter Bürger; Theorie der Avantgarde (1974, [3] 1981), S. 92–98.
Walter Benjamin, Einbahnstraße (1962), S. 52.
Ebd., S. 51.
Vgl. Norbert Mecklenburg, Kritisches Interpretieren. Untersuchungen zur Theorie der Literaturkritik (1972), S. 16.
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Berman, R.A. (1985). Literaturkritik zwischen Reichsgründung und 1933. In: Hohendahl, P.U. (eds) Geschichte der deutschen Literaturkritik (1730–1980). J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03209-6_5
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