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Von der klassizistischen zur klassischen Literaturkritik 1730–1806

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Geschichte der deutschen Literaturkritik (1730–1980)

Zusammenfassung

Die moderne Literaturkritik entstand in der Aufklärung, und so zeigt die Institution der bürgerlichen Kritik noch heute den Anspruch und die Widersprüche ihrer Entstehungszeit. Ihre Geschichte mit der Aufklärung beginnen zu lassen, entspricht einem Konsens der Forschung. Bereits 1915 stellte Albert Dresdner verwundert fest: »Merkwürdig genug ist es ja, daß die Kunstkritik, nachdem die Welt jahrtausendelang ohne sie sehr gut ausgekommen ist, gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts mit einem Mal auf der Bildfläche erscheint.« [1] In René Welleks monumentalem Werk zur europäischen Literaturkritik heißt es im Vorwort: »Als sinnvoller Ausgangspunkt bietet sich die Mitte des 18. Jahrhunderts an, denn zu dieser Zeit begannen sich die Lehren des in der Renaissance begründeten klassischen Systems nach und nach aufzulösen.« [2] Und etwas später fügt er noch hinzu: »Um die Mitte des 18. Jahrhunderts tauchen jedoch sich widerstreitende Lehren und Gesichtspunkte auf, die uns auch heute noch angehen.« [3] Historischer Wandel, wenn nicht Umbruch, und gegenwärtiges Erkenntnisinteresse begründen seine Periodisierung und bestimmen seine ideengeschichtliche Darstellung. Auch Hans Mayer beginnt seine vierbändige Anthologie, Deutsche Literaturkritik, mit dem Jahr 1730; und jüngst konstatierte Peter Uwe Hohendahl: »Die Geschichte der Literaturkritik ist kürzer, als man gemeinhin annimmt. Zu einer festen Institution wurde sie erst im Zeitalter der Aufklärung.« [4]

»Wir sind darin einig, daß die Kritik für sich eine Wissenschaft ist, die alle Kultur verdient.« (Lessing)

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Anmerkungen

  1. A. Dresdner, Die Entstehung der Kunstkritik im Zusammenhang des europäischen Kunstlebens, München 1915, S. 17.

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  71. Zur unterdrückten und verdrängten Vergangenheit der deutschen Literaturkritik gehört die republikanisch/jakobinische Publizistik, die dezidiert auf eine politische Öffentlichkeit und auf eine öffentliche Meinung drängte. Sie wäre als politische Publizistik das Gegenstück zur apolitischen und ästhetisierenden Literaturkritik der Weimarer Klassik. Daß sie sich gegenüber der klassisch-romantischen Literaturkritik nicht behaupten konnte, hängt nicht mit ihrer Qualität zusammen, vielmehr verzögerten die politischen Verhältnisse, die Zensur und die herrschende Ästhetik ihre Rezeption. Vgl. dazu Inge Stephan, Literarischer Jakobinismus in Deutschland (1789–1806). Stuttgart 1976.

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Berghahn, K.L. (1985). Von der klassizistischen zur klassischen Literaturkritik 1730–1806. In: Hohendahl, P.U. (eds) Geschichte der deutschen Literaturkritik (1730–1980). J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03209-6_2

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