Zusammenfassung
Seit der Neubewertung von »Volksliteratur« durch die Romantiker finden wir den Schwankhelden in Epik, Lyrik und Dramatik. In den mehr als 500 dichterischen Umgestaltungen wird Till als Grobian [1], als listiger Plebejer [2], als weltweiser Narr [3], als revolutionärer Bauer [4] und Hitlerjunge [5] u.a. vorgestellt, und er ist mit den unterschiedlichsten Figuren kontaminiert: mit Rübezahl, mit dem Teufel, mit Faust und dem Däumling [6]. Die Variationsbreite der Figur reicht vom Dummkopf bis zum listigen Helden. Till tritt im Laien- und im Puppenspiel auf [7], in Comics [8] und auf Toncassetten [9], in Film [10], Fernsehen [11] und Rundfunk. [12] Er betitelt Opern, Sing- und Tanzspiele, Instrumentalmusik und Vokalmusik. [13] Eulenspiegel taucht in Karnevalsund Fastnachtsveranstaltungen auf [14], nach ihm benennen sich Vereine und Gesellschaften[15], humoristisch-satirische Zeitschriften [16], Gaststätten [17] und Songgruppen. [18] Mit ihm machen Fremdenverkehrsorte und eine rührige Souvenirindustrie Reklame. [19] Eulenspiegel auf Brettspielen [20] und auf Notgeldscheinen [21], auf Bilderbögen und auf Autoaufklebern [22], als Hampelmann [23] und als Lokalmatador: wie kann da von einem Wirkungsverlust die Rede sein? Zumal kaum eine andere fiktionale Figur ein solches eindrucksvolles Weiterleben in verschiedenen Gestalten, Gattungen, Medien, Gegenständen und Verwertungszusammenhängen aufweisen kann!
Es ist ganz falsch, daß es nur einen Eulenspiegel gegeben haben soll, die Familie derer Eulenspiegel ist eine der größten und verbreitesten in Deutschland. Wenn’s die Herren nicht glauben wollen, so mögen die ihre eigenen Lebensgeschichten aufschreiben.
(Anonym [Ferdinand Röse], Die schöne Geschichte vom neuen Eulenspiegel oder Eulenspiegel als Perük-kenmacher 1849).
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Anmerkungen
Bertolt Brecht, Eulenspiegel-Geschichten. In: Ders., Gesammelte Werke. Bd. 11. Frankfurt 1967, S. 368.
Harry Vosberg, Till Eulenspiegel. Komödie in vier Aufzügen. Berlin 1912.
Jüngst noch Christa und Gerhard Wolf, Till Eulenspiegel (1972). Frankfurt 1976.
Peter Osten, Till ist wieder im Lande. Berlin 1940.
Kurt Himer, Till Eulenspiegel. Ein lustiges Spiel für die Puppenbühne von Kurt Himer. Leipzig 1925.
Ernst Betram, Till Eulenspiegel in Magdeburg. Puppenspielgespräche. Donauwörth 1951. Inge Borde (Hrsg.), Die bunte Puppenkiste. Folge 6: sieben Puppenspiele für Kinder. Berlin 1966. »Till Eulenspiegel« als Puppenspiel. Eine Erinnerung an Fritz Gerhards Marionettentheater. In: Eulenspiegel-Jahrbuch. Jg. 7. 1967, S. 3–13.
Jef Contryn, Tijl Uilen-spiegel inhet poppentheater. Mechelen 1969.
Es handelt sich um die Gruppe »Eulenspygel«. Vgl. Wolfgang Bergmann u.a. (Hrsg.), Arbeitersongbuch. Frankfurt 1977, S. 80.
Zwei Brettspiele, eines aus Amsterdam und eines aus Nürnberg, befinden sich im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Vgl. dazu Georg Bollenbeck, Einige Anmerkungen zur Eulenspielgelrezeption. In: Euelnspiegel-Jahrbuch 1982, S. 67–76.
Es handelt sich hierbei um Entwürfe von Notgeldscheinen aus Braunschweig und Kneitlingen von Günther Clausen (1885–1954). Abgedruckt in: Otto Buhbe u. Siegried Sichtermann, Till Eulenspiegel. Aufnahmen aus dem Eulenspiegel-Museum in Schöppenstedt. Wolfenbüttel 21977, o.S. Zum Eulenspiegel in der bildenden Kunst vgl. Friedrich Thöne u. Thomas Poensgen, Eulenspiegel. In: Reallexikon der deutschen Kunstgeschichte, Bd. 6, Stuttgart 1970, Sp.341–360.
Vgl. Theodor W. Adorno, Soziologie und empirische Forschung. In: Ders. u.a. (Hrsg.), Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. Neuwied und Berlin 1972, S. 81 ff. Dazu auch: Charles Wright Mills, Kritik der soziologischen Denkweise. Darmstadt und Neuwied 1973, S. 95 ff.
Aus marxistischer Sicht: I. S. Kon, Der Positivismus in der Soziologie. Geschichtlicher Abriß. Berlin 1973.
Walter Benjamin, Literaturgeschichte und Literaturwissenschaft. In: Ders., Der Stratege im Literaturkampf. Zur Literaturwissenschaft. Frankfurt 1974, S. 10.
Ders., Eduard Fuchs, der Sammler und Historiker. In: Ders., Angelus Novus. Ausgewählte Schriften 2. Frankfurt 1966, S. 302ff.
Vgl. dazu Siegfried Sichtermann, Das »Eulenspiegel-Zimmer« in der Waldgaststätte »Grüner Jäger« in Riddaghausen. In: Eulenspiegel-Jahrbuch 1973, S. 25–29.
Vgl. dazu Theodor Kappstein, Ahasver in der Weltpoesie. Berlin 1906.
Vgl. dazu Wolfgang Sydow, Deutung und Darstellung des Arminiusschicksals, besonders seit Kleist. Diss. Greifswald 1937.
Oskar Walzel, Das Prometheussymbol von Shaftesbury bis Goethe. München 1932.
P. Jolivet, La Légende de Wieland de Fogeron dans les Littératures allemande et française. Paris 1954.
Vgl. Percy Valentine Harris, The Truth about Robin Hood. London 1951.
Vgl. Wilhelm Kosch, Andreas Hofer im Leben und in der Dichtung, o. 0.1916.
Hans Reimann, Tyll. Leipzig 1918, S. 311.
Georg Engel, Uhlenspiegel. Berlin o.J. [1928].
C. v. Dornau (d.i. Freifrau Charlotte v. Schauroth), Eulenspiegel. Ein Schelmenroman. Leipzig 1920.
Die letzte Bearbeitung von Frank Wedekinds Stück »Oaha, die Satire der Satire« erscheint 1916 unter dem Titel »Till Eulenspiegel«. Vgl. dazu Hans Jochen Irmer, Der Theaterdichter Frank Wedekind. Berlin 1975, S. 103 ff.
Hermann Alfred Richter, Eulenspiegel in Schiida. Bayreuth 1943.
Vgl. Georg Himmelheber, Spiele. Gesellschaftsspiele aus einem Jahrtausend, München 1972, S. 145: »Das früheste gedruckte Käutzchenspiel findet sich 1614 in einem Verkaufskatalog des römischen Buchhändlers und Verlegers Michelangelo Vacari. Der Nürnberger Verleger Paulus Fürst hat um 1640 ein Käutzchenspiel unter dem Titel »Eulen Spiegel Spiel« herausgegeben. Dieser Titel sowie die große Beliebtheit des Spiels vor allem in Holland läßt an eine Entstehung in Niederdeutschland denken.«
Vgl. dazu Oswald Debus, Till Eulenspiegel in der deutschen Volksüberlieferung. Marburg 1951. Diss. S. 87ff.
Ulrich Benzel (Hrsg.), Sudentendeutsche Volkserzählungen. Marburg 1962, bes. S. 166f., S. 181 und 183.
Paul Möhring, Drei Hamburger Originale. Hamburg o.J. [1965]. Betrifft neben anderen den »Hamburger Eulenspiegel« Vetter Kirchhoff.
Vgl. George Burkus, Peterchen Kerempuch, der kroatische Eulenspiegel. In: Eulenspiegel-Jahrbuch 1969, S. 21–23.
Vgl. Chajim Bloch. Hersch Ostropoler. Ein jüdischer Till-Eulenspiegel des 18. Jh. Seine Geschichten und Streiche. Berlin und Wien 1921.
Walter Kahn, Der Südwester Eulenspiegel. In: Eulenspiegel-Jahrbuch 1972. S. 33–36. — Diese Auflistung ist nicht vollständig. Weitere Angaben sind bei Hinz, Katalog der Eulenspiegel-Literatur im Eulenspiegel-Museum zu Schöppenstedt (zit. Anm. 10), S. 139 ff. zu finden.
Lina Maria Coster-Wijsman, Uilenspiegel-Verhalten in Indonesie in het biezonder in de Soendalanden. Santpoort 1929.
R. Loewe, Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 21, 1911, S. 138ff.
Edmund Veckenstedt, Wendische Sagen. Märchen und abergläubische Gebräuche. Graz 1880, S. 95.
Hannelore Link, Rezeptionsforschung. Eine Einführung in Methoden und Probleme. Stuttgart, Berlin, Köln und Mainz 1976, S. 86ff.
Hans Robert Jauß, Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft. In: Ders., Literaturgeschichte als Provokation. Frankfurt 1970, S. 169.
Vgl. dazu Bernd Jürgen Warneken, Literarische Produktion. Grundzüge einer materialistischen Theorie der Kunstliteratur. Frankfurt 1979, S. 42.
Vgl. dazu Doris Maurer, August von Kotzebue. Ursachen seines Erfolges. Konstante Elemente seiner unterhaltenden Dramatik. Bonn 1979.
Vgl. Otto Rommel, Johann Nestroy. Der Satiriker auf der Altwiener Komödienbühne. Mit 5 Bildtafeln. Wien 1848, S. 145.
Volker Klotz, Dramaturgie des Publikums. Wie Bühne und Publikum aufeinander eingehen, insbesondere bei Raimund, Büchner, Wedekind, Horváth, Gatti und im politischen Agitationstheater. München und Wien 1976, S. 32 f.
Franz H. Mautner, Nestroy. Mit 36 Abbildungen und 5 Faksimiles. Frankfurt 1978, S. 50.
Johann N. Nestroy, Eulenspiegel oder Schabernack über Schabernack. In: Historisch-kritische Gesamtausgabe. Hrsg. v. Fritz Brukner und Otto Rommel unter Mitwirkung von Adolf Hoffmann. Neunter Band. Die Possen. Erster Teil. Wien 1927, S. 89.
Anton Bittner, Eulenspiegel als Schnipfer. Posse in einem Act. Zweite Auflage. Wien 1879, S. 8.
Vgl. Jürgen Brummack, Zu Begriff und Theorie der Satire. In: DVjs. 45, 1971. Sonderheft Forschungsreferate. S. 275–377.
Vgl. Karl Friedrich Flöget, Geschichte der Hofnarren. Liegnitz und Leipzig 1789, S. 475.
Anonym (Johann Friedrich Schink), Till Eulenspiegels Wiederkehr. Monodrama. In: Ders., Momus und sein Guckkasten. Berlin 1799, S. 210.
Vgl. dazu Günter Theodor Wellmanns, Studien zur deutschen Satire. Theorie-Stoffe-Form und Stil. Bonn. Diss. 1969, S. 55 ff.
Friedrich Radewell, Tyll Eulenspiegel. Komödie. Hamburg 1840, S. 23.
Adolf Böttger, Till Eulenspiegel. Modernes Heldengedicht. Leipzig 1850, S.2.
Christine Taberner und Karl Riha, »Uhlenspiegel«, Bibliographie, Siegen 1981.
Vgl. Georg Lukács, Zur Frage der Satire. In: Ders., Essays über Realismus. Probleme des Realismus I. Neuwied und Berlin 1971, S.95.
Vgl. dazu Wolfgang Emmerich, Zur Kritik der Volkstumsideologie. Frankfurt 1971, S.29ff.
Friedrich Lienhard, Till Eulenspiegel. Dramatische Dichtung in 3 Teilen. Stuttgart 71925.
Georg Fuchs, Till Eulenspiegel. Komödie in 5 Aufz. Florenz und Leipzig 1899.
Felix Braun, Till Eulenspiegels Kaisertum. Eine Komödie in vier Akten. Berlin 1911.
Wilhelm Versbofen. Tyll Eulenspiegel. Ein Spiel von Not und Torheit. Jena 1919. Vgl. dazu auch: Wilhelm Meridies, Eulenspiegel als Minister eines modernen Staates. In: Eulenspiegel-Jahrbuch, 1964, S. 19–26.
Adam Kuckhoff, Till Eulenspiegel. Spiel in 5 Bildern. Berlin 1941.
Wolf von Niebelsckütz, Eulenspiegel in Mölln. Komödie in 1 Aufzug. In: Ders., Gedichte und Dramen. Köln 1962.
Otto Erich Kiesel, Unterwegs nach Mölln. Tills letzte Wegstrecke. Hamburg 1935, S. 10.
Wolfgang Promies, Aspekte des Närrischen in Gerhart Hauptmanns Till Eulenspiegel. In: Revue de Littrature comparée, 37, 1963, S. 526.
Vgl. Friedrich hurschell, Der Eulenspiegel Hauptmann. In: Literaturblatt der Frankfurter Zeitung vom 11. 12. 1927.
Zit. nach Bernhard Zeller, Gerhart Hauptmann. Leben und Werk. Eine Gedächtnisausstellung des Deutschen Literaturarchivs zum 100. Geburtstag des Dichters. Stuttgart 1962* S.226f.
Vgl. dazu Fritz Ebers, EinGrabbe-Fund. In: Der Theater-Courier. Nr. 1428. Beil. Nr. 1.1921.
Georg Lukács, Der historische Roman. Probleme des Realismus III. Neuwied und Berlin 1965, S.262.
Günther Weisenborn, Anmerkungen zur »Ballade vom Eulenspiegel«. In: Ders., Theater, Bd.4, Berlin 1967, S.278.
Günter Weisenborn, Die Ballade vom Eulenspiegel, vom Federle und von der dicken Pompanne (1948), München 21961, S. 61 ff.
Günter Weisenborn, Bertolt Brecht. Brecht plant ein Eulenspiegel-Stück. In: Ders., Der gespaltene Horizont. München 1964, S. 10f.
Bertolt Brecht, Gesammelte Werke. Bd. 11. Frankfurt 1967, S. 367.
Hans Kaufmann, Gespräch mit Christa Wolf. In: Weimarer Beiträge 1974, H. 6, S. 105f. Zur Stellung des Textes innerhalb des Gesamtwerks von Chr. Wolf vgl. Alexander Stephan Christa Wolf. München 1976, S. 92 ff.
Joachim Kupscb, Das tolldreiste Dutzend des Till Eulenspiegel. Berlin 1974.
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Bollenbeck, G. (1985). Der Dauererfolg des Eulenspiegels als abgelöste Figur und in Stoffumwandlungen. In: Till Eulenspiegel. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03205-8_4
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