Zusammenfassung
Von tragischer Erleichterung, von grimmiger Befriedigung gar ist vielfach die Rede in den Kommentaren, mit denen Exilierte die Nachrichten von der französischen und der britischen Kriegserklärung an Hitlerdeutschland begleitet haben. Schon angesichts der westlichen Ultimaten an Berlin hatte Thomas Mann im Tagebuch seine »große Erschütterung« festgehalten, nun da die Westmächte »unsere Sprache« gesprochen und die deutsche Diktatur endlich so qualifiziert hatten, wie das sechs bittere, lange Jahre hindurch nur von seiten der deutschen Exilierten geschehen war.[1] Ungewöhnliche Reaktionen, um so ungewöhnlicher, als sie aus (fast) allen politischen Gruppierungen der in sich uneinigen, zersplitterten deutschen Emigration mit einiger Einhelligkeit zu vernehmen waren; Reaktionen freilich, die ohne weiteres verständlich werden, wenn man nur die Ohnmacht in Rechnung stellt, welche die Exilierten in den Jahren der westlichen Anpassungs- und Beschwichtigungspolitik quälend durchlebt hatten. Hier ist nicht der Ort, Ursachen, Motive und Stationen dieser Politik zu referieren oder gar zu diskutieren, vielmehr wird, wie in den früheren Bänden, die Kenntnis der Zeitgeschichte vorausgesetzt. Um die desolate Lage der Exilierten in der Ära des Appeasement zu verdeutlichen, genügt es ja aber auch vollkommen, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, wie sich die politischen Perspektiven noch knapp ein Jahr vor Kriegsbeginn gestellt hatten, welche Entwicklungen im Herbst 1938 für möglich und wahrscheinlich gehalten worden waren — sie bilden Hintergrund und Schlüssel für die überraschenden Kommentare des Septembers 1939.
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Quellen und Anmerkungen
Thomas Mann: Tagebücher 1937–1939. Herausgegeben von Peter de Mendelssohn. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1980, S. 463.
Hier zitiert nach — Thomas Mann: Gesammelte Werke. Band XII, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1960, S. 829ff.
Vgl. dazu Martin Gilbert, Richard Gott: Der gescheiterte Frieden. Europa 1933–1939. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 1964.
Vgl. dazu — Hans-Albert Walter: Deutsche Exilliteratur 1933–1950, Band 4: Exilpresse (künftig zitiert als: Band 4). J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1978, S. 113ff.
Barbara Vormeier: Dokumentation zur französischen Emigrantenpolitik 1933–1944 (künftig zitiert als: Dokumentation). In: Hanna Schramm: Menschen in Gurs. Erinnerungen an ein französisches Internierungslager (1940–1941). Verlag Georg Heintz, Worms 1977, S. 209.
Franz Dahlem: Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. 1938 bis August 1939. Erinnerungen, Band 2. Dietz-Verlag, Berlin (DDR) 1977, S. 362–455
Alexander Abusch: Der Deckname. Memoiren. Dietz-Verlag, Berlin (DDR) 1981, S. 466–490.
Franz Schoenberner: Innenansichten eines Außenseiters. Erinnerungen 2. Kreisselmeier Verlag, Icking und München 1965, S. 99f.
Gustav Regler: Das Ohr des Malchus. Eine Lebensgeschichte. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1960, S. 439
Hans Habe: Ich stelle mich. Meine Lebensgeschichte. Verlag Kurt Desch, München 1954, S. 303
Heinz Voßke (Hrsg.): Im Kampf bewährt. Erinnerungen deutscher Genossen an den antifaschistischen Widerstandskampf von 1933 bis 1945. Dietz-Verlag, Berlin (DDR) 1969, S. 562f.
Hermann Kesten (Hrsg.): Deutsche Literatur im Exil. Briefe europäischer Autoren 1933–1949. Verlag Kurt Desch, München 1964, S. 109.
Barbara Vormeier: Quelques aspects de la politique française à l’égard des émigrés allemands 1933–1942. In: Hanna Schramm et Barbara Vormeier: Vivre à Gurs. Un camp de concentration français 1940–1941 (künftig zitiert als: Quelques aspects). François Maspero, Paris 1979, S. 245ff.
Vgl. Hans-Albert Walter: Deutsche Exilliteratur 1933–1950. Band 2: Europäisches Appeasement und überseeische Asylpraxis (künftig zitiert als: Band 2). J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1984, S. 92 f.
Karl Retzlaw (d.i. K. Gröhl): Spartakus. Aufstieg und Niedergang. Erinnerungen eines Parteiarbeiters. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 1971, S. 417.
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Ralph Schock: Gustav Regler. Literatur und Politik (1933–1940). R.G. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1984, S. 465.
Gilbert Badia und andere: Les barbelés de l’exil. Etudes sur l’émigration allemande et autrichienne (1938–1940). Presses universitaires de Grenoble 1979, S. 176f.
Herbert Wehner: Zeugnis. Herausgegeben von Gerhard Jahn. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1982, S. 239f. — Hervorhebung von mir.
Manès Sperber: All das Vergangene… Europaverlag, Wien 1983, S. 791 f.
Alfred Kantorowicz: Exil in Frankreich. Merkwürdigkeiten und Denkwürdigkeiten. Schünemann Universitätsverlag, Bremen 1971, S. 33.
Dieter Schiller u.a.: Exil in Frankreich. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1981, S. 381.
Hubertus Prinzzu Löwenstein: Botschafter ohne Auftrag. Lebensbericht. Droste Verlag, Düsseldorf 1972, S. 188.
Bruno Frei: Die Männer von Vernet. Ein Tatsachenbericht. Dietz-Verlag, Berlin (DDR) 1950, S. 11 f.
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Julius Deutsch: Ein weiter Weg. Lebenserinnerungen. Amalthea Verlag, Wien 1960, S. 322.
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Oskar Maria Graf in seinen Briefen. Herausgegeben von Gerhard Bauer und Helmut F. Pfanner. Süddeutscher Verlag, München 1984 (künftig zitiert als: Oskar Maria Graf: Briefe), S. 143.
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Thomas Mann — Heinrich Mann: Briefwechsel 1900–1949. Herausgegeben von Hans Wysling. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1968, S. 198.
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Hertha Pauli: Der Riß der Zeit geht durch mein Herz. Ein Erlebnisbuch. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1970, S. 151.
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Walter, HA. (1988). Die kriegführenden europäischen Staaten und ihre Maßnahmen gegen die deutsche Emigration. In: Deutsche Exilliteratur 1933–1950. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03185-3_1
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