Zusammenfassung
Literaturwissenschaft auf der Grundlage der Theorie der Zivilisation hat das Ziel, Literatur als einen Teil des Prozesses der Zivilisation zu begreifen und Literatur und ihre Erkenntnis aus ihrer Integration in diesen Prozeß zu verstehen. Es ist demnach für das mögliche Forschungsprogramm einer so konzipierten Literaturwissenschaft nach den Funktionen zu fragen, die Literatur im Prozeß der Zivilisation einnehmen kann und eingenommen hat. Der Begriff der Funktion meint dabei nicht (was von den Vertretern der Auffassung, Literatur sei eine autonome, sich selbst genügende Erscheinung, noch immer jedem Versuch entgegengehalten wird, Literatur in einen weiteren als den bloß literarischen Kontext einzubetten) das Herantragen vorgeblich außerliterarischer Bedingungen, durch die der spezifische Charakter der Literatur als Kunst negiert oder verletzt würde, sondern er dient zur Beschreibung und näheren Bezeichnung des Zusammenhangs der Literatur mit der menschlichen Lebenspraxis, innerhalb derer die Produktion und Rezeption von Literatur geschieht [1]; die Vorstellung der Autonomie der Literatur und der Kunst steht selbst im Zusammenhang mit historisch bestimmter Lebenspraxis und hat ihre historisch bestimmbare Funktion (vgl. dazu weiter unten S. 101).
»Wenn nun diese Allgemeingültigkeit [des Geschmacksurteils] sich nicht auf Stimmensammlung und Herumfragen bei anderen, wegen ihrer Art zu empfinden, gründen, sondern gleichsam auf einer Autonomie des über das Gefühl der Lust (an der gegebenen Vorstellung) urteilenden Subjekts, d. i. auf seinem eigenen Geschmacke, beruhen, gleichwohl aber doch auch nicht von Begriffen abgeleitet werden soll: so hat ein solches Urteil — wie es das Geschmacksurteil in der Tat ist — eine zwiefache und zwar logische Eigentümlichkeit: nämlich erstlich die Allgemeingültigkeit a priori, und doch nicht eine logische Allgemeingültigkeit nach Begriffen, sondern die Allgemeinheit eines einzelnen Urteils; zweitens eine Notwendigkeit (die jederzeit auf Gründen a priori beruhen muß), die aber doch von keinen Beweisgründen a priori abhängt, durch deren Vorstellung der Beifall, den das Geschmacksurteil jedermann ansinnt, erzwungen werden könnte.«
I. Kant
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Wild, R. (1982). Zwischenbemerkung zum Begriff der Funktion. In: Literatur im Prozeß der Zivilisation. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03170-9_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03170-9_9
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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