Zusammenfassung
Der Einfluß Richardsons auf die deutsche Literatur des 18. Jahrhunderts ist außerordentlich groß gewesen. Dabei lassen sich zwei Phasen der Rezeption unterscheiden. Die erste Phase, in der Richardson von allen namhaften Vertretern der Literaturkritik hoch gelobt wird (Geliert, Wieland, Lessing) [1], erreicht ihren Höhepunkt mit der Geschichte des Fräulein von Sternheim von Sophie La Roche (1771), einem Roman in der Nachfolge Richardsons, der ebenfalls von der gesamten literarischen Öffentlichkeit — von den Aufklärern wie von der jungen Generation des Sturm und Drang — begeistert aufgenommen wurde. [2] In einer zweiten Phase, deren Beginn mit dem Werther anzusetzen ist, zeichnet sich bereits eine Trennung zwischen ›hoher‹ Literatur und Unterhaltungsliteratur ab: Während der Sturm und Drang durch radikale Weiterentwicklung des empfindsamen Lebensgefühls über dieses hinausgelangt war und Vertreter des Sturm und Drang (Herder, Goethe) gegenüber Richardson ein eher distanziertes Verhältnis haben [3], sind die seit 1774 immer zahlreicher erscheinenden empfindsamdidaktischen Romane eine der Hauptgattungen der in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts sprunghaft ansteigenden, mehr zur Unterhaltungsliteratur als zur ›hohen‹ Literatur tendierenden Romanproduktion. [4] Sowohl in der Form des Prüfungsromans mit seinem Grundmuster der unschuldig verfolgten Tugend, die sich in den Gefährdungen der Welt bewähren muß, wie in der Form des Abschreck- und Warnromans, in dem der empfindsame Held den Gefährdungen der Welt erliegt, zeigen sie sich — mit Rousseaus Nouvelle Héloïse, der Sternheim und dem Werther als Verbindungsglied [5] — deutlich Richardsons Romanen verpflichtet. [6]
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Notizen
D. Kimpel: Der Roman der Aufklärung. Stuttgart 1967. S. 72 ff.
Nach E. Becker: Der deutsche Roman um 1780. Stuttgart 1964. S. 43, gehört fast ein Drittel der zwischen 1779 und 1781 erschienenen Romane den (von ihr so genannten) empfindsamdidaktischen Prüfungsromanen an. Nach Kimpel steht fast ein Drittel der zwischen 1774 und 1781 erschienenen Romane in der Nachfolge Richardsons (Kimpel 1967, S. 72). Vgl. auch E. M. Price: Die Aufnahme englischer Literatur in Deutschland 1500–1960. Bern 1961, S. 184 und M. Beaujean: Der Trivialroman in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Bonn 1964. S. 37 ff. und S. 46. Nach Beaujean erschienen die Hauptvertreter dieses Romantyps — von ihr als ein Subgenre des »moralisch-didaktischen Romans« angesehen und unter dem Stichwort »Ideal der Gelassenheit« zusammengefaßt — erst nach 1785. — Zum sprunghaften Anstiegen der Romanproduktion vgl. Becker 1964, S. 26 f. und Beaujean 1964, S. 182 f. — Zur Zuordnung zum »Trivialroman« bzw. den diesen einleitenden »Tendenzroman« vgl. Beaujean 1964, S. 46 ff. und 186 ff. und K.-J. Flessau: Der moralische Roman. Köln 1968, S. 1 ff. Anders dagegen Becker 1964, S. 1, die die Unterscheidung von Trivialroman und »Kunstroman« für den vorromantischen Roman als unberechtigt ablehnt.
Zit. wird nach der Ausgabe: S. La Roche: Geschichte des Fräulein von Sternheim. Hg. F. Brüggemann. Leipzig 1938.
Vgl. hierzu G. Jäger: Empfindsamkeit und Roman. Stuttgart 1969. S. 64 ff.
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Grenz, D. (1981). Mädchenliteratur und empfindsam-didaktischer Roman. In: Mädchenliteratur. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03160-0_11
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