Zusammenfassung
Die Lyrik in der zweiten Jahrhunderthälfte lebt aus einer Überfülle an ererbten Themen, Stimmungslagen und Formen. Das erleichterte ein lyrisches Sprechen in Variationen der Tradition und verlockte zu einer epigonalen Gewandtheit, die, nach Hebbels Wort, nur in eine „Naturgeschichte des Dilettantismus“ gehört. Zugleich vollzog sich seit den dreißiger Jahren eine Entwertung der lyrischen Verssprache zugunsten der Prosa, der man mehr Vielstimmigkeit und Wirklichkeitsgehalt zusprach. „In nahem Zusammenhang … mit dem Vorwiegen des realistischen Elements… steht ferner die Wahrnehmung, daß gewisse bis dahin sehr beliebte Gattungen der Poesie in neuester Zeit viel weniger angebaut werden, während andere bis dahin sehr wenig beachtete sich einer ungleich sorgfältigeren Pflege zu erfreuen haben. So wird namentlich ein Zurücktreten der Lyrik bemerkt, während die epischen Gattungen, von dem Zwittergeschöpf des erzählenden Gedichtes bis hinauf zum drei-, vier-, ja neunbändigen Roman, mit einem bis dahin ganz ungewohnten Eifer angebaut werden.“1 Die Tradition ließ der Lyrik noch einen Platz im bürgerlichen Bildungsbewußtsein; sie hatte sich jedoch in der allgemeinen Auffassung zunehmend zum poetischen Schmuck verdünnt und war damit eines Sinns für die tiefere Selbsterfahrung des Menschen beraubt worden.
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Anmerkungen
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Martini, F. (1981). Die Lyrik. In: Deutsche Literatur im bürgerlichen Realismus 1848–1898. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03146-4_3
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