Zusammenfassung
Befragt nach Bedeutung und Funktion der Hofmeister, antwortet man oft, es habe sie im 18. Jahrhundert gegeben, sie seien Privatlehrer beim Adel gewesen und insgesamt ein Randphänomen der Gesellschaft des ancien régime. Keine dieser Aussagen ist exakt, denn diese species gab es lange vorher, erzog und unterrichtete auch die Kinder von Bürgerlichen, und mit dem Ende des 18. Jahrhunderts, als die Verschulung der Gesellschaft schon beträchtliche Fortschritte gemacht hatte, war diese Art von Pädagogen längst nicht ausgestorben.
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Anmerkungen
Anton Friedrich Büsching, Unterricht für Informatoren und Hofmeister, Leipzig, 21802, S. 23. — Noch in Kants Vorlesung »Über Pädagogik« klingt diese Unterscheidung nach: Ein »Informator« ist nur Lehrer, Unterrichtender, ein »Hofmeister« jedoch ein »Führer«, der für das Leben erzieht. Immanuel Kant, Ausgewählte Schriften zur Pädagogik und ihrer Begründung, hrsg. v. Hans-Hermann Groothoff, Paderborn 1963, S. 18.
Siehe E. Trunz, Der deutsche Späthumanismus um 1600 als Standeskultur, in: Richard Alewyn (Hrsg.), Deutsche Barockforschung. Dokumentation einer Epoche, Köln/Berlin 31968, S. 147–181, S. 162.
Nach: Festschrift zur Jahrhundertfeier der Musterschule (Musterschule — Elisabethenschule) in Frankfurt am Main 1803–1903, Frankfurt/M. 1903, S. 29.
Siehe Elisabeth Mentzel, Aus Goethes Jugend, Leipzig, 21918.
Der folgende fromme Traktat: »Heilsame Mittel die Adeliche Jugend beyderley Geschlechts wohl und mit Seegen zu erziehen. Wegen dessen Vortrefflichkeit aus dem Französischen in das Deutsche übersetzt von P. Donato Hoffmanno, Wien/Frankfurt/Leipzig 1757.« hat z. B. nichts oder nur indirekt etwas mit dem Thema Adelserziehung zu tun. — Martin Ehlers (»Winke für gute Fürsten, Prinzenerzieher und Volksfreunde, 2 Teile, Kiel/Hamburg 1786/87«) gebrauchte diesen Titel für seine Sammlung von Gedanken zum Thema Aufklärung/Volksveredelung/Toleranz wohl aus demselben Grunde; die Subskriptionsliste belegt, daß diese Spekulation Erfolg hatte: sie enthält die Namen einer Reihe von »Candidaten« und Hofmeistern. Auch L. C. Schmahlings Buch »Der Haus-Lehrer« (Leipzig 1775) könnte als Werk über Hofmeistererziehung schlechthin mißverstanden werden. Der Untertitel (»oder Anweisung vor Eltern und Lehrmeister, kleine Kinder in der Naturlehre und Religion zu unterrichten; benebst einer Anleitung zum Gebet aus dem Herzen, und Gebetsformeln vor Schulen«) beseitigt allerdings dieses Mißverständnis.
Man ist immer noch auf die ältere Literatur angewiesen: Gustav Stephan, Hofmeister und Gouvernanten. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, in: Zs. f. dte Kulturgesch., N.F., 1. Jg., H. 1, Breslau 1890, S. 301–317; Ders., Die häusliche Erziehung in Deutschland während des achtzehnten Jahrhunderts, Wiesbaden 1891; Georg Steinhausen, Der Hofmeister, in: Ders., Kulturstudien, Berlin 1893; Heinrich Gerbracht, Das Problem der Hauslehrerpädagogik von der Reformation bis Herbart, Diss.phil. Köln 1928 (leider liegt nur ein Teildruck — der Abschnitt über Fichte und Herbart — vor); Franz Neumann, Der Hofmeister. Ein Beitrag zur Geschichte der Erziehung im achtzehnten Jahrhundert, Diss. Halle (Saale) 1930; Werner Meier, Der Hofmeister in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts, Diss. Zürich 1938 (der älteren Literatur z. T. wörtlich, ohne Zitatangabe, nachempfunden). Als neuerer Beitrag zu unserem Thema ist zu nennen: Wilhelm Roeßler, Die Entstehung des modernen Erziehungswesens in Deutschland, Stuttgart 1961, S. 17, 78, 81, 119, 137–142, 254–257, 383–89. — Zum Thema Prinzenerziehung sei angeführt: E. Meyer, Art. Prinzenerziehung, in: J. Rein (Hrsg.), Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik, 2. Aufl., Bd. 7, Langensalza 1908; Wilhelm Münch, Gedanken über Fürstenerziehung aus alter und neuer Zeit, München 1909; Friedrich Schmidt, Geschichte der Erziehung der Bayerischen Wittelsbacher von den frühesten Zeiten bis 1750, Berlin 1892 (= MGP Bd. 14); Ders., Geschichte der Erziehung der Pfälzischen Wittelsbacher, Berlin 1899 (= MGP Bd. 19); Georg Schuster/Friedrich Wagner, Die Jugend und Erziehung der Kurfürsten von Brandenburg und Könige von Preußen, Bd. 1: Die Kurfürsten Friedrich I. und II., Albrecht, Johann, Joachim I. und II., Berlin 1906 (= MGP Bd. 34); Georg Schuster (Hrsg.), Die Jugend des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und des Kaisers und Königs Wilhelm I., 3 Bde, Berlin 1907 (= MGP Bd. 36, 37 und 40) (enthält Johann Friedrich Gottfried Delbrücks »Denkwürdigkeiten meines Berufsgeschäfts bey den Königl. Prinzen«); Julius Richter, Das Erziehungswesen am Hofe der Wettiner Albertinischer (Haupt-) Linie, Berlin 1913 (= MGP Bd. 52). — Weitere Literaturbelege finden sich in: Alfred Rach, Sachwörter zur deutschen Erziehungsgesch., Art. Hofmeistererziehung, Weinheim 1964.
Siehe Herbert Kupferberg, Die Mendelssohns, Tübingen/Stuttgart 1972, S. 69 f.
D. u. W., I, 4. Goethe Sämtl. Werke in 40 Bdn, Bd. 20. Stuttgart/Tübingen 1855, S. 141.
Vgl. zu diesem neuen Interesse an der Geschichte der Familie, ihrer Erziehung und der Geschichte der Kindheit vor allem: Ingeborg Weber-Kellermann, Die deutsche Familie. Versuch einer Sozialgeschichte, Frankfurt/Main 1974; Klaus Mollenhauer/Micha Brumlik/Hubert Wudtke, Die Familienerziehung, München 1975 (darin S. 207 ff: Ulrich Herrmann, Empfehlungen zum Studium der Geschichte der Familienerziehung); Philipp Ariès, Geschichte der Kindheit, München/Wien 1975 (mit einem Vorwort von Hartmut von Hentig; gekürzt auch in: Neue Sammlung, 15. Jg., 1975, H. 5, S. 415–441); Werner Conze (Hrsg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart 1976; Lloyd de Mause, Hört ihr die Kinder weinen. Eine psychogenetische Geschichte der Kindheit, Frankfurt 1977 (Original: »The History of Childhood«, New York, 1974). Vgl. in diesem Zusammenhang auch: Hubertus Tellenbach (Hrsg.), Das Vaterbild im Abendland I, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1978.
Siehe z. B. Ivan Illich, Plädoyer für die Abschaffung der Schule, in: Hans Magnus Enzensberger/Karl Markus Michel, Kursbuch 24, Juni 1971: Schule, Schulung, Unterricht, S. 1–16; Everett Reimer, Schafft die Schule ab! Reinbeck 1972; Peter Buckman (Hrsg.), Bildung ohne Schulen, München 1974. Vgl. auch Rainer Winkel, Das Elend der Schule oder: Alternativprogramme im Spätkapitalismus, München 1974.
Nach Eduard Grisebach, Arthur Schopenhauer, Sämtl. Werke in 6 Bdn, Bd. 6, Leipzig o. J., S. 179 ff.
Robert Weßler, Karl Mager und seine Strukturtheorie des Bildungswesens, Weinheim/Berlin/Basel 1969, S. 16.
Max Schneider, Neues zu August Hermann Franckes Schulleben auf dem Gymnasium Illustre zu Gotha 1677, in: Mitteilungen der Ges. f. deutsche Erz.- und Schulgesch., 14, 1904, S. 238–241, S. 239 Anm. 3.
Friedrich Paulsen, Aus meinem Leben, Jena 1909, S. 104 ff. Ähnliches berichtet z. B. der Theologe Harms aus den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts. Claus Harms, Lebensbeschreibung verfasset von ihm selber, Kiel 1851, Neudr. Kiel 1929, S. 24 ff.
Jean Paul, Werke in 6 Bdn, hg. v. Norbert Miller, Bd. 6, München 1963, S. 1090.
Aloys Fischer, Leben und Werk, hg. v. Karl Kreitmeir, Bd. 2, München o. J., S. 32 ff.
Johann Amos Comenius, Große Didaktik, hg. v. Andreas Flitner, Düsseldorf/München31966, S. 53 f. (8. Kapitel).
Siehe Werner Reininghaus, Elternstand, Obrigkeit und Schule bei Luther, Heidelberg 1969.
Siehe dazu allgemein Ludwig Fertig, Obrigkeit und Schule. Die Schulreform unter Herzog Ernst dem Frommen (1601–1675) und die Erziehung zur Brauchbarkeit im Zeitalter des Absolutismus, Neuburgweier 1971.
Siehe Woldemar Boehne, Die Pädagogischen Bestrebungen Ernst des Frommen von Gotha, Gotha 1888, S. 176.
Siehe Karlwilhelm Stratmann, Die Krise der Berufserziehung im 18. Jahrhundert als Ursprungsfeld pädagogischen Denkens, Ratingen 1967, S. 110 ff.
Vgl. Hermann Lange, Schulbau und Schulverfassung der frühen Neuzeit, Weinheim/Berlin 1967.
Jean Paul, Werke in 6 Bdn, hg. v. Norbert Miller, Bd. 6, München 1963, S. 1040 u. 1043.
Ebd. S. 1053 ff.
Siehe dazu: Julius Hoffmann, Die »Hausväterliteratur« und die »Predigten über den christlichen Hausstand«. Ein Beitrag zur Geschichte der Lehre vom Hause und der Bildung für das häusliche Leben, Diss. phil. Göttingen 1954. — »Die Bevorzugung des Vaters bei der häuslichen Erziehung entspricht der Auffassung der Hauslehre und darüber hinaus der lutherischen Soziallehre im allgemeinen, nach der alles soziale Verhalten der im sozialen Leben Übergeordneten einen väterlichen Zug haben soll, ebenso wie auch das Verhalten Gottes zu den Menschen als väterlich angesehen wird.« Ebd. S. 218.
Theodor Fontane, Meine Kinderjahre, in: Sämtl. Werke, Bd. 14, München 1961, S. 121 ff.
Nach der Übersetzung von K. Ziegler. Plutarch, Große Griechen und Römer, Bd. 1, Zürich/Stuttgart 1954, S. 346 (Cato 20).
Siehe z. B. Henri-Irénée Marrou, Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, Freiburg/München 1957, S. 54, oder Ernest Bornemann, Das Patriarchat. Ursprung und Zukunft unseres Gesellschaftssystems, Frankfurt/Main 1975, S. 272 f.
Siehe zur Rolle des pater familias Marrou, S. 341 f. und Antonie Wlosok, Vater und Vatervorstellungen in der römischen Kultur, in: Hubertus Tellenbach (Hrsg.), Das Vaterbild im Abendland I, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1978, S. 18 ff.
Siehe Alfred Schindler, in: Tellenbach, S. 55 ff., S. 77.
Siehe Rainer Specht, Über Funktionen des Vaters nach Thomas von Aquino, in: Tellenbach, S. 95 ff., S. 104 f.
Siehe Gotthardt Frühsorge, Die Begründung der »väterlichen Gesellschaft« in der europäischen oeconomia christiana, in: Tellenbach, S. 116 ff., S. 116 f.
Auch hier sei auf die wegweisenden Forschungen Otto Brunners aufmerksam gemacht, z. B. auf seinen Aufsatz: Das »Ganze Haus« und die alteuropäische »Ökonomik«, in: Otto Brunner, Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, Göttingen, 21968, S. 103 ff.
Siehe Bettina Hurrelmann, Jugendliteratur und Bürgerlichkeit. Soziale Erziehung in der Jugendliteratur der Aufklärung am Beispiel von Christian Felix Weißes »Kinderfreund« 1776–1782, Paderborn 1974, S. 198 ff.
Siehe Ludwig Fertig, Campes politische Erziehung. Eine Einführung in die Pädagogik der Aufklärung, Darmstadt 1977, S. 116 f. u. S. 120 ff.
Goethe, Sämtl. Werke in 40 Bdn. Bd. 9, Stuttgart/Tübingen 1854, S. 22 f.
Ebd., Bd. 20, Stuttgart/Tübingen 1855, S. 13.
Siehe Ludwig Fertig, Hanno Buddenbrook und seine Schule, in: Westermanns Pädagogische Beiträge, 5/1976, S. 271–280.
Siehe Peter de Mendelssohn, Der Zauberer, 1. Teil, Frankfurt 1975, S. 312 f.
Pestalozzi, Grundlehren über Menschen, Staat, Erziehung, hg. v. Hans Barth, Stuttgart 1956, S. 242.
Gotthelf, Werke in 20 Bdn., hg. v. Walter Muschg, Bd. 20, Basel 1953, S. 304.
Ebd. S. 324.
Weitere Belege: Werner Lenartz (Hrsg.), Jeremias Gotthelf. Weltbild und Gedankenwelt eines Erziehers, Paderborn 1954, S. 84 ff.
Vgl. dazu: Rolf Engelsing, Dienstbotenlektüre im 18. und 19. Jahrhundert, in: Zur Sozialgeschichte deutscher Mittel- und Unterschichten, Göttingen 1973, S. 180 ff.
Gegen Ariès’ Verharmlosungstendenz hat de Mause auf diese Leidensgeschichte der Kinder aufmerksam gemacht: Lloyd de Mause, Evolution der Kindheit, in: Lloyd de Mause (Hrsg.), Hört ihr die Kinder weinen. Eine psychogenetische Geschichte der Kindheit, Frankfurt/Main 1977.
Essais I, 14. Zit. nach: Francis Jeanson, Michel de Montaigne in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1958, S. 87.
Essais II, 8, ebd.
Thieme (Rektor in Merseburg): Ueber das Verhältnis zwischen Eltern und Privaterziehern, in: Braunschweigisches Journal, 1789, 9. Stück, S. 1–47, S. 13.
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Fertig, L. (1979). Einleitung: Zur Geschichte der häuslichen Erziehung. In: Die Hofmeister. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03126-6_1
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