Zusammenfassung
Der Kulturanthropologe Arnold Gehlen hat dem psychologischen Roman unter den bürgerlichen Kunstformen eine privilegierte Stellung zugesprochen: »Die nahe Welt der in der Kompliziertheit des modernen Lebens, in der Vielheit der Sonderklimata sich entwickelnden zufälligen Naturen, die sich gegenseitig reflektieren und darin ihre Seele ebensowohl entdecken wie produzieren — sie gibt die Gehalte für die eigentlich repräsentative Kunstform der westlichen Welt: für den psychologischen Roman.« [3] Diese These Gehlens — deren inhaltliche Bestimmtheit zunächst in Anführungszeichen gesetzt bleibe — könnte wohl den Gegenstand, noch kaum aber das Verfahren der vorliegenden Arbeit rechtfertigen. Denn verlangte Gehlens These vom Literaturtheoretiker lediglich eine spezialwissenschaftliche Präzisierung der typischen »realistischen« Gehalte und Ausprägungen des künstlerischen Entlastungsmediums psychologischer Roman, so weicht die vorliegende Arbeit von solch kurzgreifender und unhistorischer Typisierung entschieden ab: Ihr Thema ist die formtheoretische Bestimmung des psychologischen Romans, der sich in Moritzens Anton Reiser [4] zum ersten Mal in Deutschland konkretisiert hat. Das sich selbst »in der Kompliziertheit des modernen Lebens« behauptende Individuum der bürgerlichen Kulturanthropologie kann deshalb nicht — in Analogie zum Leben — als Maß des psychologischen Romans vorausgesetzt werden: In der vorliegenden Arbeit muß dies monistische Individuum umgekehrt als Moment der Form psychologischer Roman begriffen werden.
»Wenn oft der Himmel umwölkt, und der Horizont kleiner war, fühlte er eine Art von Bangigkeit, daß die ganze Welt wiederum mit eben so einer Decke umschlossen sei, wie die Stube, worin er wohnte, und wenn er dann mit seinen Gedanken über diese gewölbte Decke hinausging, so kam ihm diese Welt an sich viel zu klein vor, und es deuchte ihm, als müsse sie wiederum in einer andern eingeschlossen sein, und das immer so fort.« [1]
»Um des Glücks willen wird dem Glück abgesagt. So überlebt Begehren in der Kunst.« [2]
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Fürnkäs, J. (1977). Einleitung. In: Der Ursprung des psychologischen Romans. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03080-1_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03080-1_1
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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