Skip to main content

Die Schwärmerkritik der deutschen Aufklärung

  • Chapter
Melancholie und Aufklärung
  • 242 Accesses

Zusammenfassung

1752 erscheint in deutscher Übersetzung die Warnung vor dem Fanaticismus des holländischen Mennonitenpredigers johannes Stinstra [1]. Es handelt sich um eine Fanatismus-Kritik auf anthropologischer Grundlage. Wieder bilden Fanatismus, Enthusiasmus und Pietismus ein Syndrom, das sich aus der Melancholie-Theorie herleiten und mit ihrer Hilfe entlarven läßt. Stinstras Schrift eröffnet den Kampf gegen die Schwärmerei, wie er in der zweiten Hälfte des jahrhunderts ein Hauptthema von Popularphilosophie und Literatur wird. Daß dieser Kampf auf theologischem Boden seinen Ausgang nimmt und immer wieder dorthin zurücklenkt, daß das Paradigma der orthodoxen Ketzerabwehr in die rationalistische Schwärmerkritik ein- und übergeht, bei wechselnder Besetzung der antagonistischen Positionen, gehört zur Signatur des gesamten 18. jahrhunderts.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Anmerkungen

  1. J. Stinstra, Waarschuwinge tegen de Geestdrijverij, Harlingen 1750. Nach der französischen und deutschen Übersetzung erscheint noch 1774 eine englische. Vgl. R. A. Knox, Christliches Schwärmertum, S. 349 f.

    Google Scholar 

  2. Dazu S. J. Baumgartens Stinstra-Rezension in: S. J. Baumgarten, Nachrichten von merkwürdigen Büchern, Bd. I, Halle 1752, 3. Stück, S. 264–286.

    Google Scholar 

  3. J. Stinstra, Warnung vor dem Fanaticismus, nebst einer Einleitung, darinn die Geschichte der Herrnhuter sowohl als der neuern Bewegungen einiger Entzückten in Holland kürzlich erzehlet wird; aus dem Holländischen und Französischen übersetzt. Hrsg. unter der Aufsicht und mit einer Vorrede Herrn August Friedrich Wilhelm Sacks…, Berlin 1752, Vorrede des französischen Übersetzers, S. 51–53.

    Google Scholar 

  4. Neben Baumgartens Rezension (s. o. Anm. 2) vgl. seine Kennzeichnung Stinstras als Indifferentisten und Naturalisten mit socinianischen Tendenzen in der »Geschichte der Religionspartheyen« (S. 116 f., 155, 926, 976 f., 1022). Baumgartens Rezension verwendet Semler bei seiner Bestimmung des Fanatismus: J. S. Semler, Eigne historische theologische Abhandlungen, nebst einer Vorrede zum Fanaticismo, Erste Sammlung, Halle 1760.

    Google Scholar 

  5. L. Meister, Ueber die Schwermerei. Eine Vorlesung, Bern 1775, S. 138. C. M. Wieland, Werke, Tl. XXXVIII, S. 558.

    Google Scholar 

  6. J. J. Spalding, Gedanken über den Werth der Gefühle in dem Christenthum, 5. Aufl., Leipzig 1784, S. 11. — Zu Spalding: K. Aner, Theologie der Lessingzeit, S. 79 ff.; E. Hirsch, Geschichte der neuern evangelischen Theologie, Bd. IV, S. 15 ff. - Zur Problematik des neologischen »Gefühlsdenkens«: G. Kaiser, Klopstock, S. 86 ff. Über den neologischen Kampf gegen Enthusiasmus und Fanatismus ebd., S. 98 f. — Spaldings Überlegungen stimmen aufs genaueste mit der Schwärmerdefinition bei Baumgarten überein: »Durch Schwärmer werden Leute verstanden, die ihren gottesdienstlichen Lehrbegriff auf innere Empfindungen gründen« (Geschichte der Religionspartheyen, S. 1019). Dabei macht es freilich keinen großen Unterschied, ob man den Defekt der Schwärmer in ihre Empfindungen oder in ihre Einbildungskraft verlegt; ausschlaggebend ist in beiden Varianten die Opposition gegen die Vernunft.

    Google Scholar 

  7. J. J. Spalding, Gedanken, S. 128–300. Die Leitfrage lautet: »Ob und in wie weit gewisse lebhafte Gefühle zur Bekehrung und zum Christenthum, oder auch nur zu einer zuverläßigen Ueberzeugung davon nothwendig sind?«-Die pietistische Kritik an Spaldings Verurteilung der angeblich fanatischen Gefühle hat C. H. v. Bogatzky damit begründet, daß Gelehrte wie Spalding die Verderbnis der menschlichen Natur nicht wahrhaben wollen — ein Vorwurf, der in der Tat die »Frommen« und die »Philosophen« strikt unterscheidet: »Es fehlt solchen Gelehrten nur an der rechten tiefen Erkenntniß ihres eignen Verderbens, denn sie machen die Natur fromm, und meinen noch viel gutes darin zu finden…« (C. H. v. Bogatzky, Lebenslauf, von ihm selbst beschrieben, Halle 1801, S. 34 f.).

    Google Scholar 

  8. J. J. Spalding, Gedanken, S. 151 f. Hinweise auf Temperament und Einbildungskraft auch S. 35 ff., 161, 190. Übrigens zitiert Spalding gelegentlich Jean La Placette (Traité de la Justification, Amsterdam 1733), den schon Adam Bernd als Autorität dafür angeführt hatte, daß ein falsches Forcieren der Gefühle »manche Wahrhaftig gute und Gott gefällige Gemüther in die größten und ungegründetesten Aengstlich- keiten« bringe (S. 243).

    Google Scholar 

  9. G. S. Steinhart, System der reinen Philosophie…, 4., verb. Aufl., Züllichau 1794, S. 9. Zur Charakterisierung von Steinbarts Buch findet F. W. Kantzenbach (Protestantisches Christentum im Zeitalter der Aufklärung, S. 204) die treffende Formulierung: »Die christliche Religion ist nichts anderes als eine geoffenbarte Gesundheitslehre für den Geist des Menschen!«

    Google Scholar 

  10. C. F. Bahrdt über Steinbart: »Seine Glückseligkeitslehre verdient das allgemeine Kompendium der Religion zu werden. Das einzige hätten wir daran zu tadeln, daß er vorn den Begriff der Glückseligkeit zu schwerfällig macht, und alles in Vollkommenheit reducirt. Wir wissen wohl, daß die Sache an sich richtig ist, aber die ewige Leier von Vollkommenheit machts doch dunkel … Die Herren aus der Wolfischen Schule haben sich das so angewöhnt…« (C. F. Bahrdt, Kirchen= und Ketzers Almanach. Zweytes Quinquennium, ausgefertiget im Jahr 1787, Gibeon, S. 183). Zur Kritik des Bußkampfs: C. F. Bahrdt, System der Moraltheologie, 2. Aufl., Eisenach 1780, S. 96 ff. Pietismus und Aberglaube werden dabei identisch: »Der christliche Aberglaube, der allezeit mit einem Grade von Einfalt und Unwissenheit versezt ist, hat sehr seltsame Vorstellungen mit dem Worte Bußkampf in die Welt gebracht…« (S. 96). Über die anstößigen Glaubenssätze, die Bahrdt eliminieren will, informiert am knappsten sein »Glaubensbekenntniß« von 1779.

    Google Scholar 

  11. J. F. W. Jerusalem, Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion, Braunschweig 1785, I, S. 303. Vgl. dazu auch die Betrachtung Nr. VIII »Von der Natur der Religion«, S. 250 ff. — Zu Jerusalem: K. Aner, Theologie der Lessingzeit, S. 64 ff.

    Google Scholar 

  12. J. F. W. Jerusalem, Betrachtungen I, S. 254, 272 ff. Vgl. auch J. F. W. Jerusalem, Nachgelassene Schriften, Tl. I, Braunschweig 1792, S. 303 f.: »Die Religion, die Jesus lehret, bestehet nicht in prächtigen sinnlichen Feierlichkeiten; aber sie ist auch kein knechtisches Joch, das den Menschen schwermüthig und finster macht. Er will keine unnütze Enthaltungen, keine willkührlichen Martern…; keinen schwermüthigen Aberglauben, der den kindlichen freudigen Geist niederdrükt, hart und lieblos macht … Er will keine finstere Schwärmerei, die alle Freuden hasset, Gott zum Tyrannen macht, seine Kinder Henkern zur Erziehung übergiebt…; keinen andern als knechtischen Gehorsam kennet, von nichts als Zorn und Rache spricht…«

    Google Scholar 

  13. J. F. W. Jerusalem, Nachgelassene Schriften, Tl. II, Braunschweig 1793, S. 629.

    Google Scholar 

  14. Vgl. K. Aner, Theologie der Lessingzeit, S. 162: »Augustin war im Zeitalter der Neologie der meistgehaßte Mann.« Ähnlich E. Cassirer, Die Philosophie der Aufklärung, S. 213. Unmißverständlich äußert sich der junge Wieland: »Augustinus ist einer der grösten Antipoden der gesunden Vernunft und der Philosophie, die jemals gewesen« (an Zimmermann, 6. Okt. 1758, Briefwechsel, Bd. I, S. 364; vgl. auch S. 361 und 369). Später liest man dann bei Zimmermann: »In dem verbrannten Hirn (!) des Heiligen Augustinus bildete sich der in unsern Tagen noch immer fortdauren- de Begrif von Kirche…« (J. G. Zimmermann, Ueber die Einsamkeit, Bd. II, S. 408).

    Google Scholar 

  15. Herder, Werke, Bd. XX, S. 277–282 (Bd. I) und 295–299 (Bd. II). Abgesehen von ihren philologischen Mängeln (fehlende Quellenkenntnis) und ihrer spöttischen Tonlage, die zu nichts helfe, macht Herder Duttenhofers »Geschichte« den Vorwurf, sie sei unzeitgemäß — »wozu der Spott über alte Todtengebeine?« (S. 280). Er schließt ominös: »In Deutschland haben wir uns vor Religionsschwärmereyen in der christlichen Kirche schwerlich zu fürchten; und was gegen Mönchsorden, Hierar- chen, Scholastiker, Enthusiasten und Religionsschwärmer gesagt werden kann, ist von Protestanten und andern … oft gesagt worden. Auf weit andre Dinge geht jetzt der Fanatismus« (S. 282). Duttenhofer verteidigte sich in der Vorrede zu Bd. III (1799).

    Google Scholar 

  16. Eine Äußerung von Friedrich Melchior Grimm, zit. nach: P. T. d’Holbach, Religionskritische Schriften. Das entschleierte Christentum. Taschentheologie. Briefe an Eugénie, Berlin-Weimar 1970, Einleitung (v. M. Naumann), S. 5.

    Google Scholar 

  17. D’Holbach, Das entschleierte Christentum, Vorwort, in: d’Holbach, Religionskritische Schriften, S. 55 ff. Zu d’Holbachs materialistischen Gewährsleuten und Vorläufern vgl. P. Naville, D’Holbach et la philosophie scientifique au XVIIIe siècle, 2. Aufl., Paris 1967, S. 140 ff.

    Google Scholar 

  18. P.-H. T. d’Holbach, Système de la nature ou les lois du monde physique et du monde moral, nouv. éd., avec des notes et des corrections, par Diderot, éd. avec une introduction par Y. Beiaval, 2 Bde., Hildesheim 1966 (Nachdruck der Ausgabe Paris 1821), Bd. I, Préface, S. XXXIII. An anderer Stelle stehen sich folgende Begriffsreihen gegenüber: »Pimagination«, »Penthousiasme«, »Phabitude«, »le préjugé«, »l’autorité« auf der einen, »l’expérience«, »la réflexion«, »la raison« auf der anderen Seite (Bd. I, S. 10). Dazu R. Mauzi, L’idée du bonheur, S. 528 f. (zit. bei W. Krauss, Studien zur deutschen und französischen Aufklärung, Berlin 1963, S. 535): »Besessen von dem doppelten Thema der Wahrheit und des Irrtums, drückt sich das Denken Holbachs nur in magischen Begriffen aus, die sich wie das Gute und das Böse in zwei antagonistischen Reihen gegenüberstehen. Auf der einen Seite stehen die schwarzen Begriffe: Enthusiasmus, Betrug, Autorität, Aberglaube, Chimären, Phantome, Irrtum, Unheil, Einbildung, Unwissenheit, Furcht, Tyrannei, Leichtgläubigkeit. Auf der anderen die glänzenden und wohltätigen Begriffe: Vernunft, Erfahrung, Wahrheit, Interesse, Tugend, Glück, Gesellschaft, Natur, Atheismus.« Obwohl Mauzi die Kette der negativen Begriffe »schwarz« nennt, hat er den für diese Färbung zuallererst verantwortlichen Begriff der Melancholie übersehen.

    Google Scholar 

  19. D’Holbach, Système, Bd. I, S. 411. Eine solche Argumentation findet man bei allen Parteien des aufgeklärten Lagers. Vgl. Helvétius, Vom Menschen…, 2. Aufl., Breslau 1785, Bd. I, S. 78: »Ist eine Religion heiter und fröhlich; so setzt ihre Fröhlichkeit ein edles Vertrauen auf die Güte des höchsten Wesens voraus. Warum will man denn dieses Wesen zu einem morgenländischen Tyrannen machen, und es geringe Fehler mit ewigen Strafen belegen lassen? … Warum will man die Seelen unter dem Gewichte der Furcht erdrücken, ihre Triebfedern zerrütten, und einen Anbeter Jesu zum kriechenden und kleinmüthigen Sklaven machen?«

    Google Scholar 

  20. D’Holbach, Système, Bd. I, S. 439 ff. Eine Kurzfassung von d’Holbachs Thesen findet man bei ]. C. A. Helvétius, Le vrai sens du système de la nature, in: d’Holbach, Système, Bd. II, S. 424–496; deutsch: Der wahre Sinn des Natursystems, 1783, hier S. 64 ff.

    Google Scholar 

  21. D’Holbach, Système, Bd. I, S. 300. Bekanntes Vorbild dieser Argumentation: Pascal, Pensées, 162 (éd. Ch.-M. des Granges, Paris 1961, S. 118). »Le nez de Cléopâtre: s’il eût été plus court, toute la face de la terre aurait changé.« Zur Bedeutung der »petites causes« für die Geschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts vgl. R. Koselleck, Der Zufall als Motivationsrest in der Geschichtsschreibung, in: H. R. Jauß (Hrsg.) Die nicht mehr schönen Künste. Grenzphänomene des Ästhetischen, München 1968 (= Poetik und Hermeneutik III), S. 129–141.

    Google Scholar 

  22. J. C. A. Helvétius, Diseurs über den Geist des Menschen … Mit einer Vorrede Herrn Joh. Christoph Gottscheds, Leipzig und Liegnitz 1760, Vorrede, Bl. [5] f.

    Google Scholar 

  23. K. Spazier, Antiphädon oder Prüfung einiger Hauptbeweise für die Einfachheit und Unsterblichkeit der menschlichen Seele. In Briefen, 1785, hrsg. u. eingeleitet von W. Krauss, Berlin 1961, S. 25.

    Google Scholar 

  24. K. Spazier, Freymüthige Gedanken über die Gottesverehrungen der Protestanten, Gotha 1788, S. 64.

    Google Scholar 

2. Wielands Schwärmerkuren

  1. C. M. Wieland, Der Sieg der Natur über die Schwärmerei oder Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva, in: Werke, hrsg. v. F. Martini und H. W. Seiffert, Bd. I, München 1964, S. 11.

    Google Scholar 

  2. Zahlenangaben im Text beziehen sich auf die Erstfassung in folgender Ausgabe: C. M. Wieland, Geschichte des Agathon. Unveränderter Abdruck der Editio princeps (1767), bearb. v. K. Schaefer, Berlin 1961. — Es versteht sich, daß hier weder der »Agathon« noch das Thema der Schwärmerei bei Wieland umfassend behandelt werden kann. Aus der neueren Literatur sind zu nennen: F. Sengle, Wieland, Stuttgart 1949, S. 186 ff.; W. Buddecke, C. M. Wielands Entwicklungsbegriff und die Geschichte des Agathon, Göttingen 1966, S. 81 ff.; V. Lange, Zur Gestalt des Schwärmers im deutschen Roman, S. 160 ff.; P. Mich eisen, Laurence Sterne und der deutsche Roman des 18. Jahrhunderts, S. 205 ff.; ]. Jacobs, Prosa der Aufklärung, S. 167 ff. Nicht zugänglich waren mir: Gerda Geyer, Wieland und das Schwärmer- tum, Diss. (Masch.) Graz 1969; G. J. Reimer, The »Schwärmer« in the novelistic writings of C. M. Wieland, Diss., Michigan State Univ. 1968 (vgl. DA 29, 1968/69, 3585 A).

    Google Scholar 

  3. Kritische Diskussion der Position des Hippias bei V. Michel, C.-M. Wieland. La formation et l’évolution de son esprit jusqu’en 1772, Paris 1938, S. 293 ff. Immer noch wertvoll, obwohl gelegentlich zu unkritisch: E. Groß, C. M. Wielands »Geschichte des Agathon«. Entstehungsgeschichte, Berlin 1930, S. 108 ff.

    Google Scholar 

  4. Wieland selbst beruft sich auf die Ärzte. Es ist deshalb ein Umweg, bei dieser Gelegenheit Lockes Kapitel »Of the Association of Ideas« (Essay on Human Understanding II, 33) für Agathons »Tick« verantwortlich zu machen. So neuerdings K. Oet- tinger, Phantasie und Erfahrung. Studien zur Erzählpoetik C. M. Wielands, München 1970, S. 70 u. 144 f. Die Assoziation der Ideen spielt im »Agathon« eine untergeordnete Rolle. Was Hippias über die Schwärmerei zu sagen hat, konnte er jeder medizinischen Melancholie-Abhandlung entnehmen. Vgl. Anm. 11.

    Google Scholar 

  5. Zu diesen Schülern des Hippokrates gehört E. A. Nicolai, der erklärt: »Bey Leuten, die von ihren Empfindungen und gegenwärtigen Zustand allzusehr abstrahiren und sich mit ihrer Aufmerksamkeit gantz allein in das Labyrinth der Einbildungen vertiefen, erreichen die Einbildungen eine sehr grosse Lebhaftigkeit…, und können sehr leichte mit den Empfindungen verwechselt werden … Wenn demnach die Empfindungen aufhören, so müssen die Einbildungen sehr lebhaft werden … Die Enthusiasten, Inspirirten, Schwärmer, Quäcker … haben sich darinnen eine so grosse Fertigkeit erworben, daß es ihnen gar nicht schwer fällt, ihre sinnlichen Werck- zeuge zur Ruhe zu bringen und ihre Aufmerksamkeit völlig den Empfindungen zu entziehen und dieselbe lediglich ganz allein auf ihre Einbildungen zu richten…« (Gedancken von den Würckungen der Einbildungskraft, S. 123 ff.). Vor allem aber muß man bei dieser Gelegenheit auf die Rolle Zimmermanns hinweisen. In dessen Standardwerk »Von der Erfahrung in der Arzneykunst« (1763–64) konnte sich Wieland ausführlich und bequem über die Lebensfeindlichkeit der mystischen Methode und deren medizinische Folgen unterrichten. Da heißt es z. B., solche Mystiker »wollen uns bereden, ein Wahnwiziger sehe was ein Weiser nicht sieht, und des menschlichen Verstandes beraubet erlange man den göttlichen. In diesen Wahn verfallen mehrentheils Weiber von einer sehr lebhaften Einbildungskraft…« (Bd. II, S. 521 f.). Auch diskutiert Wieland seit seiner Bekanntschaft mit Zimmermann dessen »Betrachtungen über die Einsamkeit« (1756), die ebenfalls aus der Sicht des Mediziners das Thema der Schwärmerei berühren. Vgl. insbesondere den Brief vom 2. Sept. 1756, Briefwechsel, Bd. I, S. 278 ff. — Über den Anteil Zimmermanns an Wielands »Metamorphose« vgl. V. Michel, C.-M. Wieland, S. 165 ff.; F. Sengle, Wieland, S. 89 f. und 93 ff. Zum ganzen Komplex zuletzt M. Dick, Wandlungen des Menschenbildes beim jungen Wieland. »Araspes und Panthea« und Shaftesburys »Soliloquy«, in: Jb. d. deutschen Schillergesellschaft 16, 1972, S. 145–175; J. A. McCarth, Wielands Metamorphose, in: DVjs. 49, 1975, Sonderheft, S. 149*–167*.

    Google Scholar 

  6. Grundlegend: Unterredungen mit dem Pfarrer von *** (1775), Werke, Tl.XXXII, S.219 ff., bes. S. 249 ff. — Die eleganteste Widerlegung der stoischen und pythago- räischen, der grämlichen Schwärmerei stellt natürlich die »Musarion« (1768) dar. Als physiologische Fundierung jeglichen Schwärmertums kehrt die Milzsucht in verschiedensten Zusammenhängen wieder. Ich nenne ein paar Beispiele. So heißt es über einen spiritualistisch-asketischen Sittenlehrer: »Diese unbesonnene Sittenlehre, die Frucht seiner verdorbenen Säfte, seines ausgetrockneten Gehirns und des immerwährenden Grams, in welchem seine düstre Seele wohnte, predigte er so lange…, bis er es endlich so weit brachte, sich völlig davon überzeugt zu glauben … und nachdem seine Krankheit ihre höchste Stufe erreicht hatte, endigte er damit, die Zerrüttung seiner Empfindungswerkzeuge und Begriffe dem höchsten Wesen selbst beizulegen und den Schöpfer des Guten … als einen grämischen Dämon abzuschildern, den die Freude seiner Geschöpfe beleidigt, und dessen Zorn nur Enthaltung von allem Vergnügen, nur Seufzer, Thränen und freiwillige Martern besänftigen können« (Der goldene Spiegel I, 5, Werke, Tl. XVIII, S. 71). Ähnliche Attacken gegen milzsüchtige Moralisten sind häufig (vgl. z. B. Geschichte der Abderiten I, 10, Werke, TI. VII, S. 60). Insbesondere die »theosophische und theurgische Schwärmerei« ist nach Wielands Meinung mit dem Makel der Milzsucht behaftet: »… man hat es nicht mit ihrer Moral und ihrem Herzen, sondern mit ihrer Schwärmerei, ihrem religiösen Don=Quixotismus, kurz, mit ihrem Wahnsinn und Aberwitz zu thun, den sie uns für göttliche Erleuchtung und Offenbarung geben … Der unendliche Schaden, den dergleichen ansteckende Krankheiten des Verstandes — zumal wenn sie noch mit Milzsucht, in Unordnung gerathenen Nerven und verstopften Zirbeldrüsen, und noch mehr wenn sie mit Tartüfferei, Beutelschneiderei und allerlei selbstischen Leidenschaften vergesellschaftet sind — von je her in der Welt angerichtet haben, liegt in der Geschichte der Menschheit vor allen Augen…« (Swedenborg’s Offenbarungen und der thierische Magnetismus und Somnambulismus, 1787, Werke, Tl. XXXII, S. 422). Schließlich verfallen dem Verdikt auch die Revolutionäre als neue Schwärmer, welche »die Maximen und Unternehmungen der anabaptischen und millenarischen Schwärmerei des 16. und 17. Jahrhunderts zu erneuern geschäftig sind« (Werke, Tl. XXXIV, S. 247). An anderer Stelle spricht Wieland vom »Fanatismus gewisser mit zu viel brennbarem Stoff angefüllter Imaginationsmenschen« (Werke, Tl. XXXIII, S. 386). Zu Wielands Distanzierung von der französischen Revolution, die im Zeichen der Schwärmerkritik erfolgt, siehe F. Sengle, Wieland, S. 440 ff.; B. Weyergraf, Der skeptische Bürger. Wielands Schriften zur Französischen Revolution, Stuttgart 1972.

    Google Scholar 

3. Herrschaft der Phantasie. Schwärmerei als Thema der Popularphilosophie

  1. Mme. de Staël, De l’Allemagne. Nouvelle édition … par La Comtesse Jean de Pange, 5 Bde., Paris 1958–60, Bd. V, S. 187.

    Google Scholar 

  2. L. Meister, Auszüge aus einer Vorlesung über die Schwärmerei, in: Der Teutsche Merkur 1775, IV, S. 134–151. Einzeldruck: Ueber die Schwermerei. Eine Vorlesung, Bern 1775. Meister hielt auch weiterhin an dem unvermindert aktuellen Thema fest: Ueber die Einbildungskraft, Bern 1778 (2. Aufl. 1795); Helvetische Szenen der neuern Schwärmerey und Intoleranz, Zürich 1785. Es handelt sich um jenen Meister, den die »Xenien« als Vielschreiber verspotten: »Deinen Namen les’ ich auf zwanzig Schriften, und dennoch/Ist es dein Name nur, Freund, den man in allen vermißt.«

    Google Scholar 

  3. So J. F. Kleuker, Beantwortungsversuch einer im deutschen Merkur aufgeworfenen Frage, in: Deutsches Museum 1777, I, S. 223–254 und 331–346, hier S. 249: »Seitdem das Zeichen Schwärmerey längst am Pranger steht, hat man das Wort Enthusiasmus um so mehr ehrlich gemacht, weil man sonst gar kein Gefäß hätte, gewisse Wirkungen und Phänomene, die gar keine Schändung verdienen, darin zusammen zu fassen und darnach zu messen.« — Daß Wieland sich bei dieser Gelegenheit »von Herder, Möser, Goethe, Winckelmann, Lavater anregen, erwärmen und befruchten ließ« und dabei über die selbstgesteckten Grenzen hinausschießt, wie F. Sengle annimmt (Wieland, S. 473), betrifft vielleicht Formulierungen, kaum aber die Sache selbst, in der Wieland seinem alten Gewährsmann Shaftesbury folgt.

    Google Scholar 

  4. Den Begriff des Enthusiasmus nur als einen ästhetischen behandeln und damit seine negativen Konnotationen übergehen, heißt freilich die vielfältige Rolle verkennen, die er im 18. Jahrhundert in verschiedenem Kontext spielt. Dies ist der Fall in der Arbeit von Christa Karoli, die auch einen Überblick über die Geschichte des Begriffs bringt: Ideal und Krise enthusiastischen Künstlertums in der deutschen Romantik, Bonn 1968. — Ohne die Berücksichtigung der alten Konstellation von Schwärmerei und Enthusiasmus entgehen auch Hans-Wolf Jäger (Politische Kategorien in Poetik und Rhetorik der zweiten Hälfte des 18. Jh.s, Stuttgart 1970) wichtige Aspekte und die Herkunft des politischen »Prinzips der Begeisterung«. — Einen informativen Überblick gibt, wenn auch im einzelnen nicht immer stichhaltig: H. H. Schulte, Zur Geschichte des Enthusiasmus im 18. Jahrhundert. Siehe jetzt auch die zahlreichen Belege bei G. Sauder, Empfindsamkeit, Bd. I, S. 137 ff. — Zur Erneuerung des poetischen Enthusiasmus aus pietistischem Geist und zur Strukturgleichheit von religiösem und dichterischem Enthusiasmus, die durch Säkularisation frei wird, siehe G. Kaiser, Klopstock. Religion und Dichtung, Gütersloh 1963, S. 98 ff. und 133 ff.

    Google Scholar 

  5. J. F. Kleuker, Beantwortungsversuch, S. 251. Siehe auch J. H. Jung-Stillng, Theobald oder die Schwärmer (Sämmtliche Werke, Bd. VI, Stuttgart 1841, S. 97): »Leser! ich muß hier eine wichtige Bemerkung machen: ganz gewiß geht man im Tadel der Pietisten zu weit. Warum haltet ihr einen Mann für ein großes Genie, wenn seine Seele im Reich der Phantasie herumschwärmt, herrlich dichtet, herrlich malt und vortreffliche Romanen schreibt? das tadelt ihr nicht; hingegen wenn ein phantasiereicher Kopf die Religion für einen würdigen Gegenstand hält und von ihr romanen- und feenhafte Begriffe hat, dann möchtet ihr auffahren und einen solchen Mann aus der menschlichen Gesellschaft hinausbannen…«

    Google Scholar 

  6. Neuerdings hat Hans Peter Herrmann das poetologische Thema der Einbildungskraft in Beziehung zur orthodox-theologischen Phantasiekritik gesetzt. Der Kampf gegen die Schwärmerei findet dabei die ihm gebührende Beachtung, obwohl Herrmann, nachdem der Name Locke gefallen ist, darauf verzichtet, den Zusammenhang zwischen aufklärerischer und theologischer Kritik des näheren zu diskutieren. H. P. Herr mann, Naturnachahmung und Einbildungskraft. Zur Entwicklung der deutschen Poetik von 1670 bis 1740, Bad Homburg v. d. H. 1970, S. 192 ff. Vgl. bes. den Exkurs »Die protestantische Orthodoxie, die Schwärmer und die Einbildungskraft« (S. 198 ff.), der sich mit unseren Überlegungen berührt.

    Google Scholar 

  7. M. Hissmann, Anleitung zur Kenntniß der auserlesenen Litteratur, S. 170. Womöglich noch krasser, mit Berufung auf Malebranche: »Die Wuth des Fanaticismus, wodurch die ganze Welt in Flammen gesetzt wird, wird durch die Flammen der Einbildungskraft angezündet. Das Schwerdt des Schwärmers, welches vom Blut der Könige und der Völker trieft, wird durch die Einsprüche der Einbildungskraft gezückt…« (S. 168). — Aber auch bei Hissmann kann man beobachten, wie durch Kontextwechsel die ästhetische Einbildungskraft von der prinzipiellen Phantasiekritik ausgenommen wird. M. Hissmann, Psychologische Versuche, 1777, S. 212 ff. (hier sogar eine Ehrenrettung Platos!). Ähnliches läßt sich in L. Meisters Abhandlung »Ueber die Einbildungskraft« (1778) beobachten, die die ästhetischen Momente in den Mittelpunkt des Interesses rückt — ohne darüber das Schwärmerthema zu vergessen.

    Google Scholar 

  8. L. H. Jakob, Grundriß der Erfahrungs=Seelenlehre, Halle 1791, S. 298. Jakob unterscheidet Schwärmerei strikt von Enthusiasmus, Begeisterung und Empfindsamkeit und behandelt sie zusammen mit der »Verrückung«.

    Google Scholar 

  9. Chr. Garve, Ueber die Schwärmerey, in: Chr. G., Versuche über verschiedene Gegenstände aus der Moral, der Litteratur und dem gesellschaftlichen Leben, Tl. V, Breslau 1802, S. 335–406.

    Google Scholar 

  10. Kant, Menschenkunde, ed. Starke, S. 177. — Das gesamte Begriffsfeld in der Umgebung der Schwärmerei wird besonders gut überschaubar bei F. A. Carus, der eine Art Stufenleiter der schwärmerischen Haltungen herstellt. Ihre Sprossen heißen so: Empfindsamkeit — Begeisterung -- Enthusiasmus — Fanatismus — Ekstase — Entzückung. F. A. Carus, Psychologie, 2 Bde., Bd. II, Leipzig 1808, S. 292 ff.

    Google Scholar 

  11. Chr. G. Bardili, Neue Versuche über die Lehre vom Temperament und den menschlichen Neigungen, Stuttgart 1795, S. 11.

    Google Scholar 

  12. J. A. Eberhard, Betrachtungen über Wundergaben, Schwärmerey, Toleranz, Spott, und Predigtwesen. Bey Gelegenheit einiger neuern Schriften, Berlin und Stettin 1777 (Sonderdruck aus Allg. Deutsche Bibi., Bd. XXX, 2. Stück), S. 47.

    Google Scholar 

  13. E. Platner, Aphorismen I, 1776, S. 130 ff.

    Google Scholar 

  14. L. Meister, Ueber die Schwermerei, S. 152. Fast wörtlich wiederholt bei K. Spazier, Der neue Orígenes, oder Geschichte seltsamer Verirrung eines religiösen Schwärmers. Nebst einer Abhandlung über die Quellen und Gefahren der Schwärmerey, Berlin 1792, S. 13.

    Google Scholar 

4. Historien der Schwärmer. Schiller, Spazier, Adelung

  1. Sch. H. Ewald, Ueber das menschliche Herz, ein Beytrag zur Charakteristik der Menschheit, 3 Bde., Erfurt 1784, Bd. I, S. 375. Zu Ewald siehe G. Mattenklott, Melancholie in der Dramatik des Sturm und Drang, S. 14 ff.

    Google Scholar 

  2. J. C. Lavater, Physiognomische Fragmente II, 1, S. 13: »Ein sehr kränkelnder, schwindsüchtiger Schuster. — (Im Vorbeygehen zu sagen: Fast keine Art Leute sind so schlecht gebildet, als die Schuster; und fast keine Art Leute, im Durchschnitte genommen, so mißgestaltet, wie diese…) Hier sieht man aufs deutlichste die durch mehr als eine Generation zusammengezogene Würkungskraft, völlig ermangelnd an Leben und Quellgeist. Zuckende Schwäche und hypochondrischer Starrsinn…« Nicht von ungefähr hat das Bild des Melancholicus (IV, VI, II, Tafel neben S. 352) große Ähnlichkeit mit dem hier analysierten Schuster. — Zur Beschwerde vgl. J. C. Lavater, Verantwortung gegen eine ehrsame Meisterschaft der Schuster in Zürich, die sich über eine Stelle im zweyten Band der Physiognomik S. 13 bey ihm beschwerten, in: Deutsches Museum 1777, II, S. 24–32. Ausspielung darauf bei J. G. Scbummel, Spitzbart, S. 322.

    Google Scholar 

  3. J. M. Schwager, Noch ein neuer Messias, in: Berlin. Monatsschrift 1, 1783, S. 266–76, das Zitat S. 267. Bestätigt wird diese Beobachtung von der modernen sozialgeschichtlichen Forschung: H. Möller, Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert. Verhalten und Gruppenkultur, Berlin 1969, S. 218 ff. Siehe auch die »Ge- müthsgeschichte« eines Berliner Webers, der durch krummes Sitzen und scharfes Nachdenken zum Hypochondristen, Projektmacher und Schatzsucher wird: Magazin zur Erfahrungsseelenkunde I, 1, S. 20 ff.

    Google Scholar 

  4. F. Gedike, Ueber das Studium der Litterarhistorie, nebst einem Beitrage zu dem Kapitel von gelehrten Schustern, in: Berlin. Monatsschrift 1, 1783, S. 277–297, bes. S. 292 ff. Das Motiv kehrt wieder im Bericht über die »Wallfahrt zum Monddoktor in Berlin« (Berlin. Monatsschrift 1, 1783, S. 368–85). Vgl. J. G. Zimmermann, Ueber die Einsamkeit, Bd. II, S. 70: »Einsamkeit erzeugte die Fakire von Indien, und die zu allen Religionen sich passende Sekte der Mystiker, die mit Staunen und Hukken im Stillen ihr Leben hinbringt, und so gerne in Werkstätten der Schuster und alchymistischen Küchen, alten Bergschlössern, Klöstern und Conventikeln faselt und spükt.«

    Google Scholar 

  5. A. S. Bürger, Exercitatio Historico-Moralis De Svtoribvs Fanaticis, Leipzig 1730 (zit. bei Adelung, Geschichte der menschlichen Narrheit, Bd. II, S. 220).

    Google Scholar 

  6. Chr. Thomasius, Dissertado XXI. Quaestionvm promisevarvm historico-philosophi- co-ivridiciarvm dodecas. Quaero III. An Svtor possit esse philosophvs? Videtur, in: C. T., Dissertationes Academicae, Bd. I, 1773, S. 820–823.

    Google Scholar 

  7. J. C. Adelung, Geschichte der menschlichen Narrheit…, 7 Tie., Leipzig 1785–1789, II, S. 221 (Zitatbelege künftig im laufenden Text).

    Google Scholar 

  8. Die Verbreitung von Fausts magischen Schriften dokumentiert: H. Henning, Faust- Bibliographie, Tl. I, Berlin und Weimar 1966, S. 436–448.

    Google Scholar 

  9. I, Vorrede, Bl. [1]: »Ich liefere dem Publikum hier eine Sammlung von Lebensbeschreibungen solcher Menschen, welche ihr ganzes Leben ein Geschäft daraus machten wider Philosophie und gesunde Vernunft zu handeln … Ich nenne sie Unholden, weil ich kein schicklicheres Wort kenne, welches das allgemeine der mannigfaltigen Thoren dieser Art besser ausdrückte, als eben dieses.« Siehe auch J. C. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Flochdeutschen Mundart, Bd. IV, 2. Aufl., 1801, Sp. 872: »Unholder« veraltet für böser Feind, Teufel, Mörder, Bösewicht. Man pflegt »nur noch zuweilen Zauber und Zauberinnen, sofern sie andern Schaden zufügen, mit diesem Nahmen zu belegen.«

    Google Scholar 

5. Johann Georg Zimmermanns »Einsamkeit«

  1. So F. Melzer, J. G. Zimmermanns »Einsamkeit« in ihrer Stellung im Geistesleben des ausgehenden 18. Jahrhunderts, Diss. Breslau 1930, S. 3. Weitere Literatur oben S. 305, Anm. 79. Neuerdings auch W. Lepenies, Melancholie und Gesellschaft, S. 88 ff.

    Google Scholar 

  2. J. G. Zimmermann, Betrachtungen über die Einsamkeit, Zürich 1756; Von der Einsamkeit, Leipzig 1773. — Wieland verfolgte die verschiedenen Phasen der Entste hungsgeschichte mit großer Aufmerksamkeit. Seine kritischen Stellungnahmen veranschaulichen zugleich seinen eigenen Wandel. Vgl. die Briefe vom 2. Sept. 1756 (Briefwechsel, Bd. I, S. 278 ff.) und vom 5. Dez. 1758 (Briefwechsel, Bd. I, S. 389 ff.).

    Google Scholar 

  3. Schon im Anfangsstadium meldet der mit Wieland befreundete Obereit Kritik an. Wieland vermittelt den Kontakt zwischen den beiden Kontrahenten. Vgl. Briefwechsel, Bd. I, S. 274 f., 292 f., 320, 388 f. — Mit Unterstützung Zimmermanns selbst gibt Obereit dann eine Gegenschrift heraus: J. H. Obereit, Vertheidigung der Mystik und des Einsiedlerlebens gegen Herrn Leibarzt Zimmermann in Hannover, Frankfurt a. M. 1775. Später folgen: Die Einsamkeit nach innern Gründen erwogen von einem lakonischen Philanthropen. Mit Anmerkungen des Herausgebers, Leipzig 1781; Supplike an Philosophische Damen zur Besänftigung der großen flammenden Autorschaft Ueber die Einsamkeit des Königl. Großbrittannischen Herrn Hofrathes und Leibarztes Zimmermann in Hannover, Leipzig 1785.

    Google Scholar 

  4. Zimmermanns eigene Beschreibung: Ueber die Einsamkeit I, Vorrede, S. IV und XIff. Ferner: S. A. D. Tissot, Leben des Ritters von Zimmermann…, Hannover 1797. Vgl. auch Goethes Schilderung in »Dichtung und Wahrheit« (III, 15; HA, Bd. X, S. 63 ff.). Das beste Charakterportrait gibt W. Milch, Die Einsamkeit, S. 140 ff.

    Google Scholar 

  5. Zimmermann war auf das Thema schon in seiner Schrift »Von dem Nationalstolze« (Zürich 1758 u. ö.) gestoßen. Wieder kann man die Assistenz Wielands feststellen, der in seiner ersten Kritik des »Nationalstolzes« Ratschläge wie diesen erteilt: »Zu jenem gehörte die Untersuchung aus was für natürlichen Ursachen die mancherley Gattungen der Liebe, z. ex. die muntre und aufgewekte, die guthumorisirte, die Ubelartige, schwehrmüthige, fanatische etc. entspringen. Der Einfluß des Climatis würde hier ein hauptsächl. principe seyn. Hier würden Sie unvermerkt auf die wahren Quellen des fanatisme und Mysticisme und des praetendirten amour pur kommen - und wenn dieses letzte Sujet nur mit einer genugsam leichten Hand tractiert würde, so könnte gezeigt werden, daß die mystischen Ausschweiffungen sehr be- greifl. Ursachen haben, en depit de Votre confrere Oberreit!« (an Zimmermann, 14. Febr. 1759, Briefwechsel, Bd. I, S. 321). — Summen der Klimatheorie erscheinen noch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, z. B. W. Falconer, Remarks on the Influence of Climate, Situation, Nature of Country, Population, Nature of Food, and Way of Life, on the Disposition and Temper, Manners and Behaviour, Intellects, Laws and Customs, Form of Government, and Religion, of Mankind, London 1781 (deutsch Leipzig 1781). Über die Klimatheorie informiert eingehend: W. Budach, Die Tradition der Völkerpsychologie bei Montesquieu, Taine und ihren Vorgängern. Antike Vorstellungen über Umwelt und Rasse in der französischen Literatur, Diss. Kiel 1965 (mit reichhaltigen Literaturangaben).

    Google Scholar 

  6. Zu Aretäus vgl. A. C. Lorry, Von der Melancholie, Bd. II, S. 279 ff.; J. B. Friedreich, Versuch einer Litterärgeschichte, S‘. 61 ff.; H. Flashar, Melancholie und Melancholiker, S. 73 ff. — Zu Prosper Alpinus (1553–1637; De medicina Aegyptiorum libri quatuor, Venedig 1591) J. B. Friedreich, Litterärgeschichte, S. 124 ff. — Eine zeitgenössische Autorität: C. de Pauw, Recherches philosophiques sur les Egyptiens et les Chinois, 2 Bde., 1773 (deutsch von J. G. Krünitz, 1774). Dazu M. Hissmann, Anleitung zur Kenntniß der auserlesenen Litteratur, S. 169: »Vom Einfluß des Körpers und physischer Ursachen auf die Lebhaftigkeit und Schwäche der Einbildungskraft hat Pauw in seinen philosophischen Reflexionen über die Aegyptier und Sinesen mehr Wichtiges gesagt, als man in ganzen Schriften findet.« Etwas skeptischer Kant, Reflexionen zur Anthropologie, Nr. 890 (Ges. Schriften, Bd. XV, S. 389).

    Google Scholar 

  7. Schon in den »Kleinen Aufsätzen« von 1779 hatte sich Zimmermann nicht eben sehr günstig über das Geniewesen geäußert. Vgl. ]. G. Zimmermann, Zerstreute Blätter vermischten Inhalts, Leipzig 1799, S. 139 ff. (»Kraft«), 165 f. (»Radotage übers Geniewesen«), 180 f.

    Google Scholar 

  8. H.J. Haferkorn, Zur Entstehung der bürgerlich-literarischen Intelligenz und des Schriftstellers in Deutschland zwischen 1750 und 1800, in: B. Lutz (Hrsg.), Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften 3. Deutsches Bürgertum und literarische Intelligenz 1750–1800, Stuttgart 1974, S. 113–275 (ursprünglich Diss. Göttingen 1959).

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1977 Springer-Verlag GmbH Deutschland

About this chapter

Cite this chapter

Schings, HJ. (1977). Die Schwärmerkritik der deutschen Aufklärung. In: Melancholie und Aufklärung. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03074-0_9

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03074-0_9

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00354-6

  • Online ISBN: 978-3-476-03074-0

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

Publish with us

Policies and ethics