Zusammenfassung
[479] Wer Schefer als Novellendichter kennt, ist vielleicht nicht allzu willfährig, ihn für den historischen Roman für berufen zu halten. Schefer hat [480] auf mannigfaltige Weise die Welt gesehen, am Hofe eines Fürsten, im Geräusche großer Städte, unter Italiens Himmel, in der Levante, auf dem griechischen Archipel gelebt, — und doch hat dies Alles seinen innern Menschen aus der engen Traulichkeit eines Familienlebens nicht hinausgetrieben. Zwischen den vier Wänden der deutschen Häuslichkeit sitzt sein Gemüth und zehrt aus kleinen Ereignissen große, himmelweite Gedanken. Für die Brosamen einer dürftigen Krähwinkelalltäglichkeit blickt sein dichterisches Auge dankbar gen Himmel, im Allerkleinsten preist und besingt er das große Ganze. So kindlich begnügsam ist sein Herz, und von allen Functionen des innern Menschen kennt er auch nur das Herz. Was das Herz geschaffen im Raum der Welt, das scheint ihm einzig und allein der Schauplatz der Offenbarung; woran aber sonst der Geist gearbeitet hat im Menschenleben, davon versteht seine Muse nichts. Somit kennt er von der Welt der Wirklichkeiten eben nur die engbegrenzte Scholle um Haus und Heerd, höchstens noch ein Küchengärtchen hinter dem Hofräum. Und will er einmal hinausblicken aus dieser verzweifelt kleinen, zusammengepferchten deutschen Kleinstädterwelt, so wirft er sich gleich in das Universum der allweiten Natur und schwärmt mit den Mücken im Abendstrahl oder steigt trunken mit der Lerche auf zum Morgensang, bis er ermüdet von all den Weitläufigkeiten im Raum der Welt, wieder zurücksinkt in die kleine enge Hütte einer traulichen Dürftigkeit.
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Kühne, F.G. (1976). Aus: Rezension über Leopold Schefer, »Die Gräfin Ulfeld« 1835. In: Romantheorie und Romankritik in Deutschland. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03055-9_23
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03055-9_23
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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