Zusammenfassung
Die Frage, die man zuweilen aufgeworfen hat, ob der historische Roman überhaupt eine Berechtigung im Gebiet der Poesie habe [1], ist im Grunde eine müßige. Daß er zu einer niedrigem Kunstgattung gehört, als diejenigen Zweige der Poesie, die ein freies Schaffen erlauben und fordern, dürfte wol kaum in Zweifel gestellt werden, eben so wenig, daß es immer ein mißliches Unternehmen bleibt, die Phantasie in Geschichten einzuführen, die eigentlich der Gelehrsamkeit anheimfallen. Auf der andern Seite ist es aber wieder nicht zu läugnen, daß für das Festhalten einer großen Vergangenheit die Geschichtschreibung nicht vollständig ausreicht. Sobald sie versucht, eine Totalanschauung von dem Zeitalter zu geben, mit dem sie sich beschäftigt, eine Anschauung, die sich auf alle Kreise des öffentlichen und Privatlebens gleichmäßig erstreckt, wird sie in Gefahr kommen, von ihrem eigentlichen Zweck abzuweichen; jedenfalls kann sie Culturzustände nur in allgemeinen Uebersichten, nicht in der Form einer lebendigen Erzählung geben. Hier bleibt dem historischen Roman ein angemessener Spielraum. Er ist im Stande, auf frühere Forschungen gestützt, uns die Sitten des vergangenen Zeitalters nach allen Richtungen hin neu zu erschaffen, und daß daraus Werke hervorgehen können, die auf Phantasie und Gemüth wenigstens annäherungsweise denselben Eindruck hervorbringen, den eine freie Schöpfung macht, hat gleich das Beispiel des Erfinders dieser Kunstgattung auf eine glänzende Weise dargethan.
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Bucher, M., Hahl, W., Jäger, G., Wittmann, R. (1975). Der nationalhistorische Roman. In: Bucher, M., Hahl, W., Jäger, G., Wittmann, R. (eds) Realismus und Gründerzeit. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03017-7_24
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03017-7_24
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00267-9
Online ISBN: 978-3-476-03017-7
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