Reich und Arm Die Novelas Ejemplares von Cervantes

Zusammenfassung

Das »Goldene Zeitalter«, el siglo de oro, der spanischen Literatur ist die Epoche des ökonomischen und politischen Niedergangs der spanischen Monarchie. Die imperiale Europapolitik der spanischen Habsburger bankrottierte um 1600, weil ihr wesentliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Voraussetzungen fehlten. Man hätte das Mißverhältnis zwischen den kostspieligen Feldzügen und dem Ertrag der spanischen Wirtschaft ausgleichen und der scharfen ökonomischen Konkurrenz Englands, Frankreichs und der Niederlande wirkungsvolle Maßnahmen entgegenstellen müssen. Aber die Investitionen im Ackerbau und in der Manufaktur waren unzureichend, und das Land hatte keine breite, kapitalistisch aktive Bürgerschicht.[1] Die ökonomische und soziale Vorherrschaft des Feudaladels in Spanien, der etwa 2% der Gesamtbevölkerung stellte, stützte sich darauf, daß er 97% des Bodens besaß.[2] Die wirtschaftspolitische Entscheidung für die Viehzucht gegen den Ackerbau, die unter den »Katholischen Königen« fiel, zeitigte Landflucht und mangelndes Interesse der Großgrundbesitzer an technologischen Verbesserungen im Ackerbau; dadurch wurde gerade die Bevölkerungsschicht ökonomisch geschwächt, auf die man, weil der Adel nicht besteuert werden durfte, die Masse der Steuerlasten abwälzte.[3] Die Bemühungen um eine industrielle Entwicklung, die den Bedürfnissen eines merkantilistisch orientierten Territorialstaates entsprochen hätten, erlitten einen fühlbaren Schlag durch die Vertreibung der zwangsgetauften Juden, der conversos. [4] Die spanischen Könige, die den Adel politisch unterworfen hatten, ohne seine ökonomische Herrschaft anzutasten [5], folgten in ihrem Regiment der Einsicht Machiavellis, daß die Menschen leichter den Tod des Vaters als den Verlust des Vermögens vergäßen. [6]

Y assí cesa aquella amarga y continua lucha, y aquel alboroto fiero, y aquel continuo reñir con que se despedaçan las entrañas del hombre …

(Luis de León, Los nombres de Christo, II, S. 182)