Zusammenfassung
Die dramatische Dichtung des Vormärz erfreut sich heute eines guten Ansehens. »Von Lessing bis Hebbel« reicht, mindestens seit der Deutschen Dramaturgie von Robert Petsch (1912), die große Zeit der deutschen Tragödie; und neuerdings wird dieser Kanon noch durch eine Aufwertung Büchners, Raimunds und Nestroys ergänzt*. Diese Entwicklung paßt sehr gut zu dem besonderen Anliegen meiner Epochendarstellung. Die Vorstellung, in einer Epigonenzeit zu leben, wäre um 1830 wahrscheinlich gar nicht aufgekommen, wenn sie sich auf die Lyrik, die Novelle, den Roman oder gar auf die Zweckliteratur hätte beziehen können. Sie entstand, weil das Drama noch immer den eigentlichen Maßstab der Kulturhöhe bildete und weil auf diesem Gebiete undiskutable Erscheinungen wie die sog. Schicksalstragödie (s. u.) und schwache Produkte adeliger Personen (von Uechtritz, von Schenk, Graf Platen u. a.) oder akademischer Theatermänner (Klingemann, Immermann) zuerst in die Augen fielen. Da man den heute geschätzten Dramatikern wenig Beachtung schenkte, gab es genug Defaitismus bezüglich des Gegenwartsdramas; aber man findet kaum grundsätzliche Zweifel am Vorrang der dramatischen Gattung; ja, das Ansehen des Dramas erhöht sich wieder, je weiter man sich von der Romantik entfernt und je mehr man sich jener Restauration des Klassizismus, wie sie unter dem Namen der »Münchner Kunst« bekannt ist, nähert. Die Gleichzeitigkeit von Neoklassizismus und programmatischem Realismus (vgl. Bd. I, S. 251 u. 282 f.) ist der Grund für die bekannte Tatsache, daß alle großen realistischen Erzähler in Deutschland eigentlich Dramatiker werden wollten, daß sie sich nur zögernd, resignierend, mit artistischen Vorbehalten (neue Novellentheorie) zur Erzählprosa herabließen.
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Anmerkungen
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Ästhetik, hg. v. Friedrich Bassenge, Berlin 1955, S. 1038.
Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel, Briefe, hg. v. Henry Lüdeke, Frankfurt 1930, S. 173.
Nachgelassene Schriften und Briefwechsel, hg. v. Ludwig Tieck und Friedrich v. Raumer, Bd. 2, Leipzig 1826, S. 450.
Vorrede zu Friedrich v. Uechtritz, Alexander und Darius, Berlin 1827.
Robert Trutz, Vorlesungen über die Geschichte des deutschen Theaters, Berlin 1847, S. 370.
Christian Birch, Dramatik oder Darstellung der Bühnenkunst, Stuttgart 1847, S. 343 (2. Aufl. 1852).
Shakespeare in Deutschland, Literarhistorisches Taschenbuch, hg. v. Robert Trutz, 1. Jg., Leipzig 1843.
Georg Büchner, Werke und Briefe, hg. v. Fritz Bergemann, Wiesbaden 1958, S. 516.
17. 3. 35, Werke, hg. v. Eduard Grisebach, Bd. 4, Berlin 1902, S. 421.
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Shakespeare-Studien, hg. v. Moritz Heydrich, Leipzig 1872, S. 487.
W. G. Beckers Taschenbuch zum geselligen Vergnügen, hg. v. Friedrich Kind, Leipzig 1822, S. 199.
Johann Wilhelm Schirmer, Düsseldorfer Lehrjahre. Ein autobiographisches Fragment (1863), Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen, Reihe Selbstzeugnisse, Bd. 11, hg. v. Ernst Volkmann, Leipzig 1938, S. 231.
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Georg Schaumburg, Das Königliche Theater an dem Isartore in München, in: Beiträge zur Literatur- und Theatergeschichte, Festschrift für Ludwig Geiger, 1918, S. 265; Legendenspiele: S. 269.
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Schellings Werke, hg. v. Manfred Schröter, 3. Erg.-Bd., München 1959, S. 350.
Näheres bei Joseph Weyden, Eduard von Schenk, ein bayerischer Dichter und Staatsmann, Graz 1932.
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Näheres zur Stoffgeschichte bei Otto Baltzer, Judith in der deutschen Literatur, 1930.
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Brigitte Schatzky, The German Stage in the nineteenth century, in: German Life and Letters, Bd. 13 (1960), S. 207ff.
Moriz Kapp (Ps. Jovialis), Graf Egmond, nach Göthes Schauspiel … neu bearbeitet, Atellanen, 2. Sammlung, Stuttgart und Tübingen 1842.
Ernst Raupach, Genoveva, Hamburg 1834, S. 49f.
Erinnerungen, hg. v. Max Ewert, Bd. 4, Berlin 1900, S. 346.
Handschriftlicher Nachlaß, hg. v. Eduard Grisebach, Leipzig 1891–93, Bd. 2, S. 108–17. Nach René Wellek, A History of Modern Criticism: 1750–1950, Bd. 2, 1955, S. 310.
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Vgl. die für den ganzen Problemkreis wichtige Münchner Dissertation von Peter Hacks, Das Theaterstück des Biedermeier, 1951.
Ludwig Geiger, Berlin 1688–1840, Geschichte des geistigen Lebens der preußischen Hauptstadt, Berlin 1895, Bd. 2, S. 408.
Karl Ernst Hüdepohl, Das französische Theaterstück auf der deutschen Bühne im 19. Jahrhundert, Diss. München 1955; auch zum Folgenden.
Curt Bauer, Raupach als Lustspieldichter, Diss. Breslau 1913.
Salomon Hermann Mosenthal, Gesammelte Werke, Bd. 1, Stuttgart u. Leipzig 1878, S. 306.
Zu allen diesen Fragen vgl. Wilhelm Zentner, Studien zur Dramaturgie Eduard von Bauernfelds, Theatergeschichtliche Forschungen Bd. 33, 1922.
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Taschenbuch dramatischer Originalien, hg. v. Dr. Franck, 5. Jg., Leipzig 1841, S. 490.
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Ernst Raupach’s dramatische Werke komischer Gattung, Teil 1, Hamburg 1829, S. 213.
Jahrbuch deutscher Bühnenspiele, hg. v. Friedrich Wilhelm Gubitz, 17. Jg., Berlin 1838, S. 229.
Josef Alois Gleich, Ydor, der Wanderer aus dem Wasserreiche, Wien 1822, zitierte Ausgabe: Deutsche Literatur, hg. v. Dietrich Kralik und Heinz Kindermann, Reihe Barock, Barocktradition, Bd. 4, hg. v. Otto Rommel, Leipzig 1938, S. 180.
Goethes Werke, I, 41, Weimar 1902, S. 165 f.
Adolf Bäuerle, Die falsche Prima Donna, Pesth 1820, S. 76.
Friedrich Kaiser, Der Schneider als Naturdichter …, Wien 1851, S. 48.
Nach Otto Rommel, Die Alt-Wiener Volkskomödie, 1952, S. 849.
Vorwort zu Vaudevilles … nach dem Französischen bearb. von Carl Blum, Berlin 1824, S. VII f.
Franz Hermann Mautner, Johann Nestroy und seine Kunst, Wien 1937.
Material bei Wilhelm Jänsch, Der Theaterkritiker Ludwig Börne, Diss. Breslau 1930.
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Samuel Friedrich Hassel, Die Frankfurter Lokalstücke …, Frankfurt a. M. 1867, S. 22ff.
Goethes Werke, IV, 10, Weimar 1907, S. 218.
Vor der Bücherwand, hg v. Friedrich Kaufmann u. Hermann Leins, Tübingen 1961, S. 88–97.
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Sengle, F. (1972). Das Drama. In: Biedermeierzeit. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03000-9_3
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