Zusammenfassung
In Ferdinand Josef Schneiders Buch »Jean Pauls Altersdichtung. Fibel und Komet« findet sich der folgende Satz: »Der ›Komet‹ verdankt wie der ›Fibel‹ seine Entstehung dem Einfluß der Romantik auf Jean Paul« [1]. In solcher Ausschließlichkeit, wie sie hier von Schneider formuliert wird, trifft dies allerdings nicht zu. Doch sind die Zusammenhänge, die beide Werke mit der Romantik verbinden, enger, als sie jemals zuvor in Jean Pauls früheren Werken anzutreffen waren. Nur noch den Flegeljahren kommt eine solche, wenn auch anders geartete, Sonderstellung zu.
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Anmerkungen
F. J. Schneider, Jean Pauls Altersdichtung, S. 183.
Bereits Heine hat diese Mittlerstellung Jean Pauls konstatiert, denn er gehöre — so schreibt Heine in der Romantischen Schule — weder zu den Romantikern noch zur Goetheschen Kunstschule (Heine, Werke und Briefe, a. a. O., Bd. 5, S. 126). Auch Jean Paul selbst war sich dessen bewußt, wie eine Notiz aus dem Vita-Buch beweist: »Die alte Dichtwelt ist mir untergesunken, ich gehöre nicht zu ihr, denn ich war ihr Schüler, aber ich gehöre auch nicht zur neuen, sondern ich stehe und bleibe allein« (Wahrheit II, S.139).
Vgl. dazu: Rudolf Unger, Jean Paul und Novalis. Zur Charakteristik ihrer gegenseitigen Beziehungen. In: R. U., Aufsätze z. Lit. u. Geistesgesch. (= Gesammelte Studien II), Berlin 1929, S. 104 ff; Edward V. Brewer, Jean Paul’s Unsichtbare Loge and early German Romanticism. In: Germanic Review 8, 1933, S. 165 ff; Jutta Hecker, Das Symbol der Blauen Blume im Zusammenhang mit der Blumensymbolik der Romantik (Jenaer Germanistische Forschungen, Band 17). Jena 1931, S. 29 ff; Eduard Berend, Jean Pauls Ästhetik, passim.
Es ist als Mumien (so der Untertitel der Unsichtbaren Loge) in der Liste seiner Bibliothek verzeichnet (Ernst Heilborn, Novalis, der Romantiker. Berlin 1901, S. 220).
Erasmus schreibt in einem Brief vom Oktober/November 1795: »Ich habe die ›Unsichtbare Loge‹ jetzt gelesen und sie wirklich in ihrer Art so außerordentlich gefunden, als Du sagtest« (zitiert nach: Novalis, Werke/Briefe/Dokumente. Hg. v. Ewald Wasmuth. Heidelberg 1954, Bd. 4, S. 203).
Rudolf Unger, Jean Paul und Novalis, S. 105 bzw. 117.
Werke I, 176. Dazu auch: Jutta Hecker, Das Symbol der Blauen Blume, S. 29 ff. Sie stellt fest, daß der Blume in der Unsichtbaren Loge der »rein symbolische Gehalt« fehle (s. 31).
Rudolf Unger, Jean Paul und Novalis, S. 114.
Jean Pauls Persönlichkeit, S. 212, Zeile 11 ff.
Max Kommerell, Der Dichter als Führer in der deutschen Klassik, Berlin 1928, S. 350.
Eduard Berend, Einleitung zum Titan (SW 1, VIII, S. XXVI f).
Walther Rehm, Jean Paul — Dostojewski; Ders., Roquairol. Eine Studie zur Geschichte des Bösen.
Ein Angriff Friedrich Schlegels auf Jean Paul war vorausgegangen (Äthenäums-Fragment Nr. 421).
So in der 1825 erschienenen Kleinen Nachschule zur ästhetischen Vorschule (Werke V, 459 ff).
In den Vorarbeiten Jean Pauls wird »Novalis’ ›Heinrich von Ofterdingen‹ als Muster für den ›romantischen Geist‹ der ›Flegeljahre‹ genannt« (P. H. Neumann, Jean Pauls Flegeljahre, S. 29 Anmerkung 38; vgl. ebda S. 31 ff bzw. S. 83).
In einem Brief vom 15. 7. 1802 rät er Otto dringend: »Lies doch […] Novalis Roman« (SW 3, IV, 163). Heinrich von Ofterdingen. Ein nachgelassener Roman von Novalis. Erster Theil war soeben im Juni 1802 im Druck erschienen (vgl. Novalis, Schriften, a. a. O., I, S. 603). Noch zweimal wiederholt Jean Paul dann seinen Hinweis. Am 9. 4. 1803 schreibt er an F. H. Jacobi: »Lies doch Novalis Schriften« (SW 3, IV, 212). Und ähnlich am 1. 5. 1803, wiederum an Otto: »Lies Novalis Schriften zuerst« (SW 3, IV, 216). Der beidesmal verwandte Ausdruck »Novalis Schriften« beweist, daß Jean Paul nicht, wie am 15. 7. 1802 noch, den Separatdruck des Ofterdingen meint, sondern die Ende 1802 erschienene zweibändige Ausgabe von Novalis’ Schriften (vgl. Novalis, Schriften, I, S. 603 — dagegen Novalis, Schriften, II, Stuttgart 1965, S. V: »Zu Anfang des Jahres 1803«). Band 1 der von Jean Paul empfohlenen Ausgabe enthielt den Ofterdingen, Band 2 u. a. eine Auswahl aus den Fragmenten.
Karl Freye, Jean Pauls Flegeljahre, S. 130.
Ebda, S. 25.
Ebda, S. 89.
Dazu auch Werner Brüggemann, Cervantes und die Figur des Don Quijote in Kunstanschauung und Dichtung der deutschen Romantik, S. 292 ff.
Notiz Jean Pauls, zitiert im Vorwort Eduard Berends zum Leben Fibels (SW 1, XIII, S. CVIII).
Dazu auch: Werner Vordtriede, Novalis und die französischen Symbolisten, S. 91. Er sieht in der Verwendung im Komet eine Satirisierung des romantischen Bergmann-Symbols.
Doch findet sich eine erstaunliche Vorwegnahme des Motivs bereits in der 1797 erschienenen Erzählung Der Jubelsenior, wo es von dem ältlichen Fräulein Amanda Gobertina von Sackenbach u. a. heißt: »und eine Pension […] überwächset und putzet sie in ihrer Gruft mit Laubwerk aus Gold, wie etwan Goldadern einen verschütteten Bergknappen im Schacht durchwachsen« (IV 422). Im witzigen Vergleich wird die Wirklichkeit vorweggenommen (die Falun-Geschichte wurde erst 1808 bekannt).
Zu Wina vgl. P.H. Neumann, Jean Pauls Flegeljahre, S. 32 f: die Aurikeln seien — so schreibt er — »Symbol einer nicht sehenden und doch schauenden Liebe« (S. 32).
Teile des Titans spielen in Rom. Das Wiederaufgreifen im Komet ist satirische Bezugnahme, Teil des »Anti-Titans«.
V, 125.
So gleich im ersten Satz der Harzreise: »Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste und Universität, gehört dem Könige von Hannover, und enthält 999 Feuerstellen, diverse Kirchen, eine Entbindungsanstalt, eine Sternwarte, einen Karzer, eine Bibliothek und einen Ratskeller, wo das Bier sehr gut ist.«
Vgl. dazu: Auch ich in Arkadien. Kunstreisen nach Italien 1600–1900. Sonderausstellung des Schiller-Nationalmuseums. Katalog Nr. 16. Stuttgart 1966, passim und S. 139 ff.
Zum Rom-Gedanken vgl. für das frühe Mittelalter: Percy Ernst Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio. Studien z. Geschichte des römischen Erneuerungsgedankens vom Ende des karolingischen Reiches bis zum Investiturstreit. 3. Aufl. Darmstadt 1962, S. 30 ff, 50 ff, 290–305; dazu die beiden literarwissenschaftlichen Darstellungen: Wilhelm Emrich, Das Bild Italiens in der deutschen Dichtung. In: Studien z. dt.-ital. Geistesgeschichte. Köln 1959, S. 21 ff; Walther Rehm, Europäische Romdichtung. 2. Aufl. München 1960.
Eines der Stücke aus Wackenroders Herzensergießungen trägt den Titel Sehnsucht nach Italien. Dort wird Italien »das gelobte Land der Kunst«, »die Kunstheimat« genannt (Wackenroder, Sämtliche Schriften, a. a. O. S. 15 bzw. 16).
Der Anfang des 37. Gedichts der Lyrischen Intermezzi aus dem Buch der Lieder lautet: »Philister in Sonntagsröcklein / Spazieren durch Wald und Flur; / Sie jauchzen, sie hüpfen wie Böcklein, / Begrüßen die schöne Natur. // Betrachten mit blinzelnden Augen, / Wie alles romantisch blüht; / Mit langen Ohren saugen / Sie ein der Spatzen Lied.«
Vgl. dazu eine aufschlußreiche Stelle aus den Palingenesien: »in dieser Minute fingen tief im Garten zwei Waldhörner ihre wogenden zurückweichenden Töne an. ›O das hast du geordnet, guter Firmian,‹ (sagt’ ich)« (IV 916).
Zur melodramenartigen Verwendung von Musik in den hohen Szenen vgl. den Beitrag von Gustav Jäger: Jean Pauls poetischer Generalbaß. Bemerkungen zur musikalischen Struktur seiner Romane. In: Festgabe für Eduard Berend, Weimar 1959, S. 54 ff. Im Komet selbst spielen solche Szenen keine Rolle mehr (ebda, S. 67).
In den 1809 erschienenen Dämmerungen für Deutschland kritisiert Jean Paul die romantische Vermischung von Religion und Dichtung: »Denn die Art und Weise, wie so manche neue Dichter-Mystiker die Religion lieben und ergreifen, erscheint sehr jener Sinnlichkeit verwandt, womit einst ein Spanier die schöne weibliche Statue der Religion am Grabmale des Papstes Paul III. umarmet hatte« (V 1028). Wenig später nennt er diesen Vorgang — unter deutlicher Anspielung auf Novalis’ Herrnhutertum — eine »fleischliche Vermischung mit dem heiligen Geiste der Religion in einer herrnhutischen Ehestunde« (IV 1028).
So fällt ein Teil der Kritik, die die Clavis an den Romantikern übt, auf Jean Paul zurück; etwa, wenn er rügt: »[…] — die Vergötterung der Kunst und Phantasie, weil die Bilder der letztern so reell sind als alle ihre Urbilder — das poetische, keinem Ernst unterliegende Spiel und ihre Ertötung (statt Belebung) des Stoffes durch die Form — […]« (III 1030).
Franz Kafka, Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande und andere Prosa aus dem Nachlaß. Frankfurt, o. J., S. 72.
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Schweikert, U. (1971). Der »Komet« und die Romantik. In: Jean Pauls »Komet«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02984-3_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02984-3_8
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