Zusammenfassung
Am deutlichsten zeigt sich die ironische Brechung, mit der Jean Paul im Komet sich selbst und seine eigenen Romane parodiert, in Amanda. In ihr hat sich vollendet, was als Anlage, als Möglichkeit bereits von Anfang an in allen Gestalten Jean Pauls vorhanden war: ganz und gar Innerlichkeit, Phantasiewesen oder eben — Literatur zu sein. Nikolaus Marggraf, der sich eine Welt erdichtet, macht hierin nicht einmal Halt vor der persönlichsten aller menschlichen Beziehungen, vor der Liebe. Denn den Gegensatz Phantasie — Wirklichkeit hat er auf einfache Weise gelöst: Die Phantasie ist ihm Wirklichkeit.
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Anmerkungen
So heißt es im Jubelsenior bezeichnenderweise: »Das Sehnen nach Liebe ist selber Liebe« (IV 470).
SW 1, XV, S. 460.
Günther Soffke, Raum und Zeit bei Jean Paul. Diss. phil. Bonn 1959, S. 115.
In der Schrift Über die natürliche Magie der Einbildungskraft (enthalten im Quintus Fixlein) heißt es: »So zieht das Fernrohr der Phantasie einen bunten Diffusionsraum um die glücklichen Inseln der Vergangenheit, um das gelobte Land der Zukunft« (IV 197).
Novalis, Schriften, hg. v. Paul Kluckhohn und Richard Samuel. 2., nach den Handschriften ergänzte, erweiterte und verbesserte Auflage in 4 Bdn; Band II, Stuttgart 1965, S. 650.
Denn »nichts ist schön als unsere Empfindung des Schönen, nicht der körperliche Gegenstand«, schreibt Jean Paul einmal im Kampaner Tal (IV 621).
In einem Brief an Otto vom 23. 6. 1799, wo es weiter heißt, daß er sich dies vom Tristram Shandy angewöhnt habe (SW 3, III, S. 207).
Klotilde im Hesperus (I 541) etwa; vgl. auch Selberlebensbeschreibung (VI 1074).
Kommerell, Jean Paul, S. 123.
Auch Renate Grötzebach (Humor und Satire bei Jean Paul) bezeichnet die Begegnung mit Amanda als »eine Begegnung, die keine war« (S. 91).
Vgl. eine Stelle aus den Palingenesien, wo ebenfalls, wie hier, Bienen und Lindenblüten im sprachlichen Bild zusammenstehen (IV 798).
Clemens Brentano, Werke, hg. v. Friedhelm Kemp, 4 Bde., München 1963 ff. Band III, S. 540.
SW 1, XV, S. XLIV.
Vgl. hierzu Werner Vordtriede, Novalis und die französischen Symbolisten, S. 91 ff. sowie, vom selben Verfasser: Das Problem des Dichters in Goethes Triumph der Empfindsamkeit, in: Monatshefte, Vol. XL, 1948, S. 149 ff.
Im Waldbruder wird sowohl auf Goethes Werther wie auch auf Wielands Idris und Zenide hingewiesen (J. M. R. Lenz, Gesammelte Schriften, hg. v. Franz Blei, München/Leipzig 1913, Band 5, S. 119). In Wielands Verserzählung aus dem Jahre 1768 verliebt sich Idris leidenschaftlich in eine Bildsäule, die falsche Zenide. Doch ist das Motiv hier noch nicht symbolisch verwandt. Jean Paul hat Idris und Zenide gekannt (vgl. SW 3, IX, S. 301).
J. M. R. Lenz, Gesammelte Schriften V, S. 142.
Werner Vordtriede, Novalis und die französischen Symbolisten, S. 92.
Ebda, S. 91.
Ebda, S. 92.
SW 1, I, S. 493 ff.
Zu berücksichtigen wäre allerdings auch, daß dies eine Anspielung auf Fichtes Ich-Lehre darstellt, man es also noch in anderem Zusammenhang interpretieren könnte.
Ernst Bloch, Spuren. Parabeln. Frankfurt 1964. Bibliothek Suhrkamp 54. S. 196.
Zur Spiegelmetapher vgl. Hans Keith, Spiegel und Spiegelung bei Jean Paul. Studien zu Sein und Schein in Persönlichkeit und Werk Jean Pauls. Diss. phil. München 1965, passim.
SW 2, I, S. 114 f.
Jean Paul meint mit dieser Anspielung Amöne Herold und Beata von Spangenberg SW 1, III, S. XXI f). Letztere gab schon das Vorbild zur Heloise wie zur Beata (Unsichtbare Loge) ab und geistert auch noch durch den Komet.
Vgl. hierzu den Bericht in Jean Pauls Persönlichkeit, S. 121; sowie SW 3, S. 65 bzw. 93. Ähnliche Kritik übte er auch an einem seiner Lieblingsbücher, Thümmels Reisen ins mittägliche Frankreich: »Ich verachte schon darum alle unsittlichen Zweideutigkeiten, weil es viel leichter ist, sie zu erfinden als zu vermeiden, in welchen letztern Fall unser unkeusches Jahrhundert jeden Autor setzt« (Kampaner Tal — IV 669).
Emil Staiger, Jean Paul: Titan. Vorstudien zu seiner Auslegung, S. 89.
So vergleicht er seine Frauenfiguren immer wieder mit Engeln, Heiligenbildern, Madonnen, Göttinnen, mit einer Nonne, mit der heiligen Jungfrau. Die Romane sind dann die »Andachtsbücher« (III 114), das Vorzimmer wird zum »Oratorium« (III 183), die Gedanken an die Geliebte zum »Rauchopferaltar« (III 183) u. dgl. mehr.
August Langen, Der Wortschatz des deutschen Pietismus. 2. Auflage, Tübingen 1968, S. 475.
Ebda.
Über Liane bemerkt Emil Staiger (a. a. O.) richtig: »Sie hatte die Sucht zu schwinden, sowohl in seelischer wie in leiblicher Hinsicht« (S. 63). Und über Seiina schreibt Jean Paul selbst: »Es gibt weibliche Wesen, von einer gewissen Heftigkeit bei aller Zartheit, mit einem schnellen Fieberpuls in allen Bewegungen, welcher Untergehen ankündigt; und so mußten Selinas Anstrengungen für alles Geliebte endlich in das körperliche, zu dünne Florkleid ihrer Seele Risse machen. So sucht das Ätherische immer den Äther, und nichts Zartes will bei uns bleiben« (VI 1157).
Vgl. Titan (III 478): »Es gibt eine doppelte Liebe, die der Empfindung und die des Gegenstandes. Jene ist mehr die männliche, sie will den Genuß ihres eigenen Daseins[!].« Die andere sei die weibliche und elterliche Liebe.
SW 3, II, S. 186.
Vgl. hierzu Robert Minder, Le problème de l’éxistence chez Jean Paul, S. 82.
Meret Riedtmann, Jean Pauls Briefe. Basler Studien z. dt. Sprachund Lit. Gesch. Bd. 8, Basel o. J., S. 26 f.
Vgl. hierzu Peter Horst Neumann, Jean Pauls Flegeljahre, S. 26 ff.
Elisabeth Endres, Jean Paul. Die Struktur seiner Einbildungskraft, S. 23.
Jean Paul’s Literarischer Nachlaß, I, 200.
Vgl. hierzu auch die pietistischen Belege bei August Langen, Der Wortschatz des deutschen Pietismus, S. 158 bzw. 437.
»Das Verhältnis zwischen Natalie und Lenette ist beispielhaft für das zwischen Phantasie und Wirklichkeit«, schreibt Elisabeth Endres, Jean Paul, S. 84. Vgl. auch Meret Riedtmann, Jean Pauls Briefe, S. 43.
Der Liebesbund zwischen Natalie und Siebenkäs wird nur dadurch ermöglicht, »daß beide glauben, einander im Diesseits nicht mehr zu sehen« (Herman Meyer, Der Sonderling in der deutschen Dichtung, München 1963, S. 88). Indirekt gesteht Jean Paul im Roman selbst ein, daß auch eine Ehe Siebenkäs’ mit Natalie scheitern müßte: »Das Bastband der Ehe bindet die poetischen Flügel, und das Ehebette ist für die Phantasie eine Engelsburg und ein Karzer bei Wasser und Brot« (II 546).
Jean Paul hatte eine gewisse Vorliebe für diesen Namen. Er taucht auf als Amandus in der Unsichtbaren Loge sowie im Katzenberger (VI 234 ff); als Amanda im Jubelsenior.
Paul Kluckhohn, Die Auffassung der Liebe in der Literatur des 18. Jahrhunderts und in der deutschen Romantik. 2. Auflage 1931, S. 250 f; vgl. für das Folgende dort die S. 246 ff.
Friedrich Schlegel, Kritische Schriften, S. 81.
»Ich wollte, der Teufel holte den sogenannten Geschlechtstrieb; er macht den besten Menschen an sich irre, und er denkt nicht an das Gute in sich selber«, lautet eine Notiz Jean Pauls (Jean-Paul-Jb. I, 1966, S. 14).
Walter H. Bruford, Kultur und Gesellschaft im klassischen Weimar 1775–1806. Göttingen 1966, S. 157.
Zitiert nach Robert Minder (Dichter in der Gesellschaft, S. 91), dem ich auch die Anregung dazu verdanke.
Heinrich Heine, Werke und Briefe, hg. v. Hans Kaufmann, Band 5, Berlin 1961, S. 129.
Ähnlich Renate Grötzebach, Humor und Satire bei Jean Paul, S. 182: »Der Erzähler meint, Liebe überhaupt suspekt gemacht zu haben durch das Verlachen einer Entgleisung. Völlig unreflektiert werden Nikolaus’ Pseudoliebe und personale Liebe identifiziert. […] das Falsche ist zugleich das Wahre: das Lächerliche und das Bewundernswerte sind identisch.«
Erwähnt sei noch die Parallele, die die Liebe Nikolaus’ zu Amanda in E. T. A. Hofmanns Erzählung Der Sandmann besitzt. Dort verfällt der Dichter Nathanael in Liebe zu der mechanischen Puppe Olympia. Als er ihre wahre Identität erkennt, wird er wahnsinnig. Auch er leidet an einer Hypertrophie des Innenlebens.
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Schweikert, U. (1971). Amanda oder die Puppe als Geliebte. In: Jean Pauls »Komet«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02984-3_4
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