Zusammenfassung
Die Erneuerung in der Kunst des neunzehnten Jahrhunderts hat überall beim Impressionismus gelegen. Den momentanen Eindruck zu fixieren: keine Zeit hat in dem Grade diese Leidenschaft gehabt als die unsrige. Es kam wie ein neues Hellseherthum über die Menschheit. Im scheinbar Bedeutungslosesten wollte man das Bedeutende, im Flüchtigsten das Ewige fangen. Man sagte sich : Wenn die Ewigkeit nicht in der Secunde liegt, in der Aneinanderreihung von Stunden, Wochen und Jahren, werden wir sie nimmermehr finden! Und so entstand diese leidenschaftliche Sucht, das Unmittelbarste zu erraffen, Nerven, Augen und Ohren in ihrer Aufnahme- und Empfindungsfähigkeit ins Niedagewesene zu steigern. Die Photographie mußte uns die momentanen Lichteindrücke aufschreiben, der Phonograph die vorübereilenden Hörlaute festhalten. Und alles muß mit wissenschaftlicher Genauigkeit geschehen. Selbst die unbewußt kommenden Empfindungen, wie sie im Spiel unserer Nerven, in der Bewegung unseres Blutes sich äußern, wollen wir wägen und messen lernen, und scharfsinnig erdachte Apparate sind angefertigt worden, um derlei Zwecken zu dienen. Bis in winzigste Bruchtheile von Secunden will man controlieren, was in uns und um uns vorgeht, um es dann später mit unendlicher Mühe, wie im Kosmographen etwa, zu etwas leidlich Ganzem wieder zusammenzusetzen. Und auch auf geistigem Gebiete trat der Impressionismus die Herrschaft an : In Nietzsche, dem genialsten aller Aphoristiker, haben wir einen impressionistischen Philosophen, der die zeitlose Abstraction und Construction verwarf und die Weisheit in der prismatischen Strahlenbrechung ihres ersten unmittelbarsten Aufleuchtens zu zeigen verstand.1
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Servaes, F. (1981). »Impressionistische Lyrik«. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Manifeste und Dokumente zur deutschen Literatur 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02976-8_4
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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