Zusammenfassung
Mozarts Idomeneo handelt in mythologischer Gestalt von der Besänftigung des Meeres. Wodurch Idomeneo, der König von Kreta, den todbringenden Zorn des Meeresgottes Neptun auf sich gezogen hat, wird im Libretto von Mozarts Oper nicht ausgesprochen. Neptun (griechisch Poseidon) ist, wie aus Homers Ilias bekannt, ein griechenfreundlicher Gott und hat deshalb zum Sieg der Griechen über die Trojaner auch nicht wenig beigetragen; so wäre denn zu erwarten gewesen, daß er Idomeneo, einen der tapfersten Helden der Griechen vor Troja, in Ruhe hätte nach Hause ziehen lassen. Dafür, daß es anders kommt und Idomeneo auf der Rückfahrt in einen fürchterlichen Seesturm gerät, weiß Varescos Libretto keinen Grund. Zwar sagt Idomeneos Vertrauter Arbace zu Beginn des zweiten Aktes, Neptun habe »a’ danni tuoi, ad Eolo unito, e a Giove« (mit Äolus und Jupiter im Bunde gegen dich)1 seine Elemente aufgepeitscht, doch heißt dies keineswegs, Neptun habe im Auftrag des Göttervaters Jupiter gehandelt. Arbace will damit nur sagen, daß die Gewalt des Meeres sich mit dem Sturm (Äolus, dem König der Winde) sowie Blitz und Donner (Jupiter) zu einem gemeinsamen Vernichtungswerk verbunden hatte; die Götter sind hier nur noch Allegorien für die Naturgewalten. Daß Varescos Libretto darauf verzichtet, Neptuns Toben mythologisch zu motivieren, mochte deshalb auch ganz der Erfahrung der aufgeklärten Gesellschaft des Jahres 1781 entsprechen: Die Gewalt des Meeres ist unberechenbar, sie herrscht über Gerechte und Ungerechte, Hohe und Niedere, Schuldige und Unschuldige auf die gleiche unvorhersehbare Weise, gewährt hier dem einen unvorstellbare Reichtümer, reißt dort den anderen in den Untergang, ohne daß dahinter noch eine göttliche Vernunft oder eine Heilsordnung erkennbar wäre.
»Il mare poco a poco si calma.«
Idomeneo I, 8.
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Anmerkungen
Wolfgang Amadeus Mozart, Idomeneo, Rè di Creta. Dramma per musica in tre atti. Libretto: Giambattista Varesco. Im folgenden zitiert nach dem Booklet der Aufnahme von John Eliot Gardiner und The Monteverdi Choir/The English Baroque Soloists, London, Queen Elizabeth Hall, DG 431 674–2, 1991.
André Campra, Idoménée. Tragédie lyrique en un prologue et cinq actes sur un livret d’Antoine Danchet. Version 1731. Im folgenden zitiert nach dem Booklet der Aufnahme von William Christie und Les Arts Florissants, Festival d’Aix-en-Provence 1991.
Vgl. u.a. Jean-Jaques Rousseaus Romane Julie ou la Nouvelle Heloïse (1761) und Émile ou de l’éducation (1762).
Vgl. Johann Joachim Winckelmann, Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst. Erste Ausgabe 1755 mit Oesers Vignetten. Reprint der Ausgabe von 1885, Nendeln/Liechtenstein 1968 (Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19 Jahrhunderts in Neudrucken hg. von Bernhard Seuffert, 20), S. 24/26.
Johann Joachim Winckelmann, Die Geschichte der Kunst des Altertums, Darmstadt 1982, S. 165.
Johann Joachim Winckelmann, Beschreibung des Torso im Belvedere zu Rom, in: Johann Joachim Winckelmann, Kunsttheoretische Schriften X. Kleine Schriften, Faksimiledruck der Erstausgaben, Baden-Baden 1971, S. 33–41, Mer: S. 37.
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Osterkamp, E. (2003). Idomeneo oder Die Beruhigung des Meeres Mozarts Oper im Zeichen der Aufklärung. In: Krellmann, H., Schläder, J. (eds) »Der moderne Komponist baut auf der Wahrheit«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02925-6_24
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