Geschichtsspekulation als Weltanschauungsliteratur. Zu Oswald Spenglers Der Untergang des Abendlandes

Zusammenfassung

Oswald Spenglers Der Untergang des Abendlandes ist bislang vornehmlich unter zwei Gesichtspunkten erörtert worden. Die Frühphase der Rezeption ist von der Auseinandersetzung um die sachliche Geltung des Werkes bestimmt. Diese Diskussion ist gegenwärtig weitgehend erloschen.¹ Die ideen- oder ideologiegeschichtliche Forschung, die sich eines prominenten Werkes zu bemächtigen pflegt, sobald es seine Aktualität verloren hat, hat vor allem die Position Spenglers innerhalb der antidemokratischen Rechten der Weimarer Republik, des weiteren auch sonstige ‚Einflüsse‘ untersucht.² Die vorliegende Skizze wird die Ergebnisse dieser mehr am Gehalt orientierten Ansätze nutzen, die Problemstellung aber umakzentuieren und nach der Strukturierung und Präsentation dieser Gehalte fragen. Leitende These ist dabei, daß Der Untergang des Abendlandes einer relevanten Wissensformation der damaligen Zeit, der ‚Weltanschauung auf wissenschaftlicher Grundlage‘, zugeschrieben werden kann. Die Vermittlung von Weltanschauungswissen bedient sich gewisser Darstellungsverfahren, die funktional auf immanente Aporien der Wissensformation bezogen sind und die sich insgesamt zu einem relativ konstanten und identifizierbaren Texttyp konfigurieren, der hier ‚Weltanschauungsliteratur‘ genannt sei.³