Zusammenfassung
Mit der Frühen Moderne fängt vieles an: unter anderem auch eine neuartige Form des Redens über Sexualität sowohl in theoretischen Diskursen wie in der Literatur der Epoche. Die geradezu explosive Art der Vermehrung der Texte über Sexualität in unserem Zeitraum ist bekannt; sehr unterschiedliche Diskurse — der gerichtsmedizinisch-psychiatrische, der psychologisch-psychoanalytische, der soziologisch-ethnologische (auf den sie alle immer als Materialbasis rekurrieren), schließlich ein den Rang einer eigenständigen neuen Disziplin beanspruchender „sexualwissenschaftlicher“ Diskurs1 — tragen zur Konstituierung dieses neuen kulturellen Objektbereichs ‚Sexualität‘ bei.
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Literaturverzeichnis
Teil 1: Theoretische Texte
1857 Ambroise Tardieu: Etude médico-légale sur les attentats aux mœurs.
1864 Karl Heinz Ulrichs: Vindex. Social-juristische Studien über mannmännliche Geschlechtsliebe.
1869 Carl Westphal: Die conträre Sexualempfindung. Symptom eines neuropathischen Zustands. In: Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
1869 Karl Maria Kertbeny (anon.): § 143 des Preußischen Strafgesetzbuches. Ders. (anon): Das Gemeinschädliche des § 143.
1882 Victor Magnan: Inversion du sens génital et autres perversions sexuelles.
1885 Julien Chevalier: De l’inversion de l’instinct sexuel au point de vue médicolégal.
1886 Richard von Krafft-Ebing: Psychopathia sexualis (zitierte Ausgabe: Reprint der 14. Aufl. München 1997).
1891 Albert Moll: Die konträre Sexualempfindung.
1892 A. v. Schrenck-Notzing: Die Suggestionstherapie bei krankhaften Erscheinungen des Geschlechtssinnes mit besonderer Berücksichtigung der konträren Sexualempfindung.
1895 Richard von Krafft-Ebing: Der Conträrsexuale vor dem Strafgericht.
1897 Havelock Ellis: Studies in the Psychology of Sex.
1899 Magnus Hirschfeld (Hg.): Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen (1899–1923).
1903 Otto Weininger: Geschlecht und Charakter.
1905 Sigmund Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. Darin: Die sexuellen Abirrungen (zitierte Ausgabe: Ders.: Studienausgabe, Bd. V, Sexualleben, 6. Aufl. Frankfurt a. M. 1989).
1910 Magnus Hirschfeld: Der Transvestitismus.
1911 Ferdinand Karsch-Haack: Das gleichgeschlechtliche Leben der Naturvölker.
1912 Carl Gustav Jung: Wandlungen und Symbole der Libido.
1912 Albert Moll (Hg): Handbuch der Sexualwissenschaften (21921).
1914 Magnus Hirschfeld: Die Homosexualität des Mannes und des Weibes (zitierte Ausgabe: Reprint der 1. Aufl. Berlin, New York 1984, mit einer kommentierenden Einleitung von Erwin J. Haeberle, S. V–XXV).
1914 Sándor Ferenczi: Zur Nosologie der männlichen Homosexualität. In: Schriften zur Psychoanalyse, Frankfurt a. M. 1970, Bd. I, S. 184–197.
1916 Eugen Bleuler: Lehrbuch der Psychiatrie (41923).
1917 Alfred Adler: Das Problem der Homosexualität (in: Adler 1930).
1919 Hans Blüher: Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Bd. I: Der Typus inversus.
1921 Carl Gustav Jung: Psychologische Typen (zitierte Ausgabe: Ders.: Typologie, dtv 35122, München 1990).
1925 Wilhelm Reich: Der triebhafte Charakter.
1930 Alfred Adler: Das Problem der Homosexualität. Erotisches Training und erotischer Rückzug.
1930 Otto Fenichel: Zur Psychologie des Transvestitismus (Int. Zs. f. Psychoanalyse XVI, Reprint 1992).
1931 Otto Fenichel: Perversionen, Psychosen und Charakterstörungen. 1933 Wilhelm Reich: Charakteranalyse.
1936 Carl Gustav Jung: Über den Archetypus mit besonderer Berücksichtigung des Animabegriffes (zitierte Ausgabe: Ders.: Archetypen, dtv 35125, München 1990: S. 57–74).
1938 Magnus Hirschfeld: Geschlechtsanomalien und Perversionen.
Teil 2: Literarische Texte
1902 Toni Schwabe: Die Hochzeit der Esther Franzenius.
1903 Heinrich Mann: Die Jagd nach Liebe.
1903 Frank Wedekind: Die Büchse der Pandora.
1905 Heinrich Mann: Professor Unrat.
1906 Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß.
1906 Hugo von Hofmannsthal: Ödipus und die Sphinx.
1906 Anonym: Josefine Mutzenbacher: Die Lebensgeschichte einer wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt.
1909 Hanns Heinz Ewers: Der Zauberlehrling oder Die Teufelsjäger.
1911 Robert Musil: Die Vollendung der Liebe.
1911 Hanns Heinz Ewers: Alraune. Die Geschichte eines lebendigen Wesens.
1912 Hermann Essig: Der Überteufel.
1912 Frank Wedekind: Franziska. Modernes Mysterium.
1913 Arthur Schnitzler: Frau Beate und ihr Sohn.
1913 Albert Paris Gütersloh: Die tanzende Törin.
1913 Thomas Mann: Der Tod in Venedig.
1915 Gustav Meyrink: Der Golem.
1916 Gustav Meyrink: Das Grüne Gesicht.
1916 Franz Kafka: Das Urteil.
1918 Heinrich Mann: Der Untertan.
1919 Alfred Döblin: Der schwarze Vorhang.
1919 Hermann Hesse: Demian.
1919 Hans Henny Jahnn: Pastor Ephraim Magnus.
1920 Stefan Zweig: Angst.
1920 Ernst Weiß: Stern der Dämonen.
1921 Thomas Mann: Wälsungenblut.
1921 Hanns Heinz Ewers: Vampir.
1921 Franz Spunda: Devachan.
1922 Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull.
1922 Hans Henny Jahnn: Der Arzt/Sein Weib/Sein Sohn.
1923 Frank Thiess: Die Verdammten.
1923 Ernst Weiß: Hodin.
1924 Alfred Döblin: Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord.
1924 Thomas Mann: Der Zauberberg.
1925 Gustav Meyrink: Meister Leonhard.
1925 Franz Kafka: Der Prozeß.
1926 Franz Kafka: Das Schloß.
1927 Gustav Meyrink: Der Engel vom westlichen Fenster.
1927 Hermann Hesse: Der Steppenwolf.
1927 Stefan Zweig: Verwirrung der Gefühle.
1928 Ferdinand Bruckner: Krankheit der Jugend.
1928 Hanns Heinz Ewers: Fundvogel.
1928 Jakob Wassermann: Der Fall Maurizius.
1929 Leonhard Frank: Bruder und Schwester.
1929 Ferdinand Bruckner: Die Verbrecher.
1929 Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz.
1929 Friedrich Wolf: Cyankali. Paragraph 218.
1930 Hermann Wiedmer: Die Verwandlungen des Walter von Tillo.
1930 Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften (1930–43).
1931 Hermann Broch: Die Schlafwandler, Bd. II: Esch oder die Anarchie.
1931 Erich Kästner: Fabian. Die Geschichte eines Moralisten.
1931 Oskar Maria Graf: Bolwieser. Geschichte eines Ehemannes.
1933 Ernst von Salomon: Die Kadetten.
1934 Friedo Lampe: Am Rande der Nacht.
Teil 3: Wissenschaftliche Literatur
Anz, Thomas (Hg.), 1999a: Psychoanalyse in der modernen Literatur. Kooperation und Konkurrenz. Bamberg.
Ders., 1999b: Die Seele als Kriegsschauplatz. Psychoanalytische und literarische Beschreibungen eines Kampfes. In: Anz 1999a, S. 97–108.
Deleuze, Gilles, 1980: Sacher-Masoch und der Masochismus. Studie. In: Leopold von Sacher-Masoch: Venus im Pelz, it 469, Frankfurt/Main 1980, S. 163–181.
Detering, Heinrich, 1994: Das offene Geheimnis. Zur literarischen Produktivität eines Tabus von Winckelmann bis Thomas Mann. Göttingen.
Foucault, Michel, 1998: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit. Band 1. Übersetzt von Ulrich Raulff und Walter Seitter. Frankfurt/Main.
Krah, Hans, 1999: Freundschaft oder Männerliebe? Heinrich Hösslis Eros. Die Männerliebe der Griechen, ihre Beziehungen zur Geschichte, Erziehung, Literatur und Gesetzgebung aller Zeiten (1836/38) im diskursgeschichtlichen Kontext. In: Jahrbuch Forum Vormärz Forschung. „Emanzipation des Fleisches“. Erotik und Sexualität im Vormärz, 1999, 5. Jg., S. 185–221.
Lindner, Martin, 1999: Der Mythos ‚Lustmord‘. Serienmörder in der deutschen Literatur, dem Film und der bildenden Kunst zwischen 1892 und 1932. In: Linder/Ort 1999, S. 273–305.
Linder, Joachim, und Ort, Claus-Michael (Hg.), 1999: Verbrechen — Justiz — Medien. Konstellationen in Deutschland von 1900 bis zur Gegenwart. Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur. Bd. 70. Tübingen.
Link, Jürgen, 1997: Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird. Opladen.
Thomé, Horst, 1993: Autonomes Ich und ‚Inneres Ausland‘. Studien über Realismus, Tiefenpsychologie und Psychiatrie in deutschen Erzähltexten (1848–1914). Hermaea. Germanistische Forschungen. Neue Folge. Bd. 70. Tübingen.
Titzmann, Michael, 1989: Das Konzept der ‚Person‘ und ihrer ‚Identität‘ in der deutschen Literatur um 1900. In: Manfred Pfister (Hg.): Die Modernisierung des Ich. Passau 1989, S. 36–52.
Ders., 1991: Literarische Strukturen und kulturelles Wissen: Das Beispiel inzestuöser Situationen in der Erzählliteratur der Goethezeit und ihrer Funktionen im Denksystem der Epoche. In: Jörg Schönert (Hg.): Erzählte Kriminalität. Tübingen 1991, S. 229–281.
Ders., 1999a: Das Drama des Expressionismus im Kontext der Frühen Moderne und die Funktion dargestellter Delinquenz. In: Linder/Ort 1999, S. 217–272.
Ders., 1999b: Psychoanalytisches Wissen und literarische Darstellungsformen des Unbewußten in der Frühen Moderne. In: Anz 1999a, S. 183–217.
Wernz, Corinna, 1993: Sexualität als Krankheit. Der medizinische Diskurs zur Sexualität um 1800. Beiträge zur Sexualforschung. Bd. 67. Stuttgart.
Wünsch, Marianne, 1990: Regeln erotischer Beziehungen in Erzähltexten der Frühen Moderne und ihr theoretischer Status. In: Spiel (= Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft) 9, H. 1, S. 131–172.
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Wünsch, M. (2002). Sexuelle Abweichungen im theoretischen Diskurs und in der Literatur der Frühen Moderne. In: Maillard, C., Titzmann, M. (eds) Literatur und Wissen(schaften) 1890–1935. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02901-0_14
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