Zusammenfassung
Nach der Veröffentlichung ihres jüngsten Romans Gier wurde Elfriede Jelinek von literaturwissenschaftlicher Seite vorgeworfen, sich nur noch selber zu wiederholen, dabei aber immer schlechter zu schreiben. Sie klopfe die Sprache bloß auf ihre „Kalauerfähigkeit“ ab, lasse „Metaphern kalkuliert danebengehen“, „Pointen verpuffen, […] Sätze entgleiten“ und gefalle sich zudem in den „Possen“ der „Selbstbeschimpfung“ |01|. Während der Verriß darin gipfelte, Jelineks kritischer Demaskierung einen unmenschlichen Stil vorzuwerfen, bescheinigte eine ‘altlinke’ Position dem Buch humanen Realismus in der Tradition der „europäischen Moderne“. Trotz ihrer hermetischen Züge sei diese „mit der geschundenen Kreatur mitfühlende Prosa [wie] ein Trichter, durch den die Wirklichkeit aufs Papier stürzt“ |02|. Wäre die Büchnerpreis-Trägerin von 1998, eine international anerkannte Schriftstellerin, die sich auch auf dem Feld der Frauenliteratur einen Namen machte, mithin zur Zynikerin oder gar zur ‘großen Liebenden’ geworden?
Ruhe. Jetzt spreche ICH. Und ich spreche als Frau. Ich möchte auch einmal etwas sagen dürfen, wenn ich schon die ganze Zeit schreiben muß, denn das Sagen des Unsagbaren gehört dazu. […] Ich stehe bei diesem Problem ganz bestimmt nicht hinter Ihnen. Auch nicht hinter mir. Ich stehe nirgends. Ich würde ja selbst lieber etwas andres tun als immer nur lesen. |03|
„Es entlarvt uns selbst, indem wir andere entlarven.“ Elfriede Jelinek
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Runte, A. (2002). Postfeministisches Schreiben? Zu Elfriede Jelineks satirischer Prosa. In: Baisch, K., Kappert, I., Schuller, M., Strowick, E., Gutjahr, O. (eds) Gender Revisited. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02878-5_4
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