Zusammenfassung
Im August 1914 begann Kafka mit der Niederschrift seines Prozeß-Romans, wenige Wochen nach der ersten, am 1. Juni geschlossenen Verlobung mit Felice Bauer in Berlin. Dieses Ereignis hatte er fünf Tage später, zurückgekehrt nach Prag, in seinem Tagebuch in düsteren Bildern kommentiert:
Aus Berlin zurück. War gebunden wie ein Verbrecher. Hätte man mich mit wirklichen Ketten in einen Winkel gesetzt und Gendarmen vor mich gestellt und mich nur auf diese Weise zuschauen lassen, es wäre nicht ärger gewesen.1
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Notizen
Franz Kafka: Tagebücher. Hg. von Hans-Gerd Koch u.a. Frankfurt/M. 1990, S. 528 f. (Tagebucheintrag vom 6.6.1914).
Franz Kafka: Der Proceß. Hg. von Malcolm Pasley. Frankfurt/M. 1990, S. 312. Im folgenden wird aus dieser Ausgabe — mit Angabe der Sigle ›P‹ und der entsprechenden Seitenzahl im Text — zitiert. Die 1997 im Verlag Stroemfeld/Roter Stern erschienene historisch-kritische Ausgabe Der Process (16 Hefte; Faksimile und Transkription), hg. von Roland Reuß unter Mitarbeit von Peter Staengle, ist, da sie den Textbefund ohne Eingriffe wiedergibt, zwar im einzelnen genauer als die Ausgabe Pasleys, bietet aber für die hier verwendeten Zitate und für den zu berücksichtigenden Zusammenhang der Romanteile keine so erheblichen Vorteile, daß auf sie bei der folgenden Darstellung hätte zurückgegriffen werden müssen.
Vgl. Franz Kafka: Der Proceß. Apparatband. Hg. von Malcolm Pasley. Frankfurt/M. 1990, S. 111–123.
Franz Kafka: Briefe an Felice und andere Korrespondenz aus der Verlobungszeit. Hg. von Erich Heller und Jürgen Born. Frankfurt/M. 1967, S. 615.
Goethes Werke (Weimarer Ausgabe). Abt. I, Bd. 42.2 (1907), S. 146.
Vgl. dazu Spellings Bestimmung in seiner Philosophie der Kunst: »Darstellung des Absoluten mit absoluter Indifferenz des Allgemeinen und Besonderen imBesonderenist nur symbolisch möglich.« (Schellings Werke. Hg. von Manfred Schröter. Bd. 5. München 1927, S. 426).
Josef K.s Kampf gegen das (vermeintliche) Gericht und seine (vermeintlichen) Angestellten erscheint gelegentlich als Kampf um des Kampfes willen, also ohne rechtes Ziel. Der Frau des Gerichtsdieners erklärt er, bevor er eine Ahnung vom Gericht selbst hat, sie gehöre »zu der Gesellschaft, die ich bekämpfen muß« (P 78); »die Verderbnis dieses Gerichtswesens zu bekämpfen« (P 115), hat er, wie er glaubt, mit seiner Vorstellung im (vermeintlichen) Untersuchungszimmer schon begonnen. Daß mit dem Kampf auch Niederlagen verbunden sind, erfährt K. schnell. »Wenn er zuhause bliebe und sein gewohntes Leben führen würde« (P 86), könnte es dazu nicht kommen; aber K. will nun einmal den Kampf — Don Quijote und die Windmühlen. — Josef K. wird in seiner fragwürdigen Kampfbegier in Kafkas nächstem Roman Das Schloß von K. noch übertroffen. Vgl. dazu Norbert Oellers: Notwendig, aber sinnlos. K.s Kampf ums Schloß, im Schnee. In: Friedhelm Marx/Andreas Meier (Hg.): Der europäische Roman zwischen Aufklärung und Postmoderne. Festschrift zum 65. Geburtstag von Jürgen C. Jacobs. Weimar 2001, S. 175–190.
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Oellers, N. (2002). Das ferne Gesetz. Ansichten zu Franz Kafkas Der Proceß. In: Borsò, V., Cepl-Kaufmann, G., Reinlein, T., Schönborn, S., Viehöver, V. (eds) Schriftgedächtnis — Schriftkulturen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02870-9_10
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02870-9_10
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-45279-5
Online ISBN: 978-3-476-02870-9
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