Zusammenfassung
Im Jahr der Münchner Tristan-Premiere 1865 veröffentliche Charles Edmond Coussemaker seine für die Erforschung früher Polyphonie richtunggebenden zwei Bände Les harmonistes des XIIe et XIIIe siècles und L’art harmonique aux XIIe et XIIIe siècles, deren musikalische Substanz ästhetisch betrachtet wenig mehr als ein an sich interessantes, aber ganz offensichtlich primitives Entwicklungsstadium französischer Mehrstimmigkeit zu vertreten schien. Inzwischen aber hatte auch Hermann Helmholtz in Deutschland Erstaunen erregt mit der Feststellung, daß die auf einem jeweils frei gewählten Grundton beruhende Tonalität „nicht auf unveränderlichen Naturgesetzen beruht, sondern […] zum Teil auch die Konsequenz ästhetischer Prinzipien ist”.1 Und als Richard Wagner dann seine unterbrochene Arbeit am Ring-Zyklus wieder aufnahm, häuften sich bereits Zweifel an der Allgemeingültigkeit der tonalen Harmonik. Denn abgesehen von den Lehren musikwissenschaftlicher Entdeckungen zuvor unbekannter Regionen europäischer und außereuropäischer Musik gaben gerade zeitgenössische Entwicklungen Anlaß zu einer gründlichen Revision hergebrachter Gesichtspunkte, nicht zuletzt in Bezug auf die Voraussetzungen der akademischen Harmonielehre.
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Notizen
Hermann von Helmholtz, Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik Braunschweig 61913, Nachdruck Hildesheim 1968, S. 386.
Arnold Schönberg, Harmonielehre, Wien 31922, S. 5f.
François-Joseph Fétis, Traité complet de la théorie et de la pratique de l’harmonie, Paris 1844, S. 249.
Vincent d’Indy, Cours de composition musicale, Premier Livre, redigé avec la collaboration de Auguste Sérieux, Paris 1912, S. 91.
Zu Max Regers theoretischen Ansichten vgl. Hermann Grabner, Regers Harmonik, Wiesbaden 21961.
Ernst Kurth, Romantische Harmonik und ihre Krise in Wagners “Tristan”, Berlin 21923, S. 11.
Ernst Kurth, Die Voraussetzungen der theoretischen Harmonik und der tonalen Darstellungssysteme, München 21973, S. 125.
Sigfrid Karg-Elert, Die Grundlagen der Musiktheorie, Teil II: Harmonielehre, Leipzig 21921, S. VII. (Der Titel „Neue Bahnen der Harmonik und ihrer Lehre“ fehlt in dieser Ausgabe.)
Vgl. Richard Wagner, „Das Kunstwerk der Zukunft“, in: Gesammelte Schriften und Dichtungen, Bd. 3, Leipzig 31897, S. 83.
Vgl. Natalie Bauer-Lechner, Erinnerungen an Gustav Mahler, Leipzig usw. 1923, S. 16.
Vgl. Rudolf Stephan, „Franz Schreker“, in: Art Nouveau. Jugendstil und Musik, hg. von Jürg Stenzl, Zürich 1980, S. 183: „Der Begriff des Klanges, wie Schreker ihn, seinen eigenen Worten zufolge, selbst versteht, muß als Gegenbegriff zu dem gelten, was Arnold Schönberg den musikalischen Gedanken nennt.“
Josef Rufer, Das Werk Arnold Schönbergs, Kassel usw. 1959, S. 79.
Rights and permissions
Copyright information
© 2002 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Ringer, A.L. (2002). Klang und Farbe, Melodie und Linie. In: Arnold Schönberg Das Leben im Werk. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02864-8_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02864-8_5
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-01906-6
Online ISBN: 978-3-476-02864-8
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)