Zusammenfassung
Eines der auffälligsten Merkmale des Faust II bildet die Präsenz umfassender und beeindruckender Wissensbestände, die Goethe in dieses Werk „hineingeheimnisset“1 hat. Obwohl die zahllosen offenen und versteckten Bezüge des Dramas von der Faustforschung längst aufgedeckt wurden, bleibt es weiterhin umstritten, welche Funktion, welche Voraussetzungen und welchen literaturgeschichtlichen Stellenwert eine solche Praxis des Schreibens haben könnte, die darin besteht, den poetischen Text im ständigen kommunikativen Austausch mit dem Wissen der Zeit zu vernetzen.2 In der Forschung ging man lange stillschweigend davon aus, daß diese Wissenselemente als solche höchstens die Bedeutung von ,Quellen‘, ,Stoffen‘ oder ,Einflüssen‘ besitzen, deren Kenntnis zwar zum Verständnis des Dramas hilfreich sein mag, die aber doch nicht für sich selbst den Rang eines eigenständigen Bedeutungsträgers einnehmen können. Erst Albrecht Schöne hat im Kommentar zu seiner Ausgabe des Faust diesen Schritt getan und sich dabei auf eine populäre Äußerung Goethes bezogen, in der dieser sein Werk gegenüber seinem französischen Hausfreund Frédéric Soret als das eines ,etre collectif‘ bezeichnete.3 War diese Selbstcharakteristik auf das gesamte Œuvre bezogen, so gibt Schöne ihr eine poetologische Wendung. Goethes Bemerkung treffe in besonderem Maße auf Faust zu, da dieses Drama wie kaum ein anderes Werk Goethes sich auf eine Pluralität unterschiedlichster freiwilliger und unfreiwilliger ,Ko-Autoren‘ stütze.
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Notizen
Vgl. neuerdings zu diesem Problem auch die Aufsätze von Christoph König: Wissensvontellungen in Goethes „Fassst II“. In: Euphorion 93 (1999), S. 227–249, und Gemot Böhme: Kann man Goethes „Faust“ in der Tradition des Lehmedichts lesen? In: GJb 2000, S. 67–77.
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Schneider, S. (2003). Mnemonische Imaginationen in Goethes „Faust II“. Eine Lektüre der Klassischen Walpurgisnacht. In: Golz, J., Zehm, E. (eds) Goethe-Jahrbuch. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02862-4_5
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