Irmgard Egger: Diätetik und Askese. Zur Dialektik der Auflkliirung in Goethes Romanen. München 2001, 284 S.

Zusammenfassung

Der Mentalitätswechsel zur Moderne in der ebenso hellsichtigen wie kritischen und betroffenen Sicht Goethes ist Gegenstand von Irmgard Eggers großer und erhellenden Studie, einer Wiener Habilita-tionsschrift. Er bestimmt in bisher kaum im Ansatz wahrgenommener Weise die Wilhelm tLfeister-Romane und die Wahlverwandtschaften. Die geheimnisvollen Lebensarten und Todesfälle ihrer Fi-gurenensembles sind, wie hier nachgewiesen wird, von zwei Paradigmen wesentlich geprägt: von philosophisch-religiöser Askese und von laizistischer Diätetik. Beide haben ihren Ursprung in der An-tike, haben sich aber seit dem christlichen Mittelalter und der Renaissance kontinuierlich erneuert und gehören zu den Momenten, die die Anthropologie des philosophischen Jahrhunderts und der Goethe-zeit beeinflussen und bis ins 19. Jahrhundert weiterwirken. Egger versteht sie im Sinne Foucauks als Diskurse, mit denen Goethe nachweislich aufs genaueste vertraut war und deren Geltung und Wir-kung er in seinem Werk bestätigte, ohne ihnen zuzustimmen. Der mentalitäts- und diskursgeschicht-liche Zugang wird mit Goethes vielzitierter Äußerung gegenüber Frédéric Soret legitimiert: „Mon ceuvre est celle d’un être collectif, et elle porte le nom de Goethe“, die im Untersuchungszusammen-hang eine präzise und weitreichende Bedeutung erhält.