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Der junge Goethe und Jean-Jacques Rousseau

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Book cover Goethe-Jahrbuch
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Zusammenfassung

1. Wenn man bedenkt, welch unerhörtes Phänomen Rousseaus Kukurpessimismus im Rahmen der europäischen Aufklärung darstellte, ist Goethes Wortkargheit in der Wiirdigung von Rousseaus Einfluß auf das eigene Schaffen nahezu befremdend. Die Gründe für diesen Mangel an ausdrücklichen und eindeutigen Stellungnahmen von seiten Goethes, wenn man von seinen botanischen Interessen absieht2, mögen einfach mit jenem Rezeptionsvorgang erklärt werden, den Harold Bloom als Einflußangst beschrieben hat3. Es liegt aber auch die Vermutung nahe, Goethe habe nach 1789 im Autor des Contrat social den Vorläufer der Französischen Revolution samt ihren Greueltaten erblickt und konsequenterweise von ihm Abstand genommen. Zu dieser Annahme veranlaßt folgender Passus aus Dichtung und Wahrheit:

Diderot war nahe genug mit uns verwandt; […]. Seine Naturkinder […] behagten uns gar sehr, seine wackeren Wilddiebe und Schleichhändler entzückten uns, und dieses Ge-sindel hat in der Folge auf dem deutschen Parnaß nur allzu sehr gewuchert. So war er es denn auch, der, wie Rousseau, von dem geselligen Leben einen Ekelbegriff verbreitete, eine stille Einleitung zu jenen ungeheueren Weltveränderungen, in welchen alles Bestehende unterzugehen schien. (HA 9, S. 487–488)

Rousseau wird hier zunächst aus der Perspektive der Begebenheiten von 1789 ausgelegt, was übrigens seit Louis Sébastien Merciers De Jean-Jacques Rousseau considere comme l’un des premiers philosophes de la Revolution (1792) durchaus legitim ist.

Die Zitate aus den Werken Rousseaus sind folgender Ausgabe entnommen: CEuvres Complètes de Jean-Jacques Rousseau. Edition de la Pléiade, publiée sous la direction de B. Gagnebin et M. Raymond. Paris 1959–1969; im Text sind sie mit der Abkürzung OC, Angabe des Bandes und der Seitenzahl belegt. Die Zitate aus La nouvelle Héloϊse sind mit der Abkürzung NH, Angabe der Abteilung und des Briefes belegt. Die Zitate aus den Werken Rousseaus in der deutschen Fassung sind mit folgenden Abkürzungen und Angabe der Seitenzahl belegt: AU = Abhandlung über den Ur-sprung und die Grundlagen der Unglekhheit unter den Menscben; AW = Abhandlung über die Wis-senschaften und Künste; N = Vorrede zu „Narcisse“. In: Jean-Jacques Rousseau: Scbriften. Bd. 1. Hrsg. von Henning Ritter. Frankfurt/M. 1988; E = Emil oder über die Erziehung. Hrsg. von Lud-wig Schmidts. Paderborn u. a. 1995; NH = Julie oder Die neue Héloϊse. München 1978. Falls keine deutsche Ausgabe vorhanden ist oder Übersetzungsfehler anzutreffen waren, habe ich selbst für die Übertragung gesorgt. Es liegt leider noch keine vollständige deutsche Werkausgabe der Schriften Rousseaus vor.

Weitere Abkürzungen: HK = Johann Gottfried Herder: Werke in zehn Bänden. Hrsg. von Günter Arnold u. a. Frankfurt/M. 1985 ff.; HS = Johann Gottfried Herder: Sämdiche Werke. Hrsg. von Bernhard Suphan. Hildesheim, New York 1967/68; KSA = Friedrich Nietzsche: Sämdiche Werke. Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Giorgio Colli u. Mazzino Montinari. Berlin, New York 1988. Hervorhebungen in den Zitaten stammen größtenteils von mir.

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Notizen

  1. Vgl. Hans Robert Jauß: Ästhetische Erfahnsng und literarische Henneneutik. Frankfutt/M. 1987, S. 624–625.

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  2. Ralph Rainer Wuthenow: Rousseau im „Sturm und Drang“. In: Walter Hinck (Hrsg.): Sturm und Drang. Frankfurt/M. 1989, S. 20.

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  3. Zu dieser Auslegung der Mitschuldigen und zur Rolle des Leipziger Hedonismus beim jungen Goethe vgl. Giuliano Baioni: Il giovane Goethe. Torino 1996.

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  4. Siehe Der junge Goethe. Hrsg. von Hanna Fischer-Lamberg. Bd. 1. Berlin 1963, S. 291.

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  5. Vgl. André François Boureau-Deslandes: Pygmalion ou la statue animée (1742) und Étienne Bonnot de Condillac: Traité des sensations (1754).

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  6. Rolf Christian Zimmermann: Das Weltbild des jungen Goethe. Bd. 2. München 1969, S. 157–158.

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  7. Vgl. F. James Jones: La Nouvelk Héloïse: Rousseau and Utopia. Genève, Paris 1978.

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  8. „Wenn er doch eine Reise nach Pareis oder Pecking getan hätte! So aber wollt’ er nicht weg von Feuer und Bratspieß und wendet sich so lange d’ran herum, bis er kaput ist”, kommentiert Matthias Claudius in seiner Werther-Rezension (zit. nach: Karl Robert Mandelkow: Goethe im Urteil seinerKritiker Bd. 5, I. München 1975, S. 20).

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  9. Pierre Augustin Caron de Beaumarchais: Quatrieme mémoire a consulter pour Pierre Augustin Baron de Beaumarchais (1774).

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  10. Otto Voßler: Rousseaus Freiheixslehre. Göttingen 1963, S. 66.

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Jochen Golz Edith Zehm

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© 2003 Springer-Verlag GmbH Deutschland

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Sbarra, S. (2003). Der junge Goethe und Jean-Jacques Rousseau. In: Golz, J., Zehm, E. (eds) Goethe-Jahrbuch. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02862-4_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02862-4_2

  • Publisher Name: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-7400-1203-8

  • Online ISBN: 978-3-476-02862-4

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

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