Zusammenfassung
Faust spricht im ersten Akt der Tragödie, in der Nacht des Aufbruchs zur höheren Erkenntnis, von dem Wesen der Natur, die sich nicht durch menschliche Überlegungen „mit Hebeln und mit Schrauben“ (V. 675) entschlüsseln lasse, und dieser Ausspruch charakterisiert zugleich Goethes eigene, umfangreiche und sich über fünfzig Jahre erstreckende Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Fragen, welche mit der Farbenlehre von 1810 das gewichtigste Hauptstück lieferte. Wissenschaftshistorisch gesehen, fällt diese Publikation in die Zeit eines großen Umbruchs in der Physik, ja den Beginn einer Periode, in der nicht nur die heutige Optik, sondern auch alle anderen physikalischen Disziplinen Gestalt annahmen, und der Dichter selbst hat Pionierarbeit auf einem Teilgebiet der Optik, der sogenannten physiologischen Optik, geleistet. Dessenungeachtet haben die Zeitgenossen und späteren Generationen von Fachgelehrten die wesentlichen Grundlagen von Goethes intensiven Bemühungen um die physikalische Erkenntnis abgelehnt, wie es am deutlichsten vielleicht der Physiologe Emil du Bois-Reymond in seiner Berliner Rektoratsrede von 1881 mit den Worten ausdrückte: „Goethes Farbenlehre ist längst gerichtet“.1 Selbst der verbindlichere Kollege Hermann von Helmholtz urteilt im Handbuch der physiologischen Optik: „Goethes Darstellungen sind eben nicht als physikalische Erklärungen, sondern nur als bildhafte Versinnlichung des Vorganges aufzufassen“.2
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Notizen
Emil du Bois-Reymond: Goethe und kein Ende. In: ders. (Hrsg.): Reden von Emil du Bois-Reymond. Leipzig 2 1912, Bd. 2, S. 170.
Hermann von Hehnholtz: Handbuch der physiologischen Optik. Hamburg, Leipzig 2 1896, S. 307.
Werner Heisenberg: Zur Geschichte der physikalischen Naturerklärung. In: ders.: Gesammelte Werke. Hrsg. von Walter Blum, Hans-Peter Dürr u. Helmut Rechenberg. Abt. A-C. München 1984 ff. (künftig: GW). Bd. C, I, S. 50–61; hier S. 58.
Johannes Stark: Philipp Lenard als deutscher Naturforscher. In: Nationalsozialistische Monatshefte 7 (1936), S. 106–112; hier S. 106.
Ebd., S. 107.
Werner Heisenberg: Zum Artikel: „Deutsche und jüdische Physik“. In: GW, Bd. C, V. München, Zürich 1989, S. 10 f. Den angesprochenen Artikel veröffentlichte W. Menzel im Völkischen Beobachtervom 29.1.1936.
Werner Heisenberg: Die Bewertung der modernen theoretischen Physik. In: GW, Bd. C, V, S. 14 f. Der Originalartikel steht in der Zeitschrift für die gesamte Naturwissenschaft 9 (1943), S. 201–212. Sie war das Verbandsorgan der Reichsstudentenschaft.
Robert und Klara Döpel/Werner Heisenberg: Versuche mit einer Schichtenanordnung von D2O undPrä[parat]38. In: GW, Bd. A, II. Berlin 1989, S. 481–498; hier S. 490: „Die Energieerzeugung wird wahrscheinlich […] möglich sein“.
Werner Heisenberg: Ordnung der Wirklichkeit (Ms. 1942). In: GW, Bd. C, I, S. 217–308.
Werner Heisenberg: Wissenschaft als Mittel zur Verstündigung unter den Völkern. In: GW, Bd. C, V, S. 384–394; hier S. 393.
Werner Heisenberg: Das Naturbild Goethes und die technisch-naturwissenschaftiche Welt. In: GW, Bd. C, II. München 1964, S. 394 f.; bes. S. 396.
Ebd., S. 398.
Ebd.. S. 399.
Ebd., S. 402f.
Ebd., S. 403.
Ebd.
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Rechenberg, H. (2004). „Goethe hat ihn durch sein ganzes Leben begleitet“: Werner Heisenbergs Auseinandersetzung mit Goethes Naturbild. In: Frick, W., Golz, J., Zehm, E. (eds) Goethe-Jahrbuch. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02860-0_23
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