Zusammenfassung
Daß man auf sehr unterschiedliche Weise und zu ganz unterschiedlichen Zwecken reisen kann, dafür bietet Goethes Leben und Werk reiches Anschauungsmaterial. Wie es im Deutschen Wörterbuch heißt, ist „die gewöhnliche bedeutung von reise in der ältern sprache ,Aufbruch zum kriege, der kriegszug selbst‘“2 und diese — wortgeschichtlich gesehen — ,Urform‘ des Reisens finden wir auch bei Goethe: bekanntlich begleitete er 1792 seinen Herzog auf dem Feldzug nach Frankreich und mußte für diesen Zweck Christiane und den noch nicht dreijährigen August allein zu Hause lassen, was ihm wenig gefiel. Aber auch Dienstreisen anderer Art unternahm der Geheimrat im Auftrag seines Herzogs.3 Eine wichtige Rolle spielen seit 1785 zudem Goethes Kur- und Badereisen, die der Erholung und Regeneration gewidmet waren. Berühmt sind vor allem aber seine Studien- oder Bildungsreisen, zu denen die Reisen in die Schweiz und natürlich die Reise nach Italien zu rechnen sind. Als Mittel der für eine Reise konstitutiven Fortbewegung hat Goethe sich verschiedener Vehikel bedient; das Spektrum reicht von den Fußwanderungen über die Fortbewegung zu Pferd, zu Schiff oder in der Kutsche bis zu den Reisen, die Goethe im Geiste unternahm — ausschließlich mit den Flügeln der eigenen Vorstellungskraft oder auch mit der Hilfe von Büchern, inspiriert durch Lektüre.
Aber ist denn Bagdad so weit?1
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Notizen
Vgl. Antonella Nicoletti: Übersetzung als Auslegung in Goethes „West-östlichem Divan“im Kontext frühromantischer Übenetzungstheorien und Henneneutik. Tübingen, Basel 2002; bes. S. 105 bis 137.
Zur ,hybriden‘ Übersetzung vgl. Anne Bohnenkamp: „Hybrid“ statt „verfremdend“. Überlegungen zu einem Topos der Übenetzungstheorie. In: Linguistik in der Übersetzungswissenschaft Hrsg. von Peter Colliander, Doris Hansen u. Ingeborg Zint-Dyhr. Tübingen 2004, S. 9–26.
Klaus Reichen: Zur Übersetzbarkeit von Kulturen — Appropriation, Assimilation oder ein Drittes? In: „Zwischen den Kulturen“. Theorie und Praxis des interkulturellen Dialogs. Hrsg. von Carola Hilfrich-Kunjappu u. Stephane Moses. Tübingen 1997, S. 35.
Bernd Witte: „Hegire“. Transkulturelle Übenetzung in Goethes „West-oestlichem Divan“. In: Dagmar Ottmann/Markus Symmank (Hrsg.): Poesie als Auftrag. Festschrift für Alexander von Bormann. Würzburg 2001, S. 83–92; hier S. 84.
Vgl. Stefan Blessin: Goethes „Westöstlicher Divan“ und die Entstehung der Weltliteratur. In: Westöstlicher und nordsiidlicher Divan. Goethe in interkultureller Perspektive. Hrsg. von Ortrud Gutjahr. Paderborn u. a. 2000, S. 59–71, der bei Goethe ein Verfahren der ,produktiven Anverwandlung‘ erkennt, das im Rahmen heute geforderter „Interkulturalität“ nicht mehr am Platze sei: „Goethe in interkultureller Perspektive gibt es strenggenommen nicht“ (ebd., S. 69 u. 70).
Joseph von Hammer: Der Diwan von Mohammed Schemsed-din Hafis. Aus dem Persischen zum erstenmal ganz übersetzt. Stuttgart, Tübingen 1812 [tatsächlich beide Bde. erst 1814], 2 Bde.
Michail Bachtin: Aus der Vorgeschichte des Romanwortes. In: Die Ästhetik des Wortes. Hrsg. von Rainer Grübel. Aus dem Russischen übersetzt von Rainer Grübel u. Sabine Reese. Frankfurt a. M. 1979, S. 301–337; hier S. 323. Ein Übersetzungsverfahren, das die nicht mehr wahrgenommene natürliche Hybridität von Sprache (und Kultur!), eben die „Überreste und Möglichkeiten der Anderssprachigkeit“ auf vielfältige Weise an die Oberfläche kehrt, verwandelt die Sprache — mit den Worten Bachtins — „vom absoluten Dogma, das sie im Rahmen von Abgeschlossenheit und tauber Einsprachigkeit bildet, in eine Arbeitshypothese des Begreifens und Ausdrückens der Realität. [Ja,…] die wechselseitige Erhellung mit einer anderen Sprache beleuchtet und objektiviert im Prozeß des literarischen Schaffens gerade die ,weltanschauliche‘ Seite der eigenen (und der fremden) Sprache, ihre innere Form, das ihr eigene System der Bewertung und Akzentuierung“ (ebd., S. 318 f.). Und mit dieser „aktiven wechselseitigen Erhellung der Sprachen und Kulturen“ tritt an die Stelle „der einheitlichen und einzigen, abgeschlossenen, ptolemäischen sprachlichen Welt […] die offene galileische Welt der vielen, sich gegenseitig beleuchtenden Sprachen“ (ebd., S. 322).
Vgl. Manfred Koch: Weimaraner Weltbewohner. Zur Genese von Goethes Begriff „Weltliteratur“. Tübingen 2002, S. 266 (Fußnote 85): „Das ,allgemein Menschliche‘ ist auch für Goethe weniger die substantielle Gleichheit der Lebensformen als ihre wechselseitige Verstehbarkeit in der Differenz (die allerdings basiert auf einem Kernbestand an Universalien)“.
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Bohnenkamp, A. (2004). Goethes poetische Orientreise. In: Frick, W., Golz, J., Zehm, E. (eds) Goethe-Jahrbuch. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02860-0_14
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