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»den Menschen überhaupt sich zum Zwecke machen ist an sich selbst des Menschen Pflicht« — Die Grundzüge der Tugendlehre

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Kants Moralphilosophie
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Zusammenfassung

Nach dem Überblick über Grundbestimmungen der »Rechtslehre« gilt es nun an das vom Kategorischen Imperativ abhängige »Gesamtbild« der Moralphilosophie wieder anzuknüpfen und die »Tugendlehre« näher in den Blick zu nehmen. Ich habe in Kapitel 4 zu zeigen versucht, dass der Kategorische Imperativ als das Moralprinzip im Verständnis Kants ein »ethischer« Imperativ ist. »Ethik« hat dabei eine engere Bedeutung als im uns heute geläufigen Verständnis, in dem wir mit »Ethik« zumeist »Moraltheorie« oder »Moralphilosophie« bezeichnen.1 Auch Kant ist diese weitere Bedeutung vertraut.2 Zu Beginn der Tugendlehre macht er aber darauf aufmerksam, dass sich inzwischen eine engere Bedeutung eingebürgert habe, nach der »Ethik« nur für einen Teil der Moralphilosophie stehe, nämlich die »Tugendlehre«, und dass er sich diesem Sprachgebrauch anschließt.3 In der »Einleitung in die Metaphysik der Sitten« hat Kant ausgeführt: Eine Gesetzgebung, »welche eine Handlung zur Pflicht, und diese Pflicht zugleich zur Triebfeder macht, ist ethisch. Diejenige aber, welche das letztere nicht im Gesetze mit einschließt, mithin auch eine andere Triebfeder, als die Idee der Pflicht selbst, zuläßt, ist juridisch.«4 Der Kategorische Imperativ ist schon deshalb ein »ethischer« Imperativ, weil er nicht nur bestimmte äußere Handlungen vorschreibt, sondern auch fordert, das moralisch Richtige deshalb zu tun, weil es das moralisch Richtige ist.

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Notizen

  1. Für neuere Versuche, »Ethik« in einem engeren Sinne zu verstehen, siehe z. B. Jürgen Habermas, Erläuterungen zur Diskursethik, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1991;

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  2. Hans Krämer, Integrative Ethik, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1992.

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  3. Dieses Vorgehen wählt in anderem Zusammenhang Gewirth, Reason and Morality, a. a. O. 221–226 bei der Analyse eines ähnlichen Beispiels. Siehe dazu die Kritik von Eric Mack, Deontologism, Negative Causation, and the Duty to Rescue, in: Edward Regis Jr. (ed.), Gewirth’s Ethical Rationalism. Critical Essays with a Reply by Alan Gewirth, Chicago: University of Chicago Press 1984, 147–166, und die Erwiderung von Gewirth (Replies to my Critics, in: ebd. 192–255, 233–241). Gewirth betont dort: »[…] in considering how an omission or a failure to act can cause harm (or anything else), we must recognize that the concept of cause applies not only to the initiation or instigation of some event but also to its continuation and prolongation. Now when some person A allows an event X to continue, he makes a causal contribution to the prolongation of X: X would not have continued had it not been for his refraining from stopping it.« (p. 236; Hervorhebung dort).

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  4. Vgl. z. B. MST 8, 533 = VI, 40214–21; siehe dazu Nancy Sherman, Making a Necessity of Virtue. Aristotle and Kant on Virtue, Cambridge: Cambridge University Press 1997, 121–186 (Ch. 4: »The Passional Underpinnings of Kantian Virtue«).

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  5. Eine eingehende Behandlung der ersten vier der fünf kasuistischen Fragen bietet David N. James, Suicide and Stoic Ethics in the Doctrine of Virtue, in: Kant-Studien 90 (1999), 40–58, 48–58.

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  6. Für einen Vergleich zwischen Kants Beurteilung der Selbsttötung mit den stoischen Auffassungen siehe auch Michael J. Seidler, Kant and the Stoics on Suicide, in: Journal of the History of Ideas 44 (1983), 429–453.

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  7. Dies stellt zu Recht Mary Gregor in ihrer Pionierarbeit zur Metaphysik der Sitten (und insbesondere zur Tugendlehre) heraus, siehe Mary Gregor, Laws of Freedom. A Study of Kant’s Method of Applying the Categorical Imperative in the Metaphysik der Sitten, Oxford: Blackwell 1963, 102 u. 135 f.

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  8. Siehe dazu auch David N. James, Twenty Questions: Kant’s Applied Ethics, in: Southern Journal of Philosophy 30 (1992), 67–87.

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  9. Zahntransplantationen wurden bereits von Pierre Fauchard (1678–1761) versucht und dann vor allem von John Hunter (1728–1793) propagiert. Hunter empfahl, »daß der Zahnarzt bei der Transplantation mehrere Spender zur Hand haben müsse, denn wenn der erste Zahn nicht ins das Zahnfach passe, müsse einer des nächsten ausprobiert werden und so fort, bis ein passender gefunden sei! Es ist erstaunlich, daß der Vater der modernen Chirurgie, dessen beträchtliches Wissen auf wissenschaftlicher Forschung und praktischer Erfahrung beruhte, solch eine Prozedur befürwortet hat. Mit der Zeit gab man die Transplantation auf (obwohl sie sich bis ins 19. Jahrhundert hinein hielt), nachdem wiederholt von Fehlschlägen berichtet wurde und die Gefahr der Übertragung von Krankheiten, besonders der Syphilis, erkannt worden war. « Ausschlaggebend war aber die Einführung »mineralischer« Implantate (Porzellanzähne). Malvin E. Ring, Geschichte der Zahnmedizin (1985), Köln: Könemann 1997, 180

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  10. Zur Zahnmedizin im 18. Jahrhundert siehe auch Walter Hoffmann-Axthelm, Die Geschichte der Zahnheilkunde, Berlin u. a.: Quintessenz Verlagsgesellschaft 2. Aufl. 1985, 221–276.

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Steigleder, K. (2002). »den Menschen überhaupt sich zum Zwecke machen ist an sich selbst des Menschen Pflicht« — Die Grundzüge der Tugendlehre. In: Kants Moralphilosophie. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02850-1_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02850-1_7

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-01886-1

  • Online ISBN: 978-3-476-02850-1

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