Zusammenfassung
»Es ist eine lange Oper, das ist wahr. Aber sie muß so sein.« Mit diesen Worten rechtfertigte Verdi am 13. Februar 1871 seinem neapolitanischen Freund Cesare De Sanctis gegenüber die ambitionierteste, längste und zugleich musikalisch aufwendigste seiner Opern.1 Die an entstellenden Kürzungen und einschneidenden Bearbeitungen wahrlich nicht arme Bühnengeschichte von Verdis Don Carlo2 wiederholt damit nur das Schicksal von Schillers gleichnamigem dramatischen Gedicht, dem seinerseits schon die Zeitgenossen zum Vorwurf machten, daß es mit seinen mehr als fünftausend Versen die Grenzen des Theaters sprenge. Im achten seiner Briefe über Don Carlos räsonniert Schiller über die ideelle Bestimmung dieses Schauspiels, daß sie »nicht wohl Episode zu einer Handlung« sein könne, »die den Ausgang einer Liebesgeschichte zum Zweck hat«: »Und was wäre also die sogenannte Einheit des Stückes, wenn es Liebe nicht sein soll, und Freundschaft nie sein konnte? Von Jener handeln die drei ersten Akte, von dieser die zwei übrigen, aber keine von beiden beschäftigt das Ganze. Die Freundschaft opfert sich auf, und die Liebe wird aufgeopfert, aber weder diese noch jene ist es, der dieses Opfer von der andern gebracht wird.«3 Die Einheit — dies Schillers Überzeugung — liege in der republikanischen Freiheitsidee, in der Botschaft von der Humanität als dem vollendetsten Zustand des Menschen. Die stets kritisierte »Überladung« stehe dem Stück also nicht im Wege, sondern sei geradezu der Garant seiner künstlerischen Universalität.
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Weiterführende Literatur
Julian Budden, The Operas of Verdi, vol. 3, London 1981
Atti del II. Congresso internazionale di studi verdiani, Parma 1971
Sieghart Döhring/Sabine Henze-Döhring, Oper und Musikdrama im 19. Jahrhundert, Laaber 1997
Ursula Günther, La Genèse de Don Carlos, in: Revue de musicologie 58 (1972), S. 16–64 und 60 (1974), S. 87–154
Gabriella Carrara Verdi/Ursula Günther (Hg.), Der Briefwechsel Verdi-Nuitter-Du Locle zur Revision des Don Carlos, Teil I, in: Analecta musicologica 14, 1974, S. 414–444; Teil II, ebd., 15, 1975, S. 334–401; Postscriptum, ebd., 19, 1979, S.373–377
Ursula Günther, Vorwort, in: Giuseppe Verdi, Don Carlos. Canto e pianoforte/Klavierauszug mit französischem und italienischem Text, Mailand 1980, S. V–XXXIII
Frits Noske, Don Carlos. The Signifier and the Signified, in: Frits Noske, The Signifier and the Signified. Studies in the Operas of Mozart und Verdi, The Hague 1977, S. 294–308
Frits Noske, From Idea to Sound. Philip’s Monologue in Verdi’s Don Carlos, in: Studi verdiani 10, 1994/95, S. 76–92
Ulrich Schreiber, Verdis schillerndes Opernphantom, in: Udo Bermbach (Hg.), Verdi-Theater, Stuttgart und Weimar 1997, S. 89–103
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Schweikert, U. (2002). Von Gräbern umzingelt Rettung und Vernichtung in Verdis Don Carlo. In: Krellmann, H., Schläder, J. (eds) »Die Wirklichkeit erfinden ist besser«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02817-4_26
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