Zusammenfassung
An Weimar wird jeder rühmen, die Stadt sei nicht nur eine Hauptstadt der deutschen Literatur als solcher, sondern eine Weltstadt. Darunter versteht man, daß die Ausstrahlungskraft ihrer Geschichte über die deutschen Grenzen hinausreicht. Die Frage nach der Ursache wird dabei kaum aufgeworfen, weil die Antwort sich in der Aufzählung der Persönlichkeiten erschöpfen würde, die hier gewirkt haben. Andere Faktoren, die vielleicht ausschlaggebend waren, dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. So hat für den Ruf Weimars in Deutschland und in England das Buch der Frau von Staël „De l’Allemagne“ (1813 erschienen) eine entscheidende Rolle gespielt. Selbst Goethe hat die temperamentvolle Aristokratin, die ihn durch ihren ethnographischen Blick auf die deutschen Verhältnisse eigentlich ärgerte, mit Geduld empfangen. Er wußte wie auch Schiller, daß die Mißverständnisse dieser nicht einmal deutsch sprechenden Ausländerin, die ihn auszufragen sich erlaubte — Mißverständnisse, welche Jean Paul in einer späteren Rezension rügte —, letztendlich zur europaweiten Anerkennung der Weimarer literarischen Welt beitragen würden. In Weimar hatte Frau von Staël Informationen über die deutsche Literatur gefunden, indem sie nicht nur die Deutschen selbst, sondern auch den Engländer Henry Crabb Robinson befragte. Auch mußte sie auf Karl Ludwig Fernows Schriften in italienischer Sprache zurückgreifen. Die Mittlerrolle der Französin fußte demnach auch auf weiteren mikrologischen Vermittlungen, bei denen Ausländer oder fremde Sprachen eine Rolle gespielt haben. Die Stadt verdankt ihren europäischen Ruhm einem komplizierten System von Vermittlungen.
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Notizen
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Espagne, M. (2001). Das kulturelle Gedächtnis im Kontext deutsch-französischer Kulturbeziehungen. In: Bollenbeck, G., Golz, J., Knoche, M., Steierwald, U. (eds) Weimar — Archäologie eines Ortes. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02792-4_3
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