Uwe Grüning: Abschied und Willkommen

Zusammenfassung

„Goethe-Bilder“ nennt Uwe Grüning seine schmalen, doch gehaltvollen Betrachtungen — kurze, einfühlsam formulierte Texte, die wie Miniaturen die Charakteristika eines komplexen Zusammenhangs zu konzentrieren vermögen. Ausgehend von bekannten Situationen in Goethes Biographie, verdichtet der Autor Gewußtes und Geahntes zu Momentaufnahmen des Innern. Immer sind es Wendepunkte in Goethes Entwicklung, die auf ihre nuancierten psychischen Konstellationen hin befragt werden; immer geben konkrete Erinnerungspartikel, autobiographischen oder dichterischen Zeugnissen entnommen, den Blick auf mögliche Empfindungen, auf vermutete psychische Vorgänge frei. Daß diese Annäherungen an Goethes wandlungsreiches Lebensgefühl keine bloßen Annahmen bleiben, ist Uwe Grünings subtilem Wissen über Goethe wie über die Labyrinthik des Daseins zu verdanken. Die Trennung von Friederike Brion, die Abreise aus Frankfurt im Herbst 1775, der Aufbruch nach Italien, die erste Begegnung mit Christiane Vulpius und schließlich die Entstehung der Trilogie der Leidereschafi: Stets spürt der Autor den unausgesprochenen Motiven des Handelns — oder des unentschiedenen Zögerns — nach, und er bringt sie behutsam ans Licht, indem er sie mit Begriffen verknüpft, die in Goethes Werk eine zentrale Rolle spielen: Die Bedeutung des Augenblicks kommt dabei zur Sprache wie das Postulat der Entsagung und das produktive Verhältnis von schmerzhafter Erinnerung, Phantasie und „aussöhnender“ Formfindung.