Goethe in China — Reiseeindrücke eines Politologen im September 1999

Zusammenfassung

Der unvergleichliche poetische Reichtum und die Vieldimensionalität der chinesischen Schriftsprache lassen sich erahnen aus der Schreibweise des Namens Goethe: Lautmalerisch ist er gebildet aus den Silben GE und DE, die als Zeichen die Bedeutung von „Lied“ (de) bzw. „Moral/Tugend“ und gleichzeitig „deutsch“ (de) haben. Wer also in China GOETHE sagt bzw. die beiden Schriftzeichen liest, der sagt/liest ebenso mit: „deutscher Liederdichter“ oder „deutscher Tugendsänger“. Am Vorabend der pompösen Inszenierung des 50. Jahrestages der Volksrepublik wurde im September 1999 zugleich „Goethe in China“ gefeiert — mit einem großen Festakt in Beijing, bei dem kulturelle Prominenz bis hin zur stellvertretenden Kultusministerin erschien (ein Sprecher erinnerte daran, daß das neue China „kurz nach Goethes 200. Geburtstag ausgerufen“ wurde …), und einem viertägigen Symposium chinesischer Goethe-Kenner, die nicht nur aus Germanisten bestanden. Denn Goethe-Kenner gibt es nicht wenige: Goethe ist auch in China zu Hause und eng verknüpft mit der Geschichte des modernen China.