Zusammenfassung
Herr Ehlers vom Weimarschen Hoftheater gab gestern hier ein Concert, welches sich durch eine sehr angenehme Eigenschaft auszeichnete: es war nemlich weit unterhaltender, als dergleichen Concerte gewöhnlich zu seyn pflegen, und zwar vornehmlich durch schöne Romanzen und Volkslieder, welche Herr E. ohne weitere Begleitung zur Guitarre sang. Man muß diese freilich mit so viel Ausdruck und Wahrheit und so deutlich vortragen, wie Herr E.; damit der Zuhörer nicht blos die Weise der Gesänge hört, sondern auch die Worte ganz verstehen und mit Antheil genießen kann. An der Art, wie Herr E. Romanzen und Lieder von Zelter und Reichardt vorträgt, erkennt man leicht, daß er aus der hohen Deklamationsschule des großen Weimarschen Meisters ist, und daß er den Sinn und Willen der Componisten kennt. Jeder Vers, jeder Ausdruck erhält sein Recht, und kann seine Wirkung daher schwerlich verfehlen. Mit ganz eigner, ächt komischer Manier sang H. E. auch einige ächte Oberdeutsche Volkslieder in ihrem eigenthümlichen bedeutenden Dialect, und ergötzte die ansehnliche, für die Jahreszeit ungewöhnlich zahlreiche Versammlung damit mehr, als mit allen großen Scenen hätte geschehen können, deren Ausführung in Concerten nur durch die entschiedenste Vortrefflichkeit und Vollständigkeit des Orchesters Interesse gewinnen kann. Möchten doch mehrere Künstler den Muth haben, immer mehr von den langweiligen geheiligten Concertformen abzuweichen, und die sichere Lust der Zuhörer der Befriedigung einer eingebildeten Ehrensache vorzuziehen. Herr E. ist im Begriff eine Reise durch ganz Deutschland zu machen, und wird sicher nirgend den Beifall verfehlen, den er verdient.1
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Notizen
Carl Dahlhaus (Hrsg.): Lied-Traditionen. In: Die Musik des 19. Jahrhunderts. Neues Handbuch der Musikwissenschaft. Bd. 6. Laaber 1980, S. 81.
Karl J. Kutsch/Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. Bd. 1. Bern 1987, S. 829. Ehlers’ Zeit am Hoftheater zu Weimar (1800–1805) und damit die „freundschaftliche“ Nähe zu Goethe und Schiller wird ohne näheren Hinweis auf den Liedvortrag nur gestreift.
Wilhelm Bode: Die Tonkunst in Goethes Leben. 2 Bde. Berlin 1912; besonders Bd. 1, S. 284–289.
Wilhelm Ehlers: Vorerinnerung. In: Lieder mit Begleitung der Guitarre oder des Pianofortes. Leipzig 1817.
J. L. Ewald (Hrsg.): Fantasien auf einer Reise durch Gegenden des Friedens, von E. P. v. B., Hannover 1799; zit. nach Bode (Anm. 10), Bd. 1, S. 295 f.
W. Ehlers: Vorbericht, Sammlung Deutscher Gesänge. Wien 1812.
Peter Winter: Vollständige Singschule. Mainz 1824.
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Busch-Salmen, G. (2001). „Er war unermüdet im Studiren des eigentlichsten Ausdrucks“. In: Golz, J., Leistner, B., Zehm, E. (eds) Goethe-Jahrbuch. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02786-3_12
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