Zusammenfassung
Die philosophische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Freundschaft hat in Nietzsches Schaffen deutliche Spuren hinterlassen.1 Schon früh wird ihm unter Rückgriff auf das antike Verständnis von Freundschaftsbeziehungen2 die Kritik am modernen Kult der Menschheitsverbrüderung, der Gleichmacherei und der idealisierten Geschlechtsliebe möglich.3 In der Entlarvung der Unwahrheit des Standpunkts der traditionellen Moral, an deren Stelle die im Willen zur Selbstverantwortlichkeit gründende Freiheit des Individuums gesetzt wird, finden sich immer wieder Hinweise auf die paradigmatische Dimension der Lebens- und Kommunikationsform Freundschaft, die trotz einer nicht mehr zu überschauenden Sekundärliteratur zu Nietzsche immer noch einer ausführlichen Kommentierung harren.4 Von nicht zu vernachlässigender Bedeutung ist dabei die Tatsache, daß Freundschaften und deren oft schmerzhaft empfundenen Auflösungen im Leben Nietzsches eine große Bedeutung besaßen, so daß viele Bemerkungen und Aphorismen zu diesem Thema geradezu als Verschlüsselungen persönlicher Erfahrungen gelesen werden können.5
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Anmerkungen
Eine Zusammenstellung der wichtigsten Textstellen bei K.-D. Eichler (Hrsg.), Philosophie der Freundschaft, Leipzig 1999. Keine Berücksichtigung fanden hier die zahlreichen Stellen aus dem Nachlaß, auf die im vorstehenden Text Bezug genommen wird.
Eine Monographie über das Thema Freundschaft bei Nietzsche ist mir nicht bekannt. Hinweise finden sich vor allem bei E. Bertram, Nietzsche. Versuch einer Mythologie, Berlin 1918; E. Baumgarten, Mitteilungen und Bemerkungen über den Einfluß Emersons auf Nietzsche; in: Jahrbuch für Amerikastudien 1, 1956, S. 93–152; A. Bennholdt-Thomsen, Nietzsches »Also sprach Zarathustra« als literarisches Phänomen. Eine Revision, Frankfurt am Main 1974; R. Bodei, Ordo amoris, Bologna 1991; D. Bremer, Nietzsches Dionysos und Platos Eros; in: A. Patzer (Hrsg.), Apophoreta, Bonn 1975, S. 21–72.; A. G. Düttman, Was Liebe heißt in allen Sprachen und Stummheiten dieser Welt, o.O. 1996; M. Fleischer, «Der Sinn der Erde« und die Entzauberung des Übermenschen, Darmstadt 1993; V. Gerhardt, Pathos und Distanz, Stuttgart 1988; S. Gilmann, Nietzsches Emerson-Lektüre: eine unbekannte Quelle; in: Nietzsche-Studien 9, 1980, S. 406–431; R. Görner, Nietzsches Kunst. Annäherung an einen Denkartisten, Frankfurt am Main 1990; R. H. Grützmacher, Nietzsche, Leipzig 1921; W. Kaufmann, Nietzsche. Philosoph — Psychologe — Antichrist, Darmstadt 1982; J. Köhler, Nietzsches Geheimnis, Nördlingen 1989; A. Pieper, »Ein Seil geknüpft zwischen Tier und Übermensch«: Philosophische Erläuterungen zu Nietzsches erstem Zarathustra, Stuttgart 1990; H. Schipperges, Am Leitfaden des Leibes. Zur Anthropologie und Therapeutik Friedrich Nietzsches, Stuttgart 1975. Einen herausragenden Platz in der Geschichte der Interpretationen des Freundschaftsverständnisses in Nietzsches Werken nimmt die Schrift von Derrida »Politik der Freundschaft« (Frankfurt am Main 2000) ein.
Vgl. dazu C. P. Janz, Friedrich Nietzsche. Biographie in drei Bänden, München und Wien 1978, Bd. 1, S. 634–698.
Mit der zunehmenden Kritik normativer, an Gerechtigkeits- oder utilitaristischen Kriterien orientierter, Moralkonzeptionen vollzieht sich in der moralphilosophischen Literatur der Gegenwart auch eine Hinwendung zur Untersuchung der moralischen Dimension der Freundschaft. Vgl. dazu u. a. die Diskussionen um die Begriffsbestimmung der Freundschaft in: Ethik und Sozialwissenschaften, Jg. 1997, H. 1 und in der Deutschen Zeitschrift für Philosophie 2, 1997; weiter dazu: K.-D. Eichler, Philosophie der Freundschaft (Anm. 1); Neera Kapur Badwar (ed.), Friendship. A Philosophical Reader, Ithaca/London 1992; L. Blum, Friendship. Altruism and Morality, London 1980; U. Nötzoldt-Linden, Freundschaft. Zur Thematisierung einer vernachlässigten soziologischen Kategorie, Opladen 1994; J. Derrida, Politique de l’amitié suivie de l’oreille de Heidegger, Paris 1994.
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Eichler, KD. (2001). »In deinem Freund sollst du deinen besten Feind haben«. In: Nietzsche im Exil. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02785-6_13
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Online ISBN: 978-3-476-02785-6
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