Zusammenfassung
Das Problem der Motivierung von Musik findet zweifellos im Bereich des Schauspiels seine stärkste Ausprägung.1 Mehr als in der Oper stellt sich beim gesprochenen Drama die Frage, welche Funktion die Musik besitzen soll. Die Definitionen von Schauspielmusik ranken sich infolgedessen auch vorrangig um die Unterscheidung zwischen drameninhärenter und nicht-drameninhärenter Musik.2 Gemeinhin werden drei Erscheinungsformen von Schauspielmusik unterschieden: 1. die vom Dramentext bereits geforderte Musik (Tänze, Märsche, Lieder und andere musikalische Realitätsfragmente wie Trommelwirbel, Fanfaren usw.), 2. Einleitungs- und Verbindungsmusik mit thematischem Bezug (Ouvertüre, Zwischenaktmusik, Melodramen) und 3. die Hinzufügung von Musik ohne Bezug zum individuellen Werk.3 Die ästhetische Diskussion des 18. Jahrhunderts, in erster Linie vertreten durch Gottsched, Scheibe und Lessing4, machte vor allem die zweite Kategorie, d.i. die sogenannte Rahmenmusik (Ouvertüre und Zwischenaktmusik), zum Gegenstand der theoretischen Reflexion. Über die erste Kategorie, also drameninhärente Musik, schweigt sie sich hingegen weitgehend aus.
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Notizen
Vgl. hierzu Judith Rohr, E.T.A. Hoffmanns Theorie des musikalischen Dramas. Untersuchungen zum musikalischen Romantikbegriff im Umkreis der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung, Baden-Baden 1985, S.168ff., S.182–185.
E.T.A. Hoffmann, Schriften zur Musik. Singspiele, Berlin/Weimar 1988, S.178f.
Zur Disposition der Musik vgl. Till Gerrit Waidelich, Rosamunde. Drama in fünf Akten von Helmina von Chézy. Musik von Franz Schubert. Erstveröffentlichung der überarbeiteten Fassung, mit einer Einleitung und unbekannten Quellen, Tutzing 1996, S.67–73.
Die Betrachtung der immer gleichen Beispiele (Egmont, Rosamunde, Preziosa) in der Literatur hat in dieser Hinsicht die Gewichte verschoben, wenn nicht gar das historische Bild vom Genre Schauspielmusik verzerrt. Vgl. hierzu auch Hedwig Meier, Die Schaubühne als musikalische Anstalt. Studien zur Geschichte und Theorie der Schauspielmusik im 18. und 19. Jahrhundert sowie zu ausgewählten Faust-Kompositionen, Bielefeld 1999.
Brief Webers an Brühl (8. Mai 1820), hier zitiert nach Carl Maria von Weber, Musikalische Werke, II/3, Preciosa, eingeleitet und revidiert von Ludwig K. Mayer, Braunschweig [1932], S.vi.
Oliver Huck betont demgegenüber den Ausnahmecharakter der Preziosa innerhalb des We-berschen Schauspielmusik-Schaffens dahingehend, als dort sämtliche „gültigen ästhetischen Prämissen“ keine Rolle mehr spielten. „Lieder und Chöre werden mit vollem Orchester begleitet, ein konsequent realistischer Eindruck ist hier und bei der instrumentalen Bühnenmusik nicht beabsichtigt.“ Vgl. Oliver Huck, Von der Silvana zum Freischütz. Die Konzertarien, die Einlagen zu Opern und die Schauspielmusik Carl Maria von Webers (Weber-Studien 5), Mainz u.a. 1999, S.297.
Vgl. Wolfgang Dömling, Hector Berlioz: die symphonisch-dramatischen Werke, Stuttgart 1979, S.105–112;
David Cairns, Berlioz: La naissance d’un artiste, Paris 1991, S.290–293.
Hector Berlioz, New Edition of Complete Works, Bd.5, Kassel u.a. 1970, S.78.
Zu Kotzebue vgl. Doris Maurer, August von Kotzebue. Ursachen seines Erfolges. Konstante Elemente der unterhaltenden Dramatik (Bonner Arbeiten zur deutschen Literatur 34), Bonn 1979.
Zum librettistischen Schaffen Kotzebues vgl. auch Karin Pendle, August von Kotzebue, Librettist, in: Journal of Musicology 3, 1984, S. 196–213; vgl. dort auch (S.206) die Klassifizierung aller Musiknummern, aus der hervorgeht, daß sich die Lieder (85) mit den Arientypen (ca.95) ungefähr die Waage halten.
Die Liederspiel-Dramaturgie wurde in der Literatur unterschiedlich bewertet; vgl. hierzu zusammenfassend Susanne Johns, Das szenische Liederspiel zwischen 1800 und 1830. Ein Beitrag zur Berliner Theatergeschichte, Frankfurt a.M. 1988, Bd. 1, S.24–29 bzw. zu Johns’ eigener Position S.297–330.
Die falsche Annahme, daß Reichardt ein deutsches Vaudeville im Sinn gehabt hätte, wird nicht wahrscheinlicher, wenn man sie durch die (fehlgeleitete) Rezeption des 19. Jahrhunderts zu stützen versucht; wie z.B. Rainer Bayreuther, der die Meinung vertritt, daß Reichardt „stets glaubte, das französische Vaudevilletheater für die deutsche Bühne neu erfunden zu haben“. Vgl. Rainer Bayreuther, Aspekte der deutschen Rezeption des Timbre und der französischen Parodiepraxis im 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Herbert Schneider, Das Vaudeville -Funktionen eines multimedialen Phänomens, Hildesheim 1996, S.201.
Vgl. Richard Wagner, Oper und Drama, in: Gesammelte Schriften und Dichtungen, Leipzig 1887/R Hüdesheim 1976, Bd.3, S.263, sowie in Kap.V.2.2.4.
„Ich halte es für das Beste, was ich bis jetzt komponiert habe.“ Brief an Klingemann vom 10. 2. 1830; vgl. Felix Mendelssohn Bartholdy, Briefwechsel mit Legationsrat Karl Klingemann, hrsg. von Karl Klingemann jun., Essen 1909, S.74.
E.T.A. Hoffmann, Die lustigen Musikanten (Ausgewählte musikalische Werke, Bd.4–5), hrsg. von Gerhard Allroggen, Mainz 1975–76.
Vgl. auch Günter Wöllner, Romantische Züge in der Partitur der Lustigen Musikanten, in: Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft 12, 1969, S.42–48.
Vgl. hierzu auch Gerhard Allroggen, E.T.A. Hoffmanns Kompositionen. Ein chronologischthematisches Verzeichnis seiner musikalischen Werke mit einer Einführung, Regensburg 1970. S.56–59.
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Betzwieser, T. (2002). Zwischen Schauspiel und Oper: das Problem der Motivation von Musik. In: Sprechen und Singen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02778-8_5
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