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Zusammenfassung

Dem Übergang vom Glauben an die sichtbare Realität zum Fürwahrhalten des durch Ohr und Intellekt Vermittelten entspricht historisch die Ablösung der Buchstabenschrift von der Bilderschrift. Diese Ablösung „vollzieht sich nicht mit einem Schlag, sondern etappenweise derart, das jedem weiteren Schritt in der Richtung nach dem Gehör, d.h. jeder weiteren Stufe der Intellektualisierung ein neuer Objektivitätsgrad der Wirklichkeit und damit der Fremdheit des bildlichen Ausdruckes entspricht.”3

Sprechen! Nicht mehr schreiben! Zuhören! Werbung für sogenannte Schallplattenpostkarten, um 1905

Ja, heißt das eine Wörtchen, das andre heißet Nein, die beiden Wörtchen schließen die ganze Welt mir ein.

Wilhelm Müller1

Und die Eule, wohlbekannt der Schriften Spricht, heischern Fraun gleich in zerstörten Städten. Aber Die erhalten den Sinn. Oft aber wie ein Brand Entstehet Sprachverwirrung.

Hölderlin2

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Notizen

  1. Heimito von Doderer, Tangenten, München 1995, S. 334. — Diesen Zustand der Sprache vorausgesetzt, wird es verständlich, daß Doderer sagen kann: „Das gesprochene Wort bleibt unter allen Umständen ein Gift, und Gifte müssen knapp und sorglich dosiert werden.” (Doderer, a.a.0., S. 319)

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  2. Die hörbaren Abbilder haben einen noch weit dämonischeren Charakter als die sichtbaren. — Das Erschrecken vor den aus dem Telefon dringenden Lauten hält eine Passage aus Kafkas Schloß fest: „Aus der Hörmuschel kam ein Summen, wie K. es sonst beim Telefonieren nie gehört hatte. Es war, wie wenn sich aus dem Summen zahlloser kindlicher Stimmen — aber auch dieses Summen war keines, sondern war Gesang ferner, allerfernster Stimmen —, wie wenn sich aus diesem Summen in einer geradzu unmöglichen Weise eine einzige hohe, aber starke Stimme bilde, die an das Ohr schlug, so, wie wenn sie fordere, tiefer einzudringen als nur in das armselige Gehör.” (Franz Kafka, Das Schloß, Frankfurt a.M. 1976, S. 21)

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  3. Erwin Reisner, Der Dämon und sein Bild, a.a.0., S. 271 — Es ist der Traum der Gentechnik, den Menschen als Objekt der Wissenschaft durch Entschlüsselung seines „Codes” zum Reden zu bringen. Diese letzte Entzifferung bedeutet das endgültige Verstummen des Menschen, das Ende der Schrift und allgemein das Ende der Sprache als die den Menschen auszeichnende Begabung. Daher konnte Wolfgang Hildesheimer den Gentechnikern jede Menschenähnlichkeit absprechen, und zwar nicht in „ohnmächtigem Zorn” sondern aus der Position selbstverständlicher, nüchterner Achtung vor Sprache und Schrift.

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  4. Ein Paradigma des Augenbarbars ist der Tourist.

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  5. Nicht ohne Grund vermeiden einige der besten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts alle „musikalischen Wirkungen”. „Als endlich einmal einer des Weges kam und etwas von dem, was ich geschrieben hatte, las, stieß er dieses Urteil hervor: ‘Was mir an Ihrer Schreibweise gefällt, ist das Musikalische.’ So etwas mußte gerade mir passieren, der ich mich seit Jahren vor allen Dingen bemüht hatte, in meiner Prosa das Musikalische zu vermeiden!” (Ludwig Hohl, Die Notizen, Frankfurt a.M. 1981, S. 343) — Das Ziel Hohls ist es, „im Leser Melodie [zu] erwecken durch Klangloses.” (a.a.0.) Neben Hohl wären als „unmusikalische” Schriftsteller mindestens noch Franz Kafka, Walter Benjamin und Peter Handke zu nennen.

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Breier, A. (2002). Über das Sprechen im 20. Jahrhundert. In: Die Zeit des Sehens und der Raum des Hörens. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02777-1_37

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02777-1_37

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-45266-5

  • Online ISBN: 978-3-476-02777-1

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