Skip to main content
  • 31 Accesses

Zusammenfassung

Den Proteus der russischen Literatur hat man Puschkin genannt (seit Gnedičs Widmungsgedicht aus dem Jahre 18321) — dies wegen seiner ungewöhnlichen Verwandlungskraft, seiner Fähigkeit, sich in fremde Nationalkulturen und ferne Epochen zu versenken. Dostoevskij sah in jener Fähigkeit, etwas chauvinistisch, Puschkins „russische Spezifik“. Aber in der Tat: Puschkin schreibt die dramatische Szene Der Steinerne Gast (das Don-Juan-Thema) — und wir befinden uns in Spanien; er schreibt das Poem Poltava — und wir erleben die südliche ukrainische Nacht; er schreibt die Ballade vom Armen Ritter — und wir fühlen uns ins westeuropäische Mittelalter versetzt. Dieser seiner besonderen Fähigkeit, sich fremde Kulturen und ihre Dichtung anzuverwandeln, war sich Puschkin recht früh bewußt: Im Alter von fünfundzwanzig Jahren bezeichnet er sich in einem Brief an seinen Onkel Vasilij Puschkin (Anfang Februar 1825) scherzhaft als den „Außenminister des russischen Parnaß“ („ministr inostrannych del russkogo parnassa“).

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Notizen

  1. Das Gedicht A. S.Puškinu po pročtenii skazki ego o care Saltane i proč. (An A. S. Puškin nach der Lektüre seines Märchens vom Zaren Saltan usw.) beginnt mit den Worten: „Puškin, Protej / Gibkim tvoim jazykom […]“, vgl. Nikolaj Ivanovič Gnedič: Stichotvorenija. Biblioteka poeta, malaja serija. Moskva 1963, S. 164.

    Google Scholar 

  2. Boris Viktorovič Tomaševskij: Puškin i Francija. Leningrad 1960, S. 10.

    Google Scholar 

  3. Aleksandr Sergeevč Puškin: Polnoe sobranie sočinenij v 16 (21) tt. Moskva-Leningrad 1937–1949/1959. Verweise auf diese Puschkin-Ausgabe werden im Text in Klammem gegeben: zuerst Band-, dann Seitenzahl.

    Google Scholar 

  4. Tomaševskij (Anm. 2), S. 79 f.

    Google Scholar 

  5. Vgl. Pavel Vasil’evič Annenkov: Materialy dlja biografii Puškina. S. Peterburg 1873; zit. nach Puškin-Kritik. Moskva 1950, S. 576 f.

    Google Scholar 

  6. „Vysokaja komedija ne osnovana edinstvenno na smeche, no na razvitii charakterov, i neredko blizko podchodit k tragedii“. In: Entwurf über das Volksdrama und das Drama von Pogodin „Marfa Posadnica“ (11, 178).

    Google Scholar 

  7. Bekanntlich sind auch die drei erstgenannten Werke Komödien: Denis Ivanovič Fonvizins Nedorosl’ (Der Landjunker, 1782), Aleksandr Sergeevič Griboedovs Gore ot urna (Verstand bringt Leiden, 1833), Nikolaj Vasil’evič Gogol’s Revizor (Der Revisor, 1836).

    Google Scholar 

  8. Tomaševskij (Anm. 2), S. 249.

    Google Scholar 

  9. Puškin: Zametki i aforizmy raznych godov (1830), 12, 179.

    Google Scholar 

  10. E. Etkind: Russkie poėty perevodčiki ot Trediakovskogo do Puškina. Leningrad 1973, S. 44.

    Google Scholar 

  11. Vgl. die Zusammenstellung von Übersetzungen französischer Gedichte bei Tomaševskij (Anm. 2), S. 75 f.

    Google Scholar 

  12. Wortspiel mit den Titeln der Zeitschriften Teleskop (Moskau, 1831–1836) und Moskovskij Telegraf (1825–1834).

    Google Scholar 

  13. „[…] v grjazi (razumeju vo Francii). Proza edva-edva vykupaet gadost’ togo, to zovut oni poeziej“ (15, 29). Schon am 5. Juli hatte Puškin aus Odessa an Vjazemskij geschrieben: „Tous les recueils de poësies nouvelles dites romantiques sont la honte de la littérature française.“

    Google Scholar 

  14. Vgl. auch P. Brang: Parodie und Sprache. Puškin als pathetischer Satiriker (Überlegungen zu seiner Stellung in der Romantik). In: Zs. für Slavische Philologie. Bd. 59, 1 (2000), S. 67–93.

    Google Scholar 

  15. Auch wenn Puschkin sich über einen Dichter sehr kritisch äußert, bedeutet dies keineswegs, daß er sich nicht etwa höchst intensiv mit ihm beschäftigen konnte. Am Beispiel von Lamartine hat dies kürzlich Efim Etkind gezeigt. Vielmehr hat Puschkin, bei der Beschäftigung mit gleichen Themen und Motiven, andere Antworten gegeben. Im Falle Lamartines gilt das für Fragen der Religion oder des Freiheitsbegriffs oder für Gestalten wie Byron und Napoleon. Vgl. Efim Etkind: Puškin i Lamartin. In: Russkaja literatura. St. Peterburg 1999, H. 2, S. 43–70.

    Google Scholar 

  16. Über Puschkins Verhältnis zu Hugo im einzelnen vgl. Gerda Achinger: Victor Hugo in der Literatur der Puškinzeit (1823–1840). Die Aufnahme seiner Werke und seine Darstellung in der zeitgenössischen Literaturkritik. Köln-Wien 1991, S. 102–153.

    Google Scholar 

  17. Vgl. P. Brang: Das klingende Wort. Zu Theorie und Geschichte der Deklamationskunst in Rußland. Wien 1988. Darin: Dichter als Deklamatoren. Puškin, S. 36–48 sowie ders.: Hat Puškin laut gedichtet? In: Sprache ’ Text — Geschichte. Fs. für Klaus-Dieter Seemann. München 1997, S. 9–18.

    Google Scholar 

  18. Vgl. bereits 1825: „Poézija byvaet isključitel’noju strastiju nemnogich, rodivsichsja poetami“ (11, 32; O predislovie g. Lemonte).

    Google Scholar 

  19. Puschkin scheint Janins L’äne mort et la femme guillotinée zu schätzen, vgl. 14, 81. Eugène Sues Plick i Plock findet er ,misérable’ (14, 166). Von Stendhals Rouge et noir sagt er, das sei „un bon roman, malgré quelques fausses declamations et quelques observations de mauvais goût“ (14, 172); De Vignys Cinq-Mars (1826) wird Puschkin später scharf verurteilen — wegen der unwürdig-unangemessenen Darstellung Miltons (12, 141–143); von Victor Hugos Notre Dame sagt er: „II y a bien de grâce dans toute cette imagination. Mais, mais — — je n’ose dire ce que j’en pense“ (14, 172). Le dernier jour d’un condamné scheint ihm „talentvoll geschrieben“.

    Google Scholar 

  20. Larissa I. Vol’pert: Puškin v roli Puškina. Moskva 1998.

    Google Scholar 

  21. Istorija Pugačeva: „Nedostavalo predvoditelja. Predvoditel’ syskalsja“ (9.1, 12).

    Google Scholar 

  22. „Um čelovečeskij […] vidit obščij chod veščej i možet vyvodit’ iz onogo glubokie predpoloienija, často opravdannye vremenem, no nevozmoino emu predvidet’ slučaja — moščnogo, mgnovennogo orudija providenija.“ In: Vtoroj torn Istorii russkogo naroda Polevogo (11, 127; dieser Artikel blieb zu Puschkins Lebzeiten uneedruckt).

    Google Scholar 

  23. Gemeint ist Jules Armand Polignac, der nach der Restauration zu den reaktionären Politikern gehörte, 1829 Ministerpräsident wurde und jene Ordonnanzen unterzeichnete, die zum Ausbruch der Julirevolution 1830 führten.

    Google Scholar 

  24. Vgl. 11,202 und 435–441; ferner Tomaševskij (Anm. 2): Puškin i istorija francuzkoj revoljucii, S. 175–198.

    Google Scholar 

  25. Napoleon und Byron waren für Puschkin, wie später auch für Jurij Michajlovič Lermontov, die mächtigsten Verkörperungen ihres Zeitalters. Man vgl. Lennontovs Gedicht Zwei Riesen (Dva veli/znnnl_ 1832. und allgemein Lermontovs napoleonischen Gedichtzyklus“

    Google Scholar 

  26. Hans Rothe: Puškin und Napoléon (Erster Teil). In: Arion. Bd. 1. Bonn 1989, S. 197–215; ders.: Puškin und Napoleon (Zweiter Teil). In: Arion. Bd. 2. Bonn 1992, S. 119–168, hier: S. 168.

    Google Scholar 

  27. Vgl. z. B. Tomaševskij (Anm. 2), S. 129 u. 183; Literaturnoe Nasledstvo, t. 16–18, Moskva 1934, S. 917. Vgl. neuerdings L. A. Kraval’: Risunki Puškina kak grafičeskij dnevnik. Moskva: Nasledie 1997 (= Puškin v XX veke, IV).

    Google Scholar 

  28. D. P. Jakubovič in: Literaturnoe Nasledstvo, t. 16–18, S. 905–922.

    Google Scholar 

  29. Vgl. im übrigen auch die kritische Darstellung Voltaires durch Puškin in O ničtožestve russkoj literatury (1834), 11, 271 f.

    Google Scholar 

  30. Puškin war übrigens mit Muchanov befreundet und meinte später, er hätte ihn geschont (ja poščadil ego), wenn er gewußt hätte, daß dieser der Autor gewesen ist.

    Google Scholar 

  31. Vgl. P. Brang: Der Begriff der ,Achtung’ bei Puškin. In: Zs. für Slavische Philologie, Bd. 22, Heidelberg 1954, S. 304–315. Das Puškin-Wörterbuch verzeichnet 97 Belege für uvaženie und 65 für das Verb uvažat’

    Google Scholar 

  32. Vgl. auch Vadim Solomonovič Baevskij: Russkij i francuzskij jazyki v poetičeskom soznanii Puškina. In: Arion. Bd. 3. Bonn 1996, S. 38–51.

    Google Scholar 

  33. Puskin: Polnoe sobranie sočinenij v 10 tt., t. 6. Moskva-Leningrad 1951, S.160–163; vgl. auch 11,387f.

    Google Scholar 

  34. Mir erging es während langer Zeit so mit der berühmten, glücklich-selbstbewußten Formel aus dem Entwurf des Briefs an Nikolaj Raevskij syn vom Juli 1825, der u. a. über die Arbeit am Boris Godunov berichtet: „Cuvstvuju, čto duchovnye sily moi dostigli polnogo razvitija, ja mogu tvorit’.“ Puschkin schrieb: „Je sens que mon âme s’est tout-à-fait développée, je puis créer“.

    Google Scholar 

  35. Tomaševskii (Anm. 21. S 77.

    Google Scholar 

  36. Zit. nach Viktor Vladimirovič Vinogradov: Očerki po istorii russkogo literaturnogo jazyka. Moskva 1938, S. 246.

    Google Scholar 

  37. Puschkin legt seinem Drama Boris Godunov bewußt die Shakespearesche Poetik zugrunde, er nennt die zur Anwendung gelangenden Verfahren „romantisch“. Und doch kann sein Drama die klassizistische Schulung und das klassische Formgefühl nicht verleugnen. Die Figuren entwickeln sich nicht auf der Bühne, in der Konsequenz der dramatischen Handlung, sie sind bereits fertig (Demetrius allein macht allenfalls eine Entwicklung durch). Die Komposition des Boris Godunov ist, wie die anderer seiner Werke, auch seiner byronistischen Poeme (Die Zigeuner), durch ein unverkennbares Streben nach Symmetrie gekennzeichnet. So entsprechen sich die einzelnen Szenen spiegelbildlich: insgesamt sind es 23. Boris Godunov tritt zum ersten Mal in der vierten Szene auf und zum letzten Mal in der viertletzten. Am Anfang: eine Bojarenszene und dann zwei Volksszenen, am Ende die gleiche Folge. In der fünften Szene tritt Pseudo-Demetrius auf, in der fünftletzten ebenso; die drei polnischen Szenen befmden sich genau in der Mitte. — Puschkins „unwillkürliche“ Vorliebe für symmetrische Kompositionen hat am Text von zwanzig Gedichten E. Etkind nachgewiesen. Puschkin neigt sogar dazu, die Franzosen mitunter an formaler Geschlossenheit zu übertreffen. Den Pesni zapadnych slavjan gab er eine Ringkomposition, die bei Mérimée fehlt. Vgl. E. Etkind: Simmetričeskie kompozicii u Puškina. Paris 1988, S. 234.

    Google Scholar 

  38. Die Übersetzung „europäische Geltung“ für „evropejskaja obščežitel’nost’“, die in der ansonsten verläßlichen Ausgabe des Aufbau-Verlags (Puschkin: Aufsätze und Tagebücher. Berlin 1965 [Gesammelte Werke in 6 Bdn. Bd. 5], S. 27), gewählt wurde, ist kaum gerechtfertigt, da Puschkin „Civilisation Européenne“ vermutet. Puschkins Vermutung war im übrigen irrig, im Original heißt es in der Tat ,sociabilite europèenne.‘ Dies zeigt eine Nachprüfung im französischen Original des Vorworts von Lémontey (Fables Russes, tirées du recueil de M. Kriloff […]. Paris 1825: „Si j’en crois cet exemple, c’est donc moins de ses poetes que de ses prosateurs que la langue russe doit attendre son perfectionnement, et, s’il est permis de le dire, sa sociabilité européenne“ (S. XV–XVI). Die russische Übersetzung war also durchaus genau. Umso bemerkenswerter ist Puschkins selbstverständliche Vorgabe des Ziels „europäische Zivilisation“.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Editor information

Jochen Golz Wolfgang Müller

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2001 Springer-Verlag GmbH Deutschland

About this chapter

Cite this chapter

Brang, P. (2001). Puschkin und die französische Kultur. In: Golz, J., Müller, W. (eds) „Von Pol zu Pol Gesänge sich erneun…“. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02767-2_20

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02767-2_20

  • Publisher Name: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-7400-1150-5

  • Online ISBN: 978-3-476-02767-2

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

Publish with us

Policies and ethics