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Wilhelm Meister liest Shakespeare

Über Wilhelm Meisters Shakespeare-Verständnis

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„Von Pol zu Pol Gesänge sich erneun…“
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Zusammenfassung

Mit Goethes Wilhelm Meister-Roman von 1795/96 konvergieren zwei bedeutende Momente der Ästhetik und der literarischen Rezeption im ausgehenden 18. Jahrhundert. Es sind dies die Debatte um die Legitimität und das Selbstverständnis der Gattung Roman und die Aufnahme Shakespeares in Deutschland. Wilhelm Meister gilt als erster Gipfel deutscher Romankunst, als Beweis, daß ein deutscher Autor dieser damals immer noch umstrittenen Gattung zur höchsten Formvollendung, zur hochentwickelten Charakterentfaltung und zum seriösen Weltbild verhelfen kann, daß sich die deutsche Romankunst in die Nachfolge der großen europäischen Vorbilder, Fielding vor allem, als gleichwertig stellen kann. Darüber hinaus ist Wilhelm Meister ein Indiz dafür, daß die Begeisterungswelle für Shakespeare, die das 18. Jahrhundert ergreift und mit den Namen Lessing, Wieland und Herder identisch ist, durch ihr Einbinden in Goethes Kunstwerk nun endlich einen ersten Höhepunkt erreicht hat. Die Hoffnung, die 1774 Friedrich von Blanckenburgs Versuch über den Roman ausgesprochen hat,1 scheint teilweise in Erfüllung zu gehen, das Postulat nämlich, daß die Stärke und Breite der Leidenschaften in Shakespeares Dramen sowie die Fülle seiner Charakterwelt dem Romanautor zur Verfügung stehen und als Basis einer ansprechenden Kunst dienen.

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Notizen

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Paulin, R. (2001). Wilhelm Meister liest Shakespeare. In: Golz, J., Müller, W. (eds) „Von Pol zu Pol Gesänge sich erneun…“. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02767-2_19

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02767-2_19

  • Publisher Name: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-7400-1150-5

  • Online ISBN: 978-3-476-02767-2

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