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Ornament und Schrift

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»Schwarz auf weiß«
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Zusammenfassung

Der ‚Schilderer‘178 ist der, der das Wappen malt. Sein Malen ist kein bloßes ‚Anstreichen‘ noch einfach irgendein anderes Kunsthandwerk. Weit eher könnte es schon als ein Schreiben bezeichnet werden, denn das ‚schilderen‘ meint auch ‚beschreiben‘, ein Schreiben, das im Duktus des Malens ausgeführt sein will. Es ist ein Malen, das schreibt und beschreibt zugleich. Der Wappenmaler wird zusammen mit dem Herold gleichsam zum Gelehrten, dessen Farbpalette sein Alphabet, dessen Regeln der Schildteilung und dessen Muster seine Grammatik darstellen. Das ‚Blasonieren‘179 also, das sich aus dem Französischen ebenfalls vom Wappenmalen herleitet, darf mit Fug und Recht als Kunstsprache behandelt werden, eine Kunstsprache freilich, die der Oralität weitgehend entsagt, vom zeitlich späteren Ausrufen und Künden des Herolds einmal abgesehen. Das Blasonieren ist von seiner Geste her eine Nachahmung des Geschriebenen oder Gezeichneten, ein Nachahmen der Linie des Ornaments, das solchermaßen gelesen wird. Im Begriff des ‚Blasonierens‘ überkreuzt sich die Geste der Schrift mit derjenigen eines Lesens, in welchem auch schon die Techniken des Übersetzens angelegt sind. Lesen wird zu einem Beschreiben des Gezeichneten und des Geschriebenen. Auf der ‚Schrift‘ dieses Ornaments etabliert sich eine Sprache, die diese zu beschreiben und zu ordnen unternimmt. Es handelt sich um eine ‚Meta-Schrift‘, in deren Nachträglichkeit eine Rede einsetzt, der es in erster Linie darum geht, die ornamentalen ‚Schrift‘-Zeichen als die Weise des Erscheinens von Schrift zu beschreiben und sie damit zu Bausteinen eines besonderen Kommunikationsaktes, der verkündenden Deixis, zu gestalten: «schwarz auf weiß, weiß auf schwarz».

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Notizen

  1. Etymologisch wird der Begriff ‚schildern‘ auf mndd. ‚schilderen‘ und dessen Bedeutung ‚malen‘ rückgeführt, wobei mhd. ‚schiltaere‘ der Wappenmaler ist. Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin /New York 1989, S. 633.

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Gut, W. (2000). Ornament und Schrift. In: »Schwarz auf weiß«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02747-4_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02747-4_5

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

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